Vogelgezwitscher im Park Ciutadella. Mitten in dieser beschaulichen grünen Lunge von Barcelona hat das katalanische Parlament seinen Sitz. Ein fast idyllischer Ort: Springbrunnen, spielende Kinder, Menschen, die ihre Freizeit und die Ruhe genießen. Friedlicher geht’s kaum.
Rund um das Parlament ist die Szenerie allerdings eine andere: Sperrgitter wurden aufgestellt, Übertragungswagen sind in Stellung gegangen, Polizisten patrouillieren. Vorbereitungen für den heutigen angespannten Tag.
Mehr Klarheit am Nachmittag?
Die Frage des Tages: Was macht Kataloniens Ministerpräsident Carles Puigdemont? Im Parlament will er sich am späten Nachmittag dazu äußern, wie seine Regierung auf den Druck aus Madrid reagieren will. Die spanische Zentralregierung hat angekündigt, dass sie den Verfassungsartikel 155 aktivieren will: Damit könnte sie Katalonien unter eine Art Zwangsverwaltung setzen – bis hin zur Entmachtung von Regierung und Parlament. Der Senat, die zweite Kammer des spanischen Parlaments, könnte diesen Schritt an diesem Freitag billigen. Und Kataloniens Regierung steht unter enormem Druck, darauf zu reagieren:
"Ich glaube, Dialog hat keinen Zweck mehr", sagt der junge Student Jaume am Abend auf einer Demonstration vor dem Sitz der katalanischen Regierung, im historischen Zentrum von Barcelona. "Die Chance zu Gesprächen sei vertan", meint Jaume. Und er hoffe, dass Puigdemont heute oder morgen einseitig die Unabhängigkeit erklärt. Auch ein älterer Demonstrant bekennt sich dazu und schwenkt begeistert die katalanische Flagge:
"Wir haben keine Alternative. Die Zukunft macht mir schon Sorgen. Aber eine Zukunft mit ihnen, den Vertretern des spanischen Staates, macht mir noch mehr Sorgen."
Während draußen die Menschen demonstrierten, tagte drinnen im Regierungspalast eine Spitzenrunde der katalanischen Regierung und der sie tragenden Parteien. Auf dem Tisch zwei Optionen: entweder einseitig die Unabhängigkeit erklären oder Neuwahlen auszurufen. Katalanische Medien berichteten, es gebe heftige Kontroversen im Regierungsbündnis über diese Frage. Auch Rücktritte seien möglich.
Puigdemont sagte Madrid-Reise ab
Carles Puigdemont, der Ministerpräsident, hatte zuvor eine Reise nach Madrid abgesagt. Dort hätte er im Senat noch einmal seine Position erläutern können. Die Absage wurde postwendend von der spanischen Regierung so gedeutet, Puigdemont habe kein Interesse mehr an Dialog:
"Das einzige, was Puigdemont mit mir je verhandeln wollte, war der Weg hin zur Unabhängigkeit", sagt Spaniens konservativer Ministerpräsident Mariano Rajoy immer wieder. Er fordert von Katalonien die Rückkehr auf den Boden der spanischen Verfassung. Sollten die Katalanen Ernst machen mit der Unabhängigkeit, droht eine weitere Eskalation der Lage.