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Kaschmir-Konflikt eskaliert
Atommächte auf Konfrontationskurs

Die Lage ist undurchsichtig: Im Kaschmir-Konflikt zwischen den verfeindeten Atommächten Indien und Pakistan sind Kampfflugzeuge abgeschossen worden. Doch über den Vorfall gibt es eine indische und eine pakistanische Version. Klar ist nur: Der Konflikt hat eine weitere Eskalationsstufe erreicht.

Von Bernd Musch-Borowska |
Indische Soldaten und Anwohner stehen in Kaschmir um die Reste eines abgestürzten Militärhubschraubers
Indische Soldaten und Schaulustige umringen die Überreste des abgestürzten Militärhubschraubers (AFP/Tauseef Mustafa)
Am rauchenden Wrack eines indischen Militärhubschraubers, in der Nähe der Budgam in Kaschmir, hat sich eine große Menge Schaulustiger versammelt. Zwei Piloten und auch ein Zivilist sind hier offenbar ums Leben gekommen. Ob der Hubschrauber abgeschossen wurde oder abgestürzt ist, bleibt vorerst unklar. "Weitergehen, weitergehen", sagte ein Polizist, der an der Absturzstelle für Ordnung sorgt, dem Kameramann der Nachrichtenagentur Reuters: "Erst müssen wir das hier alles aufräumen und uns um die Verletzten kümmern. Zwei Tote haben wir bisher gefunden. Danach werden die Experten der Luftwaffe das alles untersuchen."
Pakistan und Indien widersprechen sich
Pakistan gab den Abschuss von zwei indischen Kampfflugzeugen bekannt, die zuvor in den pakistanischen Luftraum eingedrungen seien. Über Twitter verbreitete der staatliche Rundfunk in Pakistan ein Foto von einem verletzten und gefangen genommenen indischen Soldaten. Pakistan wolle aber keine weitere Eskalation der Lage, sagte der Sprecher der pakistanischen Streitkräfte, General-Major Asif Ghafoor: "Genau genommen war das keine Vergeltung, sondern nur eine Demonstration unserer Entschlossenheit und unserer Möglichkeit, uns zu verteidigen. Wir wollen keinen Krieg. Wenn wir das wollten, hätten wir ein Ziel beschossen, das wir uns zuerst vorgenommen hatten. Aber dann hätte es viele Tote und große Schäden gegeben."
Indien stellte den heutigen Zwischenfall ganz anders dar. Pakistanische Kampfflugzeuge seien in den indischen Luftraum eingedrungen und abgewehrt worden. Dabei sei ein pakistanisches Flugzeug abgeschossen worden und ein indisches abgestürzt, sagte der Sprecher des indischen Außenministeriums, Raveesh Kumar. "Die pakistanischen Flugzeuge wurden entdeckt und unsere Luftwaffe hat reagiert. Dabei wurde ein pakistanischer Jet von uns abgeschossen. Unsere Bodentruppen haben gesehen, wie die Maschine über pakistanischem Boden niederging. Leider haben auch wir eine MIG-21 verloren. Der Pilot gilt als vermisst. Pakistan behauptet, er sei von ihnen gefangen genommen worden."
Luftraum im Norden Indiens gesperrt
Indien hat vorübergehend alle Flughäfen in Kaschmir und einige andere in der Region geschlossen und den gesamten Luftraum im Norden Indiens für die zivile Luftfahrt gesperrt. Selbst einige internationale Flüge von und nach Delhi waren betroffen. Vor allem im Grenzgebiet zwischen Indien und Pakistan in Kaschmir ist die Lage extrem angespannt. Immer wieder werde entlang der stark befestigten Grenze geschossen, sagte Abdul Majid, ein Anwohner, im Fernsehen: "Dort drüben an der Line of Control fliegen seit gestern Abend immer wieder Granaten, von beiden Seiten. Das ist wirklich problematisch für uns hier."
Die Spannungen zwischen den beiden verfeindeten Atommächten hatten sich in den vergangenen Wochen zugespitzt. Nach einem Terroranschlag in Kaschmir am 14. Februar, bei dem mehr als 40 indische Sicherheitskräfte getötet wurden, hatte Indien vor zwei Tagen ein Terrorcamp in Pakistan angegriffen. Indien wirft dem pakistanischen Geheimdienst und der Armeeführung vor, solche Terrorgruppen zu unterstützen und somit für deren Anschläge in Indien mitverantwortlich zu sein. Pakistan weist diesen Vorwurf zurück.