Vier Bälle rollen über einen knallgrünen Kunstrasen am Rande der katarischen Hauptstadt Doha. Es ist schon dunkel an diesem November-Abend, die Luft noch warm und feucht. Auf dem beleuchteten Fußball-Platz trainieren zwei Dutzend Teenager. Sie dribbeln, üben Pässe, zielen aufs Tor. Die Jugendlichen kommen aus Indien, Belarus, Italien. Sie leben in Katar, weil ihre Eltern hier arbeiten. Gerade einmal ein Junge stamme aus einer katarischen Familie, erzählt Omar Saad, Manager der Fußball-Akademie. „In Katar leben Menschen aus aller Welt, und das spiegelt sich im Fußball und in den Teams. Bei einem unserer Turniere im vergangenen Jahr waren 2.000 Spieler aller Altersgruppen dabei – aus 70 Nationen.“
Korruptionsvorwürfe wegen WM-Vergabe an Katar
Der Engländer mit jemenitischen Wurzeln lebt und arbeitet seit acht Jahren in Doha. Früher trainierte er Jugendliche in Liverpool. Heute kümmert er sich um den Fußball-Nachwuchs im Emirat. Auch sein Kollege Kiran Dawson stammt ursprünglich aus England. Er hat sich für das heutige Training etwas ausgedacht. „Red: Portugal, Grey: England, Yellow: Brazil, Purple: Costa Rica.“ Die vier Mannschaften auf dem Platz repräsentieren alle ein Land. Sie haben eine Viertelstunde Zeit, um die Mini-Weltmeisterschaft für sich zu entscheiden – ein kleiner Vorgeschmack auf das größte Sport-Ereignis in der Geschichte des Emirats.
Vor zwölf Jahren erhielt Katar den Zuschlag für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022; die an diesem Sonntag beginnt. Die Entscheidung war umstritten – nicht nur, weil bei der Vergabe, so legen es Medienrecherchen nahe, Korruption im Spiel war. Auch andere Argumente sprachen gegen Katar als Austragungsort: das heiße Klima, die fehlenden Stadien, die mangelnde Fußball-Kultur. Doch das kleine Land am Persischen Golf setzte alles daran, der Welt zu zeigen, was in Katar möglich ist. Was manchen Kritikern naiv oder größenwahnsinnig erscheint, ist Teil der katarischen Strategie: mit so genannter Soft Power weltweit Sympathien gewinnen und sich unentbehrlich machen: als zuverlässiger Energie-Lieferant, Vermittler, Sport-Veranstalter, Arbeitgeber.
Ein gewaltiger Kran bewegt Steinplatten über ein sandiges Gelände in der Nähe der Corniche, der kilometerlangen Strandpromenade in Doha. An vielen Orten in Katars Hauptstadt wird gebaut – immer noch. Die riesigen Stadien für die Fußball-WM sind zwar schon lange fertig. Aber die Stadt wächst weiter – vor allem in Richtung Wüste. Allein in den vergangenen 20 Jahren hat sich die Einwohnerzahl von Katar verfünffacht. Knapp drei Millionen Menschen leben heute in dem Emirat, aber nur jeder Zehnte stammt aus Katar. Der kleine Golfstaat hat Arbeitsmigranten aus aller Welt angezogen – auch Mohammed Chivatsi und seine Frau Fatma. „Wir leben seit drei Jahren und neun Monaten hier und können jetzt wohl sagen: Katar ist unsere zweite Heimat.“
Ursprünglich kommt das junge Paar aus Kenia. Mohammed trägt ein langes, traditionelles Gewand. Fatma, ganz in Schwarz, hat auch ihr Gesicht verhüllt. „Ich arbeite als Krankenschwester; meine Arbeit gefällt mir. Solange ich gesund bin und niemand sich an meinem Glauben stört, bin ich zufrieden.“ Mohammed und Fatma verdienen nicht viel in Katar – aber mehr als in ihrem Heimatland. Was am Monatsende übrig bleibt, überweisen sie ihren Familien – so wie viele Arbeitsmigranten in Katar. Menschen aus Indien, Pakistan, Bangladesch, aus Ägypten und Uganda haben das Land aufgebaut. Sie errichteten Straßen und Häuser, Paläste und Wolkenkratzer. In den vergangenen Jahren kamen riesige Fußball-Stadien, Luxus-Hotels und eine U-Bahn dazu.
