Zu klein, zu wenig Tradition, zu heiß. Die Vergabe der Fifa-Weltmeisterschaft 2022 an Katar im Jahr 2010 war von Beginn an umstritten. Eine neue Dimension der Empörung kam drei Jahre später ins Spiel. Die englische Tageszeitung "Guardian" berichtete im September 2013 über den Tod von Gastarbeitern. 44 Nepalesen waren auf Katars WM-Baustellen gestorben. An Herzversagen oder bei Arbeitsunfällen. Von katastrophalen Bedingungen war die Rede.
Im November folgte "Die dunkle Seite der Einwanderung", der Bericht der unabhängigen Menschenrechtsorganisation Amnesty International, der die Missstände weiter ausführte. "Es ist einfach unentschuldbar, dass in einem der reichsten Länder der Erde dermaßen viele Gastarbeiter skrupellos ausgebeutet werden, man sie ihres Lohns beraubt und sie dem Kampf ums Überleben preisgibt", fasste Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty damals in Doha die Untersuchungen zusammen.
"Wenig versprechen, noch weniger tun"
Geändert hat sich seitdem offenbar kaum etwas. Der heute veröffentlichte Nachfolgebericht ist überschrieben mit: "Wenig versprechen, noch weniger tun." Gastarbeiter sind demnach noch immer weitgehend rechtlos, die Bedingungen bleiben mies. 441 Gastarbeiter aus Indien und Nepal starben alleine im vergangenen in Katar. "Hoffnungen auf echte Fortschritte schwinden dahin", heißt es weiter. Denn Fortschritte hatte das Emirat 2013 versprochen. Offenbar eine "PR-Aktion", stellen die Menschenrechtler nun fest.
Die Einführung eines elektronischen Systems zur Auszahlung der Gehälter sei bislang die "wichtigste Reform", aber auch sie verlaufe schleppend. Die zugesagte Ernennung von 300 Arbeitsinspektoren sei nicht erfolgt. Bereits Anfang Mai hatten die katarischen Behörden eingeräumt, dass die Reformen länger dauerten als geplant. So erklärte Arbeitsminister Abdallah Ben Saleh, das sogenannte Kafala-System, in dem Arbeitnehmer ihrem Chef vollends ausgeliefert sind, werde wohl bis Ende 2015 ersetzt. "Zu 90 Prozent" sicher sei man sich in diesem Punkt.
Der öffentliche Druck steigt
Und die Fifa? Weist darauf hin, die monierten Zustände seien nicht auf WM-Baustellen vorzufinden. Die WM 2022 könne sogar als "Katalysator für bedeutende Veränderungen" dienen. Doch wie lange der Weltfußballverband sich hinter dieser Argumentationslinie verstecken kann, ist fraglich. Der öffentliche Druck steigt. Erst gestern forderten die führenden Sponsoren, Coca-Cola und Visa, sich entschiedener gegen Menschenrechtsverstöße in Katar einzusetzen.
Und auch von der Presse ist kaum mehr Wohlwollen zu erwarten. Die Recherche in Katar wird immer schwieriger. Westliche Journalisten wurden jüngst sogar festgenommen. Anfang Mai ein ARD-Team, wenig später eine Gruppe von BBC-Mitarbeitern. Die Briten wurden von Männern in acht weißen Autos gestoppt und anschließend von Mitarbeitern des Geheimdienstes verhört. Sie seien "wie Spione behandelt" worden, erklärten sie später.
Zu wenig Tradition. Offenbar auch in Sachen Pressefreiheit.
(bor/jcs)