Samstagnachmittag in Girona. Carles Puigdemont schlendert mit seiner Frau durch die Stadt. Immer wieder klopfen ihm Menschen auf die Schulter. Oder machen ein Selfie mit ihm. Puigdemont genießt es sichtlich. In Madrid mag Puigdemont für manche ein Putsch-Dämon sein. Hier in Girona ist er für viele ein Held. Immer noch. Auch für Jordi, der mit Frau und Kind einen Stadtbummel macht:
"Ich finde ihn sehr gut. Mir gefällt es, was er macht und wie er es macht. Puigdemont hat doch immer versucht, einen Dialog hinzubekommen. Was er verspricht, tut er. So ist nicht jeder hier."
Mancher fühlt sich schon in der Republik Katalonien
Girona ist eine 100.000-Einwohner-Stadt im Nordosten von Katalonien, kurz vor der Grenze zu Frankreich. Sie ist berühmt für ihre verwinkelte Altstadt, ihre imposante Kathedrale – und neuerdings auch dafür, die Heimat von Carles Puigdemont zu sein. Kamerateams belagern das Rathaus, in dem er mehr als vier Jahre lang Hausherr war. Seit Freitag weht dort keine spanische Fahne mehr auf dem Dach.
"Jetzt, wo die Republik Katalonien ausgerufen worden ist, ist das, was Spanien macht, nicht mehr Sache der Katalanen. Ob sie Puigdemont jetzt absetzen oder nicht, ist uns doch egal. Ich fühle mich schon in der Republik Katalonien", sagt die Frau, die in der "Libreria Les Voltes" an der Kasse sitzt. Eine Buchhandlung direkt neben dem Rathaus, die damit wirbt, seit 50 Jahren für die Unabhängigkeit Kataloniens zu kämpfen. Sie sagt:
"Ich kenne Puigdemont vom Sehen und Grüßen. Er war ein sehr zugänglicher Bürgermeister. Immer war er zu Fuß unterwegs und hat seine Kinder selbst zur Schule gebracht. Er wird weitermachen mit seinem Vorhaben, bis zum Schluss. Die Spanier haben die Schlacht schon verloren."
Katalanen feiern ihre Kultur mit Menschenpyramiden
So wie sie denken viele in Girona. Die Stadt ist seit langem eine Separatisten-Hochburg. Bei den Regionalwahlen 2015 bekamen deren Parteien hier insgesamt fast zwei Drittel der Stimmen. An den Häusern hängen teils meterlange Separatistenflaggen. Den Beschluss, eine Republik Katalonien zu feiern, haben sie hier am Freitag heftig gefeiert.
Gefeiert wird in Girona dieser Tage auch die katalanische Kultur, beim Volksfest "San Narcís". Auf einem Platz halten sich Männer, Frauen und Kinder fest an der Hand. Sie klettern aufeinander, um meterhohe Menschenpyramiden zu formen, die sogenannten "Castells". Eine jahrhundertealte Tradition, die auch als Symbol für die Einheit Kataloniens gilt. Das Thema Unabhängigkeit spaltet die Katalanen. Diese beiden Frauen aber sind sich einig:
"Wir wollen die Republik, aber die Zentralregierung lässt uns nicht! Sie will einfach nicht, dass wir uns abspalten. Deswegen sind wir schon ziemlich verärgert". "Sie haben eben die Macht", meint ihre Freundin. "So ist es eben. Aber mit der Zeit bekommen wir die Unabhängigkeit. Wenn auch vielleicht noch nicht jetzt."
Andalusier: "Die sind doch alle verrückt geworden"
Enttäuschung ist bei vielen zu spüren. Tiefer Zorn dagegen kaum. Aber auch in Girona gibt es jene, die über all das nur den Kopf schütteln können. Rafael und Manuel Cruz zum Beispiel. Die beiden alten Herren stehen vor einem Antiquitätengeschäft. In altmodischer Uniform und mit Gewehr, um Touristen anzulocken. Manuel ist vor über 50 Jahren aus Andalusien nach Girona gekommen. Längst fühlt er sich als Katalane. Aber die Sache mit der Unabhängigkeit will ihm nicht in den Kopf:
"Die sind doch alle verrückt geworden, auf beiden Seiten. Uns geht es doch gut hier in Spanien, und besonders in Katalonien! Wir leben gut, da brauchen wir doch diese Probleme nicht. Das sage ich auch meinen katalanischen Freunden - aber die leben längst in einer anderen Welt. Ja, in einer anderen Welt!"