Über 200 Milliarden Dollar soll Katar in seine Infrastruktur investiert haben
Katar habe sich die WM einiges kosten lassen, sagt Fahd Al-Qahtani, Geschäftsführer des staatlichen Transportunternehmens Mowasalat: „Jeder, der in Katar lebt, kann sehen, welche Auswirkung die WM auf das Land hat. Ehrlich gesagt: Das feiern wir schon jetzt! Das Straßennetz wurde ausgebaut, das ganze Verkehrssystem und viele weitere Bereiche – alles ganz fantastisch! Und die Leute finden das richtig toll!“ Mehr als zweihundert Milliarden Dollar soll Katar seit 2010 in seine Infrastruktur investiert haben. Davon verspricht sich das Emirat Aufmerksamkeit und Anerkennung: Zum ersten Mal überhaupt wird die WM in einem arabischen Land ausgetragen.
Doch aus dem Westen hagelt es Kritik: Die Arbeiter auf den Baustellen erhielten lediglich einen Hungerlohn, müssten auch bei großer Hitze schuften, würden ausgenutzt. Seit Jahren kritisieren westliche Medien menschenunwürdige Bedingungen für Gastarbeiter in Katar. Fahd Al Qahtani hält dagegen: „Die Art und Weise, wie wir als Kataris erzogen werden, bedeutet: Unterdrückung ist für uns nicht akzeptabel. Das ist ein Fakt. So werden wir alle erzogen.“
Arbeitsbedingungen in Katar
Die 8.000 Busfahrer, die sein Unternehmen eigens für die WM aus dem Ausland angeworben habe, bekämen nicht nur eine Unterkunft und Verpflegung gestellt, sondern auch umfangreiche medizinische Versorgung. Sogar einen Psychologen habe man eingestellt. Katar kämpft um sein Image – und hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von Reformen umgesetzt. Dazu gehört die Reform des so genannten Kafala-Systems, eine Art Bürgschaft der Arbeitgeber für Arbeitskräfte aus dem Ausland. Der Bürge hatte unter anderem das Recht, den Pass der Beschäftigten einzubehalten oder seine „Bürgschaft“ zurückzuziehen, womit die Aufenthaltserlaubnis hinfällig wurde. Die Arbeitsmigranten konnten sich nicht dagegen wehren.
Debatte um Reformen in Katar
Mittlerweile habe sich ihre Situation allerdings verbessert, sagt Max Tunon, Chef des Büros der Internationalen Arbeitsorganisation ILO in Katar: „Seit 2018 sehen wir einen gewaltigen Fortschritt: neue Gesetze sind verabschiedet worden, mit Hilfe neuer Systeme sind die Stimmen der Arbeiter gestärkt worden und ihre Vertretung. Das ist eine ganz andere Dynamik als das, was hier noch vor ein paar Jahren stattgefunden hat.“
Arbeiter aus dem Ausland können sich mittlerweile bei eigens dafür eingerichteten Stellen über ihren Arbeitgeber beschweren und den Job wechseln. Um Ausbeutung entgegenzuwirken, wurde außerdem ein Mindestlohn eingeführt. Vor allem im Vergleich mit anderen Ländern am Persischen Golf könnten sich die Reformen durchaus sehen lassen, sagt Max Tunon – auch wenn längst noch nicht alle Probleme gelöst seien. „Wir wissen, dass es noch Herausforderungen gibt. Aber wir können sagen, dass diese Reformen das Leben von Hunderttausenden Arbeitsmigranten verbessert haben.“
