Salat aus Holland, Äpfel aus China, Eier aus dem Oman. Die Regale in den Supermärkten der katarischen Hauptstadt Doha sind gut gefüllt. Dazwischen: Zahlreiche Produkte aus dem Iran – Melonen, Auberginen, Orangen. Seit einem Jahr ist Katar auf die Versorgung unter anderem aus und via Iran angewiesen – denn die Nachbarländer unter Führung Saudi-Arabiens haben sämtliche Verbindungen zu Katar gekappt. Und das, obwohl der große Nachbar Saudi-Arabien bisher der Haupt-Lebensmittellieferant für Katar war. Das kleine Emirat am Golf lebt seit dem 5. Juni 2017 unter einer Blockade seiner direkten Nachbarn.
"Was dich nicht umbringt, macht dich stärker, so sehe ich das. Es hat uns Katarer näher zusammenrücken lassen. Und zum Glück haben wir Nachbarn, die uns nicht blockieren. Ich sehe das nicht als 'Oh, es kommt vom Iran', am Ende sind es Nahrungsmittel – und das ist für uns wichtig."
Fatima el-Khater sieht die Blockade betont gelassen. Und die junge Katarerin weiß, wie sie an frische Lebensmittel kommt: Sie züchtet selbst Gemüse und Obst, verkauft es auf lokalen Märkten.
Katars Ziel ist die Versorgungs-Unabhängigkeit
Mehr als 100 Stände wurden in einem Park in der Innenstadt Dohas aufgebaut, das sogenannte Food Festival, eine Fressmeile mit lokalen Produkten. Made in Katar – das ist das Motto.
"Es ist wichtig unabhängig zu werden", sagt Fatima. "Alles andere ist ein großes Risiko. Bei uns auf der Farm wachsen selbst im Hochsommer die Pflanzen – wir geben ihnen viel Kompost und Dünger. Und so haben wir zum Beispiel Melonen oder Basilikum, die ganz natürlich draußen mitten im Sommer wachsen. Wir züchten Obst und Gemüse, mit der richtigen Technik geht das auch in Katars Wüste."
Die Katarer zeigen Selbstbewusstsein – trotz der beispiellosen Krise. Das Ziel des Wüstenemirats: unabhängig werden von Saudi-Arabien und anderen Ländern – politisch und wirtschaftlich. Vor allem in der Lebensmittelversorgung.
20.000 deutsche Kühe in der Wüste
Eine Stunde Fahrtzeit außerhalb von Doha liegt Katars größtes Projekt auf dem Weg zur Unabhängigkeit: riesige Kuhställe, mitten in der Wüste. Insgesamt 20.000 Kühe der deutschen Rasse Friesisch-Holstein sollen hier ankommen – per Flugzeug und Schiff –, um das Emirat bei Milchprodukten zum Selbstversorger werden zu lassen. Tausende Kühe sind schon da. Stallmanager Rami Hamad:
"Die Kühe mögen die Routine, also gehen sie jeden Tag zur gleichen Zeit zum Melken, dreimal am Tag. Wir tun alles, um es hier sauber zu halten, damit sich die Kühe wohlfühlen. Denn wenn sie glücklich sind, machen sie uns glücklich."
In gigantischen Melk-Karussells werden 400 Kühe gleichzeitig gemolken, die Technik ist hochmodern, der Betrieb durchorganisiert – und klimatisiert: 20 Grad Wohlfühltemperatur für westliche Wiederkäuer.
"Wir haben andere Lieferwege gefunden"
Es geht um Unabhängigkeit – und um katarischen Stolz. Auch auf dem Basar mitten in Doha. In nahezu jedem Geschäft hängt ein Schild: "Ja zu Produkten aus Katar – und ja zu befreundeten Ländern".
Und daran, wer diese befreundeten Länder sind, gibt es keine Zweifel. Die Türkei ist ein enger Verbündeter Katars – und mit dem Iran teilt sich Katar ein Gasfeld und hat allein deswegen ein Interesse an stabilen Beziehungen. Lulwah Al-Khater, Sprecherin des Außenministeriums:
"Katar hat es geschafft, binnen 48 Stunden die unmittelbaren Auswirkungen der Blockade aufzufangen, das war die Lebensmittel- und die medizinische Versorgung. Wir haben andere Lieferwege gefunden. Heute läuft in Katar alles völlig normal, und wir haben nicht eine einzige unserer Gaslieferungen durch die Blockade verpasst. Im Gegenteil: Wir versorgen selbst unsere Nachbarn, die Blockadeländer, mit Gas. Und wir würden uns wünschen, dass sich unsere Nachbarn ähnlich verhielten, aber sie haben sich leider anders entschieden."
Sanktion für Katars Beziehungen zu Iran?
Offizieller Grund für die Blockade war der Vorwurf, Katar finanziere Terroristen. Doch Beobachter vermuten, es ging auch darum, Katars Beziehungen zum Iran zu rügen. Denn Saudi-Arabien passt Katars Nähe zum Iran überhaupt nicht.
Der Plan ist jedoch nicht aufgegangen – im Gegenteil, sagt Gerd Nonnemann, Professor an der Georgetown University Doha:
"Katar hatte immer eine Arbeitsbeziehung zum Iran. Die Politik war nie: Der Iran ist unser Freund. Aber man kann mit ihm arbeiten und er bedroht uns nicht. Und durch die Blockade ist die Verbindung natürlich enger und wichtiger geworden. Ich bezweifele, dass die Saudis das bedacht haben. Und jetzt fehlt der Plan B in Riad. Und für den Iran war die Blockade eine offene Flanke, ein Tor, das einfach geschossen werden musste."
Die Blockade – ein Eigentor der Saudis? Spürbar sind die Auswirkungen der Blockade in Katar schon. Die meisten internationalen Geschäftsleute reisen heute nach Dubai, vor der Blockade war problemlos ein Abstecher nach Doha möglich – jetzt dauert es Stunden, weil es keine Direktflüge mehr nach Katar gibt. Hotels und Taxifahrer klagen über eine schlechtere Auslastung.
Auf zugeschlagene Türen mit Öffnung reagiert
Katar reagierte mit einer drastischen Öffnung: Visumsfreiheit für mehr als 40 Länder, ausgeweitete Kontakte nach Europa.
Wann die Blockade aufgehoben wird? Fragezeichen. Die USA als Partner Katars UND Saudi-Arabiens forderten zuletzt eine Annäherung, doch noch gibt es keine Anzeichen. Und der Konflikt Saudi-Arabien versus Iran bleibt bestehen – und scheint durch den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen weiter befeuert zu werden. Gerd Nonnemann:
Wann die Blockade aufgehoben wird? Fragezeichen. Die USA als Partner Katars UND Saudi-Arabiens forderten zuletzt eine Annäherung, doch noch gibt es keine Anzeichen. Und der Konflikt Saudi-Arabien versus Iran bleibt bestehen – und scheint durch den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen weiter befeuert zu werden. Gerd Nonnemann:
"Der wird nicht so bald verschwinden, es gab immer schon Spannungen, aber momentan ist es unnötig aufgeheizt. Und wenn das Atomabkommen mit dem Iran vollständig platzen sollte, wird auch Saudi-Arabien nuklear aufrüsten, und das wäre sehr gefährlich, auch für Katar."
Die Eiszeit am Golf – sie scheint erstmal weiterzugehen. Und im großen Machtspiel zwischen Saudi-Arabien und Iran versucht Katar vor allem eines: nicht zum Spielball zu werden.