Es ist nur die erste Sitzung eines neuen Regionalparlaments. Eine Sitzung, bei der sich das Haus arbeitsfähig macht, sich ein Präsidium wählt - normalerweise eine Routineangelegenheit. Doch im katalanischen Parlament ist nichts mehr Routine. Im Gegenteil: Der heutige Tag ist voller Unwägbarkeiten und juristischer Fallstricke. Da ist zum einen die Wahl des Parlamentspräsidiums. Das Gremium, das darüber wachen soll, dass es in dem Haus mit Recht und Ordnung zugeht.
Die Verfassungsrechtlerin Ana María Ovejero von der Universidad Europea in Madrid:"Wer im Präsidium sitzt, ist sehr wichtig – denn es ist das Präsidium, das etwa bestimmt, ob es zulässig ist, den Schwur auf die Verfassung in schriftlicher Form zu machen - bisher war es das jedenfalls nicht."
Untersuchungshaft und Haftbefehl
Carles Puigdemont hat seinen Schwur auf die Verfassung schon per Unterschrift geleistet, ob das so reicht, muss jetzt das Präsidium entscheiden. Denn Fakt ist: Puigdemont wird heute fehlen, wenn die Abgeordneten des neuen Parlaments auf die Verfassung eingeschworen werden. Und mit Puigdemont sieben andere Politiker.
Drei von ihnen sind in Untersuchungshaft. Ihnen wird unter anderem Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung öffentlicher Mittel vorgeworfen. Fünf weitere haben sich nach Belgien geflüchtet, unter ihnen auch Carles Puigdemont. Gegen sie liegt in der Heimat ein Haftbefehl vor. Sollte ihnen das Parlamentspräsidium erlauben, trotz ihrer Abwesenheit zu Abgeordneten ernannt zu werden, hat das wichtige Konsequenzen. Zum einen hätte der Block der Separatisten dann eine stabilere Mehrheit im Parlament. Und, so die Verfassungsrechtlerin Ovejero:
"Wenn sie reguläre Abgeordnete sind, können sie auch für den Posten des Regionalpräsidenten kandidieren. Allerdings ist dessen Wahl mit einer Debatte verknüpft, in der ein Regierungsprogramm präsentiert und diskutiert wird - und über das dann abgestimmt wird. Es fällt einem schwer, sich dieses Verfahren vorzustellen, wenn der Kandidat nicht selbst physisch anwesend ist."
Rajoy will den Wechsel
Carles Puigdemont fällt das nicht schwer: Er will sich am liebsten per Videokonferenz der Debatte stellen. Oder einen anderen Abgeordneten bitten, an seiner Stelle im Parlament Rede und Antwort zu stehen – und sich dann aus der Ferne wählen zu lassen. Einen Präsidenten per Skype - die Rechtsexperten des katalanischen Parlaments haben schon wissen lassen, dass das aus ihrer Sicht gar nicht geht. Das gilt auch für die Wahl per Stellvertreter.
Und auch Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy lässt keinen Zweifel daran, was er von diesem Vorgehen hält. Bei einem Presse-Empfang in Madrid sagte er gestern, dass er notfalls das Oberste Gericht Spaniens anrufen würde, sollte das Präsidium Puigdemont erlauben, aus der Ferne sein Abgeordnetenmandat wahrzunehmen. Schon Ende Dezember sagte er:
"Das ist doch eine Frage des gesunden Menschenverstands: Es ist doch absurd, vorzugeben, Präsident einer Region zu sein - und dabei im Ausland zu leben. Das wäre ja, wie wenn ich von Lissabon aus regieren würde!"
Rajoy will einen frischen, unbelasteten Kandidaten an der Spitze Kataloniens. Wer das sein kann, ist allerdings völlig offen. Doch dass auch der neue katalanische Regierungschef wieder Puigdemont heißen wird, wird mit jedem Tag unwahrscheinlicher. Der erste Wahlgang für die Wahl des Regionalpräsidenten ist für den 31. Januar geplant.