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Sportswashing durch Fußball-WM
Katars Strategie ist aufgegangen

Vor vier Wochen ging die Fußball-WM in Katar mit dem Sieg Argentiniens zu Ende. Das Turnier hatte seit Jahren wegen der Menschenrechtslage im Gastgeberland in der Kritik gestanden. Aber erste Studien zeigen, dass das dem Emirat nicht geschadet hat.

Von Matthias Friebe |
Ein Mann macht ein Foto von einem übergroßem WM-Pokal der vor dem Khalifa Stadium in Doha steht.
Katar hat versucht zu zeigen, dass man auf vielen Ebenen ein verlässlicher Partner sein kann. Aber nicht in allen europäischen Ländern hat sich das Image des Landes verbessert. (dpa / picture alliance / Peter Kneffel)
„Der Emir hat sich was ganz besonderes überlegt“
Katars Emir Tamim legt Lionel Messi wenige Sekunden vor Übergabe des WM-Pokals den sogenannten Bisht um, einen schwarzen Ehrenumhang, kommentiert von ARD-Reporter Tom Bartels.
„Ich würde sagen, jetzt sind alle lang genug im Bild, selbst Gianni Infantino und der Emir. Machen wir die Bühne frei, für den, der sich diesen Pokal verdient hat.“

Sportswashing in Perfektion

Dass es die Siegerbilder nur mit diesem schwarzen Umhang gibt, ist für die einen ein Zeichen der absoluten Ehrerbietung des katarischen Herrschers an den König des Fußballs, für die anderen Sportswashing in Perfektion.
Für immer wird der sporthistorische Moment dieser Siegerehrung so fest mit Katar verknüpft sein. Der Schlusspunkt eines Turniers, das aus Sicht des Gastgebers ein voller Erfolg war. Das gilt aber nicht für das Image Katars, zumindest in Europa. Eine aktuelle Studie legt nahe, „dass eine leichte Verschlechterung des Katar-Bildes zu beobachten ist.“
So fasst Sebastian Hellmeier die Zwischenergebnisse zusammen. Mit seinem Team vom Wissenschaftszentrum Berlin hat Hellmeier 16.000 Menschen in acht europäischen Ländern befragt – einmal kurz vor der WM und ein zweites Mal während des Turniers, vor der KO-Phase.
„Es ergibt sich schon dieses Muster, dass in den Ländern, in denen wir ein plurales und diverses Mediensystem haben, dass dort die kritische Wahrnehmung von Katar als WM-Ausrichter deutlich stärker ist.“

In Rumänien hat sich das Image Katars deutlich verschlechtert

Was aber natürlich auch daran liegen kann, dass in diesen Ländern – Schweden und Deutschland beispielsweise – Werte wie Minderheitenschutz und Gleichberechtigung auch in der Bevölkerung viel tiefer verankert sind als beispielsweise in Ungarn und Rumänien. Umso spannender, dass sich in Rumänien das Image Katars während der WM viel deutlicher verschlechtert hat.
„Ein Land, wo wir vor der WM sehr positive Werte hatten, da sehen wir doch eine messbare Verschlechterung in der Wahrnehmung auch im Hinblick auf Menschenrechte, Arbeiterrechte und Demokratie in Katar.“

In Europa hat Katar es nicht geschafft

In wenigen Wochen starten Hellmeier und sein Team eine dritte Befragungsrunde, dann mit einigen Wochen Abstand zum Turnier. Bis jetzt, als Zwischenfazit, gilt also: zumindest in Europa hat Katar es nicht geschafft, sein Image durch die glitzernden WM-Bilder zu verbessern.
Der Politikwissenschaftler und Experte für die Golf-Region, Gerd Nonneman, lehrt an der Georgetown Universität in Doha, die von der Qatar Foundation mitfinanziert wird. Er zweifelt daran, dass Katar die WM dafür überhaupt benutzen wollte.
„Wenn Katar wirklich das Ziel gehabt hätte, Sportswashing zu betreiben, dann hatte es den gegenteiligen Effekt.“

