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Katalanische Popkultur
Warum Separation hip ist

Popsongs und Protest - die katalanische Unabhängigkeitsbewegung hat auch Sympathisanten in der jungen Musikszene. Fröhliche Familiensongs und harter Metal bilden den Soundtrack der Unterstützer. Denn viele Katalanen sind mit dem Wunsch nach Unabhängigkeit groß geworden.

Julia Macher im Gespräch mit Susanne Luerweg |
    Demonstranten spielen auf der traditionellen katalanischen Holzflöte, der Gralla. Ihr Ton ist heiter-schrill.
    Ihr Ton ist heiter-schrill: Demonstranten spielen auf der traditionellen katalanischen Holzflöte, der Gralla. (imago stock&people)
    Luerweg: Morgen Abend wird der katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont vermutlich die Unabhängigkeit ausrufen: Ob in einer symbolischen Erklärung oder de facto, steht allerdings noch in den Sternen. Auf den Demos der letzten Tage waren auffallend viele junge Menschen dabei. Darüber möchte ich mit unserer Korrespondentin in Barcelona, Julia Macher, sprechen. Frau Macher: Warum hat die Unabhängigkeitsbewegung so viele junge Unterstützer?
    Macher: Es ist ein Phänomen über das ich mich schon lange wundere. Ein Grund ist, dass es eine gelebte Kultur ist, das Katalanische - und dazu gehört auch, dass Volkstraditionen hier eine gelebte Kultur sind. Also ein Phänomen, was mir aufgefallen ist, als ich nach Barcelona gegangen bin, ist, dass es viele Vereine gibt, in die auch junge Menschen gehen, was in Deutschland so nicht vorstellbar war. Volkskultur ist hier nicht spießig, sondern hip.
    Und in der Popkultur führt das so zu kuriosen Phänomenen irgendwo zwischen Tradition und Moderne. Es gibt zum Beispiel eine Band, die heißt Els Laietans, die spielen auf diesen sehr schrillen katalanischen Blasintrumenten namens Gralla, und die spielen damit keine traditionellen Weisen, sondern Popsongs, zum Beispiel Shakiras WakaWaka.
    Revolutionäre Textzeilen an der Supermarktkasse
    Luerweg: Das hört sich ja lustig, fröhlich an. Gibt es denn auch so ein bisschen politischere Songs?
    Macher: Gibt es auch. Es gibt eine Band namens Txarango, die haben einen Song für das Referendum geschrieben, "Agafant l'horitzó" heißt es, frei übersetzt: nach dem Himmel greifen. Es sind fröhliche Rumbarhythmen, eine sehr eingängige Melodie und was, was absolut familienkompatibel ist, so dass man dann auch so Textzeilen wie: "Wir wollen keine Brotkrumen, sondern das ganze Brot", oder: "Wir säen Rebellion und ernten Freiheit" an der Supermarktkasse mitträllern kann. Und ich glaube, das ist schon so ein bisschen charakteristisch für die Unabhängigkeitsbewegung, wie sie bisher war, es ist so der Traum vom eigenen Land als große, fröhliche Utopie - und ich glaube diese Utopie, die hat ein paar Scharten bekommen in den letzten Tagen. Eben durch das rabiate Vorgehen der Polizei beim Referendum und durch die Drohung von vielen Firmen abzuwandern.
    Luerweg: Die Songs hören sich ja tatsächlich an wie die Begleitmusik zum netten Sonntagsnachmittagsausflug und nicht so, als würden sie die Stimmung anheizen. Was für einen Einfluss haben solche Bands denn überhaupt?
    Macher: Ich glaube nicht, dass sie jetzt neue Unabhängigkeitsbefürworter schaffen, es ist eher so ein Ausdruck von einer bestehenden Bewegung. Auf den Demos gibt es viele junge Leute, und diese jungen Leute sind alles Menschen, die mit dieser Unabhängigkeitsbewegung groß geworden sind. Das sind Demonstrationen, die natürlich Gemeinschaft schaffen. Und für diese jungen Leute ist das Recht auf Selbstbestimmung - dass wirklich seit 2006, seit dem Streit um das Autonomiereferendum, zentraler Bestandteil der katalanischen Politik ist - für die ist es etwas ganz Selbstverständliches, das wird auch nicht hinterfragt.
    "Vargas Llosa hat den Befürwortern eines Verbleibs keinen Gefallen getan"
    Luerweg: Gestern gab es ja zahlreiche Demos, unter anderem hat der Schriftsteller Mario Vargas Llosa auf einer gesprochen, die für den Verbleib der Katalanen in Spanien stand. Und da gab es heftige Reaktionen. Wie waren die denn?
    Macher: Ja, also die Ansprache von Vargas Llosa hat viele hier sehr empört, eben weil er auch den katalanischen Ministerpräsidenten als Putschisten bezeichnet hat, was so jetzt auch nicht stimmt, er möchte nicht die Macht in Madrid ergreifen. Natürlich ist es ein klarer Angriff auf die Verfassung, das Referendum, und es ist außerhalb des rechtlichen Rahmens. Aber Vargas Llosa, der sowieso eher auf der politisch Rechten steht, hat den Befürwortern eines Verbleibs bei Spanien bestimmt keinen Gefallen getan.
    Luerweg: Frau Macher, abschließend doch noch einmal gefragt: Die Songs, die bisher entstanden sind im Rahmen dieser ganzen Bewegung, die sind fröhlich, die sind heiter. Werden jetzt andere geschrieben werden müssen?
    Macher: Vielleicht ist schon einer geschrieben worden. Es gab jetzt einen Song, der auf Twitter und Facebook und Social Media viel geteilt wurde. Und zwar war das eine Heavy-Metal-Version der katalanischen Nationalhymne "Els Segadors" von einer Gruppe namens A Sound of Thunder. Die Sängerin Nina Osegueda ist Tochter einer Katalanin, wahrscheinlich hat sie sich deshalb des Themas angenommen und ich glaube zu derzeitigen Stimmung passt dieser eher düstere Heavy-Metal-Song auf jeden Fall besser als die fröhliche Rumba von Txarango.
    Luerweg: Julia Macher aus Barcelona über die häufig jungen Unterstützer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Frau Macher, vielen Dank für das Gespräch.
    Macher: Bitte, gerne.