Die Kritik aus dem Westen hält dennoch an. Das stößt in Katar zunehmend auf Unverständnis. In einer Rede Ende Oktober sprach Emir Tamim bin Hamad Al-Thani sogar von einer „Kampagne“: „Kein anderes Land, das eine WM ausgerichtet hat, wurde so stark kritisiert. Wir haben uns in guter Absicht damit befasst und halten Teile der Kritik für positiv und nützlich. Sie hilft uns, einige Dinge weiterzuentwickeln. Aber diese Kampagne dauert an – mit Verleumdung und Doppelmoral. Das wirft Fragen auf, was hinter dieser Kampagne steckt.“
Emir Tamim bin Hamad Al-Thani kritisiert westliche Medien
Wenn westliche Länder Flüssiggas kaufen wollten, verstumme die Kritik. Es würden auch immer wieder dieselben Vorwürfe geäußert. Fortschritte und Reformen in Katar kämen in westlichen Medien dagegen so gut wie gar nicht vor, so der Emir. Trotz enormer Anstrengungen hat das Emirat im Westen nicht viel Sympathie gewinnen können, scheint es – lediglich eine Menge Aufmerksamkeit. Doch auch das ist eine wichtige Währung für ein Land, das vor wenigen Jahrzehnten noch weitgehend aus Wüste bestand – und viel Wert legt auf die eigene Tradition.
Kamel Nummer 14 ist unzufrieden. Es ist das einzige, das einen Laut von sich gibt. Die anderen Tiere auf der Farm von Hammad Ali Jarhab wirken gelassen. Etwa eine Stunde Autofahrt westlich von Doha ist von der Aufregung rund um die Fußball-WM nichts mehr zu spüren. Hammad und seine Mitarbeiter bereiten sich auf ein Kamelrennen vor. „Früher waren die Kamele alles, was man im Leben brauchte. Die Menschen reisten mit dem Kamel, um Handel zu treiben, Essen und Trinken zu beschaffen – die Kamele waren wie Autos oder Flugzeuge, die kommen und gehen.“
Jahrhunderte lang lebten die Menschen auf der arabischen Halbinsel sehr bescheiden. Sie lebten vom Fischfang und Perlentauchen, zogen mit ihren Kamelen durch die Wüste, trieben Handel und kämpften gegen andere Stämme. Mit der Entdeckung riesiger Ölvorkommen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts begann die rasante Entwicklung Katars. Doch erst die Förderung und der Verkauf von Flüssiggas ab den 90er Jahren brachte dem kleinen Emirat großen Reichtum – eine Entwicklung, die heute selbst bei den Kamelrennen unübersehbar ist: „Früher gab es als Preis ein Kopftuch. Oder es ging um ein Gewand. Damals drehte sich alles um den Sport. Wir haben diesen Sport geerbt und führen ihn jetzt in sein goldenes Zeitalter. Denn heute bringt dieser Sport viel Geld. Bei den Preisgeldern geht es um Millionen, und die Kamelbesitzer investieren auch Millionen in den Sport. Es geht um den Wettbewerb, um Ruhm, aber auch um Begegnungen.“
Eine Fußball-WM bringt mehr Prestige als traditionelle Kamelrennen
Ein paar hundert Meter von Hammads Farm entfernt warten bereits Hunderte Kamele auf ihren Start. Helfer aus Somalia und dem Sudan kümmern sich um die Tiere. Hammad und andere Kamelbesitzer – ausnahmslos Männer – richten sich in ihren Geländewagen ein. Wenn die Kamele auf der sandigen Bahn starten, fahren die Besitzer in ihren Autos nebenher und feuern ihre Tiere an – über Funk. Jedes Kamel trägt einen kleinen Roboter auf dem Rücken, der die Befehle des Besitzers empfängt und – wie früher der Jockey – die Peitsche schwingt.
