Damit sei das Argument der Unabhängigkeitsbefürworter, auch ein Selbstbestimmungsrecht als katalanisches Volk zu haben, völkerrechtlich nicht gedeckt.
"Volksbegriff eng gefasst"
Das Völkerrecht sei in dieser Frage sehr "konservativ", erläuterte der Völkerrechtler. Der Grund: Es sei von den Nationalstaaten gemacht, die Regeln würden also von jenen vorgegeben, die bereits die Staatseigenschaft erlangt hätten und deren Interesse es sei, ihre staatliche Integrität zu wahren. Aus diesem Grunde sei der Volksbegriff "eng gefasst".
Insofern gibt "das Völkerrecht den Katalanen keinen Rechtsanspruch auf die Durchführung eines Referendums oder eine Unabhängigkeitserklärung", legte Stefan Talmon dar. Allerdings stehe es dem aber auch nicht entgegen. Diese - scheinbar widersprüchliche - Lage folge aus dem rechtlichen Status einer Bevölkerungsgruppe in einem bestehenden Nationalstaat: Die sei eben kein Volk und damit gar nicht Adressat des Völkerrechts.
Gefahr "eines Dominoeffekts"
Eine mögliche Vermittlung im Katalonien-Konflikt durch die EU erachtet Stefan Talmon als problematisch: "Die EU ist in erster Linie ihren Mitgliedstaaten verpflichtet." Sie falle Spanien "in den Rücken", wenn sie Katalonien anerkennen würde.
Es gäbe viele Minderheiten innerhalb und außerhalb der EU, Volksgruppen mit eigener Identität, die mit ihrer Situation in den bestehenden Nationalstaaten nicht zufrieden seien, führte er abschließend an und folgerte: Daher bestünde die Gefahr, "dass wir hier einen Dominoeffekt, eine Kettenreaktion sehen könnten, wenn die Katalanen erfolgreich wären."