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Nationalmannschaft von Katar
Botschafter zweiter Klasse

Noch nie hat sich Katar für die Fußball-Weltmeisterschaft qualifiziert. Auch ohne Tradition hat das Emirat eine solide Nationalmannschaft aufgebaut. Möglich wurde das vor allem durch Einbürgerungen junger Spieler. Allerdings sind auch prominente Sportler nicht mit den Einheimischen gleichgestellt.

Von Ronny Blaschke | 19.11.2022
Die katarische Fußball-Nationalmannschaft feiert ihren Sieg beim Asien Cup.
Katarische Fußball-Nationalmannspieler feiern ihren Sieg beim Asien Cup 2019. (imago sportfotodienst)
Im Februar 2019 gewinnt die katarische Nationalmannschaft sensationell die Asienmeisterschaft. Torschützenkönig des Turniers wird der katarische Stürmer Almoez Ali, geboren im Sudan. Zu Asiens Spieler des Jahres wird der Katarer Akram Afif ernannt. Afif wurde in Doha geboren, sein Vater stammt aus Somalia, seine Mutter aus dem Jemen. Die katarische Herrscherfamilie deutet die Asienmeisterschaft, den ersten Fußballtitel für ihr Land, als Sinnbild für ihre aufstrebende Wirtschaft. Was sie nicht erwähnt: Selbst prominente Spieler sind keine vollwertigen Staatsbürger Katars. Von den 23 Asienmeistern haben 17 befristete Aufenthaltsgenehmigungen.
„Einbürgerungen spielen im katarischen Sport eine sehr große Rolle. Das Land ist sehr klein. Die Anzahl der Menschen, die Sport treiben, ist sehr niedrig. Trotz all der Bemühungen in den letzten Jahren, gerade auch was den Schulsport angeht, den zu fördern und die ganzen Investitionen in die Infrastruktur, die geleistet wurden. Insofern dienen die Einbürgerungen dazu, zu kaschieren, dass es vor Ort wenige wettbewerbsfähige Athleten gibt“, sagt Danyel Reiche, der an der Georgtown-Universität in Doha forscht, die auch von der Qatar Foundation finanziert wird. Einer seiner Schwerpunkte: Einbürgerungen im Sport.

In Afrika werden hunderttausende Spieler gesichtet

In die Kritik gerät Katar vor allem während der heimischen Handball-Weltmeisterschaft 2015. Die heimische Auswahl besteht größtenteils aus eingebürgerten Europäern und scheitert erst im Finale. Im Fußball untersagt der Weltverband Fifa diese Methode, sagt Danyel Reiche: „Beim Fußball hat Katar richtig Glück gehabt, dass sie halt 2010 die WM 2022 schon zugesprochen bekamen. Das heißt, da haben sie zwölf Jahre Planungsvorlauf gehabt. Außerdem hat die Fifa ja auch Einbürgerungen sehr erschwert. Weil man nach dem 18. Lebensjahr zumindest fünf Jahre in dem Land gelebt haben muss. Entweder man bürgert sehr früh Athleten ,ein oder aber sie müssen länger in dem Land gelebt haben.“
Nach der WM-Vergabe 2010 konzentriert sich Katar auf junge Talente. Vor allem in Afrika sichtet das Emirat hunderttausende Spieler – nur einige Dutzend werden jährlich in das Sportzentrum nach Doha eingeladen, in die Aspire Academy. Diesen Sportlern ergeht es zumindest in einem Punkt ähnlich wie den Hunderttausenden Arbeitsmigranten aus Südasien: Ihre Chance auf eine vollwertige katarische Staatsbürgerschaft ist fast aussichtslos.

Mit „Missionspässen“ zu Wettbewerben

Sportler, die Katar international vertreten, erhalten befristete Dokumente, so genannte „Missionspässe“. Sie gelten zwar als „eingebürgert“, haben aber weiterhin auch die Staatsbürgerschaft ihres Herkunftslandes. Bei besonderen Verdiensten kann ihr Status aufgewertet werden. Doch auch nach einer „vollwertigen“ Einbürgerung dürfen sie erst fünf Jahre später im öffentlichen Sektor arbeiten. Es heißt, dass pro Jahr nicht mehr als fünfzig Menschen eine solche Einbürgerung erhalten dürfen.
Danyel Reiche sagt dazu: „Das Besondere in Katar ist, dass viele ausländische Athleten nur temporäre Ausweise bekommen. Das heißt, die reisen zu einem Wettbewerb, kriegen dann am Flughafen einen Reisepass, müssen ihren eigentlichen Reisepass aus Deutschland, Ägypten oder wo auch immer hinterlegen und bekommen ihn dann wieder bei der Rückreise, wenn sie den katarischen Pass dann wieder abgeben.“

Einwanderer aus Nordafrika zieht es nach Katar

In Katar leben drei Millionen Menschen. Doch nur rund 300.000 katarische Staatsbürger kommen in den Genuss aller Privilegien. Die Einheimischen müssen für Energie, Bildung und Gesundheitsvorsorge nichts bezahlen. Auf Wunsch erhalten sie Stipendien und staatliche Jobs. Viele Katarer betrachten einen Zustrom von Einwanderern in ihr Sozialsystem als Gefahr für ihre Stammesstrukturen.
Doch viele Migranten aus ärmeren Ländern der arabischen Welt schreckt diese Klassengesellschaft offenbar nicht ab, sagt der Journalist Maher Mezahi. Und er nennt als Beispiel den Fußball. „Seit dem Boom der Golfstaaten in den frühen 2000er Jahren bevorzugen viele nordafrikanische Spieler den Wechsel an den Golf, nach Saudi-Arabien, in die Vereinigten Arabischen Emirate oder nach Katar. Es ist für sie einfacher, denn sie sprechen dieselbe Sprache, Arabisch. Sie gehören derselben Religion an. Spieler sagten mir, dass sie sich am Golf sicherer fühlen. Ihre Kinder erhalten eine Bildung, die sich im Maghreb nicht erhalten würden.“
In vielen Ländern verdeutlichen die Nationalteams die Migrationsbewegungen der vergangenen Jahrzehnte. Eine Hierarchie der Staatsbürgerschaften wie in Katar ist jedoch äußerst selten.