Hammads Kamel startet souverän. Die ersten beiden Kilometer liegt es in Führung. Doch dann fällt es plötzlich zurück, wird von anderen Tieren überholt. Nach vier Kilometern erreicht es das Ziel. „Das ist nochmal gut gegangen, Gottseidank. Das Ergebnis ist gut, darum geht es in diesem Wettbewerb. Wir haben den 5. Platz gemacht. Wir danken Gott dafür. Aber will wollen noch besser werden, wenn Gott will.
Ruhm und Reichtum winken dem Sieger beim Kamelrennen. Viele Kataris lieben diesen Sport – aber eine Weltmeisterschaft bliebe auf die Region beschränkt. Außer den Nachbarstaaten Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten veranstalten nicht viele Länder Kamelrennen. Ein Grund dafür, dass Katar auf Fußball setzt – auf einen Sport, der Menschen weltweit begeistert – auch Frauen. „Mein Wunsch ist, dass wir die Ersten werden – aber ich weiß, dass das sehr schwer wird. Wenn Gott will, kommen wir unter die ersten Drei.“
Katarische Frauen haben deutliche weniger Rechte als die Männer
Aisha Al Tamimi ist optimistisch. Die Geschäftsfrau aus Katar liebt Fußball, schaut regelmäßig die Spiele der katarischen Liga. Jedes Familienmitglied habe einen Lieblingsclub, erzählt sie. Für Katar ist Aisha eine Art Botschafterin. Nicht viele Frauen sind bereit, mit ausländischen Medien zu sprechen. Aisha hat damit kein Problem. Jahre lang präsentierte sie die Sendung „Esstisch“ im staatlichen Fernsehen, zeigte ihren Landsleuten, was die Küche ihres Heimatlandes ausmacht. Dabei konnte sie als junge Frau nicht einmal einen Tee kochen, erzählt sie. Heute vertritt sie ihr Heimatland bei Veranstaltungen im Ausland – und bringt anderen Menschen das Kochen bei. „Bei uns in Katar sind die Frauen berufstätig. Sie arbeiten Schulter an Schulter mit den Männern. In einigen Bereichen verdient die Frau sogar mehr Geld als der Mann.“
Dennoch haben katarische Frauen deutlich weniger Rechte als katarische Männer. Wenn die katarischen Frauen zum Beispiel einen Mann aus dem Ausland heiraten, können sie ihre Staatsbürgerschaft nicht auf ihre Kinder übertragen. Kinder katarischer Männer erhalten die katarische Staatsbürgerschaft dagegen automatisch. „Die Stellung der Frau ist natürlich für uns ein Problem. Die Rechtsstellung der Frau ist untergeordnet“, sagt Islamwissenschaftler Guido Steinberg bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. „Wenn man sich allerdings mal mit weiblichen Kataris unterhält, dann ist die Situation durchaus eine andere. Denn die Möglichkeiten für Frauen und Mädchen, sich selbst zu entwickeln, zur Schule zu gehen, an die teils wirklich tollen Universitäten zu gehen, die sind ordentlich. Es gibt eine weitgehende Reisefreiheit und deswegen ist das Bild der unterdrückten Frau in Katar zumindest ein unvollständiges Bild.“
In den vergangenen Jahren seien eine Menge Fortschritte erzielt worden, betont die Geschäftsfrau Aisha Al-Tamimi – und kritisiert die westlichen Länder: „Sie sollten die alten Vorurteile ignorieren, die sie über unsere Gesellschaften in den Golfstaaten haben. Lassen Sie diese Vorurteile weg, schauen Sie unsere Medien an, machen Sie sich kundig, wie weit die katarische Frau jetzt gekommen ist.“
Wenig Kritik an Katar durch Al Jazeera
Der Nachrichtensender Al Jazeera ist rund um die Uhr auf Sendung, berichtet aus Katar, dem Nahen Osten und dem Rest der Welt. Allein in Doha arbeiten etwa 2.500 Menschen aus mehr als 90 Nationen für das bekannteste arabische Medien-Unternehmen. Al Jazeera, sagt Geschäftsführer Mostefa Souag, sei anders als die anderen Medien in der Region: frei, unabhängig, pluralistisch. „Al Jazeera arbeitet nicht für die Regierung. Die Regierungsbeamten in Katar dürfen uns nicht kontaktieren. Sie dürfen uns überhaupt nicht reinreden, wenn es um die Art und Weise geht, wie wir berichten. Und wenn irgendjemand es doch tut – ein Minister, Manager oder wer auch immer – dann legen wir einfach auf. Wir sprechen nicht mit ihnen. So war es von Anfang an.“
Seit seiner Gründung 1996 ist Al Jazeera für Sendungen wie „Die Meinung und die andere Meinung“ berühmt – ein Programm, in dem Menschen unterschiedlicher Herkunft miteinander diskutieren und streiten. Mit seinen beiden Sendern auf Arabisch und Englisch erreicht Al Jazeera Zuschauer auf der ganzen Welt. Kritische Berichte über Katar oder ihm nahestehende Länder wie die Türkei oder den Iran, mit dem sich Katar ein Gasfeld teilt, sendet Al Jazeera allerdings selten. Auch Kritik am Emir, an der Herrscherfamilie und dem politischen System – also der absoluten Monarchie – in Katar ist tabu.