In Doha wird man mit dieser WM zufrieden sein

Denn 2010, bevor die WM vergeben wurde, sei das Image des Emirats viel besser gewesen, als es jetzt ist. Nonneman glaubt, der Gastgeber habe ursprünglich gar nicht das Bedürfnis verspürt, sein Image aufzupolieren, weil man in vielen Teilen der Welt eher positiv gesehen wurde.
„Mein Eindruck ist, dass die katarische Regierung erstaunt war, welche Aufmerksamkeit die Menschenrechtsverletzungen international bekommen haben,“ sagt auch Markus N. Beeko, der Generalsekretär von Amnesty International.
Markus N. Beeko blickt in die Kamera
Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International Deutschland (dlf/sturmberg)
Der mediale Druck vor allem in den Ländern des Westens war für Katar 2010 in dieser Form nicht absehbar. Und dennoch wird man in Doha mit dieser WM zufrieden sein, glaubt der Menschenrechtsexperte.
„Es macht den Eindruck, dass die katarische Regierung und das Organisationskomitee trotz der berechtigten Menschenrechtskritik insgesamt die WM fürs sich als Erfolg verbucht und als Teil ihrer langfristigen Strategie.“

Kuwait als abschreckendes Beispiel

Einer Strategie, die aus mehreren Bausteinen besteht, zu der politische und wirtschaftliche Partnerschaften gehören und eben auch das Großereignis Fußball-WM. Ziel dieser Strategie ist vor allem eins: Sichtbarkeit. Das benachbarte Kuwait sei ein abschreckendes Beispiel gewesen, erinnert Experte Gerd Nonneman.
„Der Irak unter Saddam Hussein hatte Kuwait binnen Stunden eingenommen. Kuwait hatte aber diese internationale Sichtbarkeit als wichtiger Energielieferant und Verbündeter der Vereinigten Staaten, was das Land schließlich gerettet hat."
Und deshalb versuche Katar auf vielen Ebenen zu zeigen, dass man ein verlässlicher Partner sein kann. Die größte amerikanische Militärbasis in der Region steht vor den Toren Dohas, Katar spielte auch eine wichtige Rolle bei der Evakuierung der Ortskräfte aus Afghanistan.
„Sie haben den Taliban ein Büro in Doha angeboten, weil die Amerikaner sie darum gebeten haben. Auch hier haben sie gezeigt, dass sie nützlich sein können.“

Katar profitiert von seiner Rolle als Exporteur von Öl und Gas

Und natürlich spielt ganz aktuell vor allem das Thema Energie eine Rolle. Katar als Exporteur von Öl und Gas hat seit Kriegsbeginn in der Ukraine auch geopolitisch eine neue Position eingenommen.
Das geben auch die Daten her, die Sebastian Hellmeier vom Berliner Wissenschaftszentrum erhoben hat. Zwar sind die wenigsten der 16.000 befragten Europäer der Meinung, dass ihre jeweiligen Heimatländer nach der WM engere Beziehungen zu Katar knüpfen sollten.
„Aber es ist so, dass Deutschland da hervorsticht und die Befragten da eine stärkere Handelsbeziehung zwischen beiden Ländern befürworten und das hängt natürlich auch mit den politischen Diskussionen um diesen Gas-Deal zusammen.“
Der während der Weltmeisterschaft festgezurrt wurde. Unter diesen Gesichtspunkten kann die katarische Regierung die WM in vielen Bereichen als Erfolg verbuchen.
„Die Strategie geht auf“, ist sich auch Politikwissenschaftler Nonneman sicher. „Und das obwohl es einen richtigen Einbruch der Reputation gab wegen der Fokussierung auf Menschenrechtsfragen.“
Damit solle man auch jetzt nicht aufhören, hofft Amnesty-Generalsekretär Beeko. Dass man sich beispielsweise in Doha noch nicht zu einem Entschädigungsfonds für die Arbeitsmigranten oder ihre Familien durchringen konnte, ist für ihn der Beweis, „dass noch nicht richtig verstanden wurde in Doha, dass Katars Weg als aktiver Teil der Staatengemeinschaft, die Völkerrecht und Menschenrechte achtet, dies implizieren muss.“
Es werde jetzt auch auf den Sport ankommen, sagt er weiter, zu zeigen, dass Menschenrechte in Zukunft immer dazugehören und zwar egal, in welchem Land ein Turnier ausgerichtet wird.