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KAS zu Studierenden-Proteste in Albanien
"Große Proteststimmung im Land"

Bezahlbare Gebühren, mehr Geld für Bildung, Bekämpfung der Korruption: Seit Tagen demonstrieren Studierende in mehreren albanischen Städten. Mittlerweile sei die Proteststimmung auch auf andere Teile der Bevölkerung übergesprungen, sage Walter Glos von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Albanien im Dlf.

Walter Glos im Gespräch mit Stephanie Gebert |
    Studierende protestieren am 11.12.2018 vor dem Erziehungsministerium in Tirana, Albanien für bessere Studienbedingungen. Einige Demonstranten tragen gelbe Schutzhelme
    Die Studiengebühren für ein Jahr betrügen rund 2.400 Euro - ein Monatslohn hingegen nur 300 Euro - erklärte Walter Glos von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Albanien im Dlf (AFP / Gent Shkullaku)
    Stephanie Gebert: Seit gut vier Jahren ist Albanien offizieller Beitrittskandidat der Europäischen Union, aber es gibt immer noch jede Menge Bedingungen, die das Land am westlichen Rand der Balkanhalbinsel erfüllen muss, etwa im Kampf gegen Korruption. Die ist auch im Bildungssystem deutlich spürbar. Seit zehn Tagen gehen zehntausende Studierende in der Hauptstadt Tirana auf die Straße. Sie haben einen Forderungskatalog erstellt. Sie wollen unter anderem, dass das Studium bezahlbar wird.
    Walter Glos ist Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Albanien und verfolgt die Demonstrationen, die teilweise direkt unter seinem Bürofenster stattfinden. Ich grüße Sie, Herr Glos!
    Walter Glos: Ja, herzliche Grüße aus Tirana, Albanien!
    Gebert: Ab heute sind wieder Studierende aus dem ganzen Land aufmarschiert. Bislang ist es nicht zu Gewalt gekommen. Bleiben aus Ihrer Sicht diese Demonstrationen friedlich?
    Glos: Das ist schwer zu beurteilen. Das hängt in erster Linie davon ab, wie die Regierung mit den Forderungen der Studenten umgeht. Ich hatte gestern noch mit einigen Verantwortlichen der Studenten und der Jugendorganisation gesprochen, und sie versuchen natürlich alles, dass die Veranstaltungen und die Proteste eben ruhig und friedvoll bleiben.
    Gebert: Woran genau hat sich denn der Protest der Studierenden entzündet?
    Glos: Die Proteste sind aufgekommen, nachdem großer Unmut entstanden ist, dass viele Studenten, die ihre Klausuren wiederholen mussten, dafür hohe Gebühren zahlen sollten. Hinzu kommt, dass die Gebühren für die Semester natürlich exorbitant hoch sind. Wenn man das im Vergleich zu Deutschland heranzieht, da kann man das nachvollziehen.
    Gebert: Wie hoch sind die denn?
    Glos: Die sind teilweise bis zu 2.600 Euro für ein Jahr, und bei einem Durchschnittslohn, den man hier so um die 300 bis 350 Euro im Monat vorfindet, ist das sehr teuer, und wir haben ja selbst hier Stipendien vergeben. Die Studenten, die wir da auswählen, die weinen dann häufig, weil ihnen großes Glück beschert wird, wenn ihnen zum Beispiel eine deutsche politische Stiftung ein Stipendium vergibt.
    Gebert: Jetzt ist die Bezahlbarkeit des Studiums das eine, was gefordert wird. Vielleicht greifen Sie sich noch mal zwei Dinge heraus, die den Studierenden ebenfalls wichtig sind.
    Glos: Also das ist einmal natürlich die Präsenz der Studenten in den wichtigen Entscheidungsgremien, über Dekane oder Rektoren, dann die Verdopplung des Budgets im Staatshaushalt für die Bildung, und dann aber auch die katastrophale Situation in den Studentenheimen, die wirklich unglaublich schlecht sind. Ich selbst hatte die Chance, mir das anzusehen, und wenn Ihnen 40 junge Studierende zeigen, wie sie mit einer Toilette klarkommen müssen und mit einer Dusche und Sie vermuten, dass die deutschen Gefängniszellen besser sind wie die Unterbringung hier im Studentenheim, dann kann man das durchaus nachvollziehen, was die Studenten fordern.
    Das alles beherrschende Thema der Koruption
    Gebert: Jetzt die EU Forderungen aufgestellt, weil Albanien ja, wie erwähnt, auch beitreten möchte. Unter anderem geht es da um den Kampf gegen Korruption. Diese Korruption ist auch im Bildungsbereich sehr verbreitet.
    Glos: Ja, wir hatten jetzt eine Zusammenarbeit mit sechs Gymnasien, und da war das alles beherrschende Thema Korruption der Lehrer, und selbiges ist auch bei den Universitäten. Die Studenten müssen für Klausuren zahlen, die müssen für Versetzungen zahlen, die müssen für Aufnahme zahlen, und das ist natürlich auch ein Punkt, der neben den ganzen anderen Forderungen eine Rolle spielt.
    "Keinen einzigen getroffen, der gesagt hat, sie können das nicht nachvollziehen"
    Gebert: Wie groß ist denn der Rückhalt für diese Forderungen in der Bevölkerung, und hat dieser Protest auch das Potenzial, andere Bevölkerungsschichten mitzureißen?
    Glos: Ja, es ist, wenn man unterwegs ist und fragt die Leute, was sie davon halten, habe ich keinen einzigen getroffen, der gesagt hat, sie können das nicht nachvollziehen oder sie würden das nicht unterstützen, in so wichtigen Städten wie Gijrokastra, Vlora, Shkodra, Elbasan, eben auch dort die ganzen Studenten sich den Protesten angeschlossen haben, und darüber hinaus auch andere Demonstrationen jetzt plötzlich stattfinden, die sich gegen die hohen Lebensmittelpreise, die sich gegen die hohen Ölpreise, Benzin-, Dieselpreise, die höher sind wie zum Beispiel in Deutschland, da merkt man im Moment, da ist eine richtig große Proteststimmung im Land.
    Gebert: Die Abwanderung der Jungen, das ist ja ein bekanntes Problem Albaniens, auch weil es eine hohe Jugendarbeitslosigkeit gibt. Hat die Regierung diese Aufgabe auf dem Schirm oder widmet sie sich eher anderen Problemen?
    Glos: Also sie muss, sie muss, sie kommt gar nicht drum herum, weil es jeder weiß, dass in den letzten fünf Jahren mehr als 400.000 junge Leute das Land verlassen haben, und bei einer Bevölkerung, die mal bei 3,X Millionen war, ist das eine exorbitant hohe Größe, und das zeigt, dass man dieses Thema ernstnehmen muss, sonst haben wir irgendwann eine Regierung, aber keine Bevölkerung mehr.
    Gebert: In Albanien fordern Studierende mehr Geld für die Bildung und gehen zu Zehntausenden auf die Straße. Walter Glos von der Konrad-Adenauer-Stiftung mit den Hintergründen. Danke schön!
    Glos: Ich danke auch! Herzlichen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.