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Kataloniens Streben nach Unabhängigkeit

Immer mehr Katalanen sprechen sich in Umfragen für einen eigenen Staat ausgesprochen. Der Nationalfeiertag, der an die Niederlage gegen die Bourbonen am 11. September 1714 erinnert, wird in Barcelona mit einer Großkundgebung für die Unabhängigkeit begangen. "Katalonien, ein neuer Staat Europas", lautet das Motto.

Von Hans-Günter Kellner |
    "Katalonien wird wieder groß und reich sein, seine Feinde sollen zittern, wenn die katalanische Fahne weht." So der Text der katalanischen Hymne. Es wird erwartet, dass sie heute eine Millionen Menschen in Barcelona singen. Ihr Autonomiestatut reicht vielen Katalanen längst nicht mehr. Sie fordern, dass aus Spanien ein Zusammenschluss souveräner Nationalstaaten wird. Oder gleich die Unabhängigkeit Kataloniens, so wie diese Frau:

    "Die Schweiz wäre doch ein Beispiel dafür, wie unterschiedliche Nationen in einem Staat zusammenleben. Ein Konföderation wäre eine gute Lösung. Und wenn das nicht klappt, dann eben: Tschüss Spanien!"

    Eine Forderung, die immer mehr Zulauf bekommt. Mehr als die Hälfte der Katalanen haben sich in Umfragen zuletzt für einen eigenen Staat innerhalb der Europäischen Union ausgesprochen. Die Partei Republikanische Linke Katalonien tritt seit Jahren für die Unabhängigkeit ein. Alfred Bosch ist ihr Sprecher im spanischen Parlament. Zu den Gründen für den steigenden Separatismus meint er:

    "Wir sind davon überzeugt, dass wir eine Nation sind. Wir haben eine eigene Geschichte, Kultur, eine Sprache. Wenn wir uns selbst regieren dürften, wären wir zufriedener. Dazu kommt der Eindruck, wirtschaftlich einfach schlecht behandelt zu werden. Die angebliche Solidarität zwischen den spanischen Regionen ist ein Bluff. Wo gibt der spanische Staat unser Geld denn aus' Im Militär, für den Schuldendienst. Er gibt kaum etwas aus für Gesundheit, Erziehung, Universitäten oder S-Bahnen."

    Denn für diese Bereiche sind die insgesamt 17 Autonomen Regionen zuständig. Allerdings investiert der spanische Staat auch in katalanische Häfen, Flughäfen oder eine Hochgeschwindigkeitsstrecke für die Züge zwischen Barcelona und Paris. Das reicht den Befürwortern der Unabhängigkeit aber nicht. Tatsächlich fließen im Zuge des regionalen Ausgleichs mehr staatliche Gelder in traditionell weniger entwickelte Regionen wie Andalusien, Galicien oder die Extremadura als nach Katalonien - auch das bestärkt das katalanische Streben nach Unabhängigkeit:

    "Katalonien steuert dem Staat jährlich rund 16 Milliarden Euro bei. Geld, das nie zurückkommt. Diese Solidarität bedeutet fast die Hälfte unserer Steuern. Das passiert nirgends, auch in Deutschland nicht. Und hinterher wird uns gesagt, dass wir für unsere Verschuldung ganz alleine verantwortlich sind. Das schmerzt uns und ist ungerecht."

    So muss der katalanische Finanzminister Andreu Mas-Colell lange rechnen, bis sein Haushalt stimmt - und für die Neuverschuldung am Ende doch die spanische Regierung um Unterstützung bitten. Doch er sucht keine Konfrontation. Zu groß ist das, was Spanien und Katalonien derzeit eint - die gemeinsamen wirtschaftlichen Sorgen:

    "Im Augenblick haben Katalonien wie auch Spanien ein enormes wirtschaftliches Problem. Unsere Arbeit ist, dass wir das gemeinsam lösen. Was wir nicht akzeptieren ist, dass hier politische Pläne durchgezogen werden, die nichts mit den wirtschaftlichen Problemen zu tun haben. Wenn man uns davon überzeugt, dass das nicht passiert, werden viele Wolken am Horizont verschwinden."

    Der Minister spricht von den Forderungen mancher spanischer Politiker, den Regionen wieder Zuständigkeiten zu entziehen. Weniger der Streit um das Geld sei der Grund für den wachsenden Separatismus, als vielmehr die mangelnde Sensibilität in Madrid für das katalanische Nationalbewusstsein. So hatte das spanische Verfassungsgericht vor zwei Jahren 14 von mehr als 200 Artikeln des katalanischen Autonomiestatuts für ungültig erklärt und geurteilt, dass sich zum Beispiel aus dem Begriff Nation kein nationales Selbstbestimmungsrecht ableiten lassen dürfe. Doch im Gegensatz zu vielen Demonstranten heute und trotz der hitzig und auf vielen Ebenen geführten Debatte meint Finanzminister Mas-Colell:

    "Es ist eigentlich ganz einfach. Wir Katalanen hören dann auf, uns zu beschweren, wenn zum Beispiel das Verfassungsgericht unser Autonomiestatut nicht zerhackt, und indem man Katalonien als eine Persönlichkeit mit eigener Identität anerkennt. Wir Katalanen werden nie akzeptieren, dass Spanien ein uniformes Land ist, als hätte es Katalonien nicht schon vor der Verfassung von 1978 gegeben."

    Immerhin war Katalonien bis ins Mittelalter ein eigenes Königreich. Aber schon Spaniens demokratische Verfassung von 1978 erkennt solche Besonderheiten zahlreicher spanischer Regionen ausdrücklich an und spricht von den Nationalitäten und Völkern Spaniens, deren eigene Kulturen und Sprachen zu schützen seien. Allerdings schließt sie ein Selbstbestimmungsrecht ausdrücklich aus.