Christiane Kaess: Marie Kapretz ist die Vertreterin der Regierung von Katalonien in Deutschland. Guten Tag, Frau Kapretz!
Marie Kapretz: Guten Tag, Frau Kaess, ich grüße Sie!
Kaess: War die katalanische Regierung auf so einen Anschlag vorbereitet?
Kapretz: Die Alarmstufe steht auf vier seit mehreren Monaten, die höchste Stufe ist fünf, das heißt, natürlich war die katalanische Regierung darauf vorbereitet, dass etwas passieren kann, und hat dementsprechende Vorkehrungen getroffen.
Kaess: Was bedeutet Alarmstufe vier, welche Vorkehrungen sind da eingeschlossen?
Kapretz: Das heißt erhöhte Polizeipräsenz in öffentlichem Raum und andere Vorkehrungen, die ich jetzt hier nicht aufzählen möchte. Aber es war auch klar, dass gerade die Zentren, wo Touristen sich aufhalten, immer im Fokus von solchen Attentätern stehen, und deswegen sind genau in diesen Zentren auch immer sehr viel Polizisten zu sehen, was nicht immer den Touristen gefällt, aber es ist natürlich sehr notwendig, wie man gesehen hat.
"Bei den Bergungsarbeiten hat man schon Material gefunden"
Kaess: Jetzt berichten Medien, dass es zu diesem Anschlag konkrete Hinweise im Vorfeld gegeben haben soll – können Sie das bestätigen?
Kapretz: Das kann ich so nicht bestätigen, weil natürlich hat man sofort nach der Explosion in Alcanar, als das Gebäude, das Wohnhaus explodiert ist ... sofort ist man davon ausgegangen, dass es sich nicht um irgendeinen Unfall gehandelt hat, da man, glaube ich ... bei den Bergungsarbeiten hat man schon Material gefunden, und daraufhin haben auch die Verwaltungen und Institutionen reagiert.
Kaess: Jetzt haben, Frau Kapretz, diese Vorkehrungen und Vorbereitungen die Anschläge dennoch nicht verhindern können. Was muss sich jetzt ändern, um das in Zukunft vielleicht doch verhindern zu können?
Kapretz: Leider hat sich in der Geschichte gezeigt, eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Das zivile Leben muss weitergehen, unsere offene und tolerante Gesellschaft sollte darunter nicht leiden, denke ich. Wir sollten unsere Werte hochhalten, dass wir so leben möchten, wie wir leben. Deswegen kann man immer mit den militärischen oder polizeilichen Vorkehrungen so weit gehen, wie das zivile Leben nicht beeinträchtigt wird. Und da ist natürlich der Punkt, den sich die Täter dann im Zweifelsfall zunutze machen, indem sie zum Beispiel, wie mein Vorredner gesagt hat, Zivilfahrzeuge als Attentatwaffen benutzen. Und da ist man natürlich limitiert. Man kann ja nicht alle Fahrzeuge verbieten. Dann wäre natürlich die Sicherheit erhöht, aber das würde das zivile Zusammenleben praktisch unmöglich machen.
Kaess: Das heißt, es wird sich jetzt erst einmal nichts ändern.
Kapretz: Nein, natürlich wird man verstärkt auf Sicherheit setzen, weiterhin. Man koordiniert die polizeilichen und militärischen Kräfte auch in ganz Spanien. Es ist ja auch nicht gesagt, dass das immer nur in Barcelona stattfinden muss, es gab ja auch andere Anschlagsziele – wir erinnern uns an Madrid 2004, der große Anschlag auf den Zug, wo um die hundert Menschen gestorben sind. Das heißt, man muss im ganzen Land präsent sein, im ganzen Staat.
Kapretz: Gerade eher ein Moment des Mitleids
Kaess: Es ist jetzt auch immer wieder in diesem Zusammenhang Kritik laut geworden an der Zusammenarbeit der europäischen Sicherheitskräfte. Würden Sie sich da auch eine bessere Zusammenarbeit wünschen?
Kapretz: Ich denke, das ist ein sehr wichtiger Punkt, an dem man arbeiten muss, aber ich denke, jetzt gerade ist es eher ein Moment des Mitleids und den Opfern beizustehen und vor allen Dingen auch die Hintergründe des Attentats aufzuarbeiten. Also ja, Zusammenarbeit, verbesserte Zusammenarbeit, aber auch konzentriert die Hintergründe dieses Attentats von gestern aufklären.
Kaess: Jetzt setzt sich Katalonien für seine Unabhängigkeit ein und Madrid ist dagegen. Ist es sinnvoll, weiter auf eine Unabhängigkeit zu setzen angesichts dieser terroristischen Bedrohung, wo man ja eigentlich zur Zusammenarbeit verpflichtet ist?
Kapretz: Ich denke, dieses eine Thema hat mit dem anderen Thema wenig zu tun. Wir haben eine politische Unabhängigkeitsbewegung, die in einem Referendum münden soll am 1. Oktober, das aber nichts zu tun hat mit der terroristischen Bedrohung von Europa. Man arbeitet in Europa in der Regel sehr gut zusammen, und das hat auch mit der Unabhängigkeitsbewegung von Katalonien nichts zu tun.
Kaess: Aber wird dieses Thema unter dem Eindruck der Ereignisse jetzt erst einmal in den Hintergrund treten?
Kapretz: Ich denke, man arbeitet weiter an dem Referendum wie bisher.
Kaess: Es wird sich nichts ändern daran?
Kapretz: Genau.
Kaess: Sagt Marie Kapretz, sie ist die Vertreterin der Regierung von Katalonien in Deutschland. Danke für Ihre Zeit heute Mittag!
Kapretz: Ich danke Ihnen!
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