Wenn es um andere Länder und Regionen geht, sei Al Jazeera dagegen weniger zurückhaltend, sagt Islamwissenschaftler Guido Steinberg: „Im Jahr 2011 wurde dann doch immer deutlicher, dass der Sender ein Instrument der katarischen Politik ist. Das war der Sender schon ab 1996. Das war nur nicht so sehr zu sehen, weil einfach in Katar nie etwas geschehen ist, so dass auch nicht auffiel, dass über Katar sehr wenig berichtet wurde.“
Al Jazeera gilt als wichtigstes arabisches Nachrichtenmedium
Doch dann begann der so genannte Arabische Frühling. Hunderttausende Menschen in Tunesien, Libyen, Ägypten, dem Jemen und Syrien lehnten sich gegen die autokratischen Herrscher in ihren Ländern auf. Al Jazeera unterstützte diese Protestbewegung in seinen Berichten und setzte offenbar darauf, dass künftig die Katar nahestehenden Muslimbrüder an der Macht kommen würden – die größte Bewegung des politischen Islam in der arabischen Welt. „Im Jahr 2011 wurde der Sender sehr viel kontroverser, weil er plötzlich zur Stimme erstens der katarischen Politik und zweitens zur Stimme der katarischen Verbündeten in der Region wurde.“
Dennoch gilt Al Jazeera bis heute als wichtigstes arabisches Nachrichtenmedium. Der Sender stärkt die Stimme Katars in der Welt – und übt Kritik an anderen arabischen Ländern. Einer von mehreren Gründen dafür, dass Saudi-Arabien, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten Katar dazu bewegen wollten, Al Jazeera zu schließen. 2017 kappten sie alle Verbindungen zum kleinen Nachbarstaat, stellten Flugverbindungen und diplomatische Beziehungen ein und verhängten eine Blockade. „Die Blockade der Nachbarstaaten, die Blockade Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate war auch darauf ausgerichtet, Katar diese WM zu nehmen. Entweder ganz oder aber die WM vielleicht dann doch in mehreren Nachbarstaaten gemeinsam mit Katar stattfinden zu lassen.“
Katars Ziel: Absicherung vor allem gegen Saudi-Arabien
Doch Katar beugte sich nicht. 2021 beendeten die Nachbarstaaten schließlich ihre Blockade – obwohl sie die eigenständige Politik Katars kritisch sehen. Das Emirat gilt als Verbündeter der USA, unterhält aber auch Beziehungen zu Iran und islamistischen Gruppen wie den Taliban in Afghanistan. Denn seit der Irak im Jahr 1990 Kuwait überfallen hat, herrscht in Katar die Sorge, vom großen Nachbarn Saudi-Arabien überrannt zu werden – oder im Spannungsfeld der verfeindeten Regionalmächte Saudi-Arabien und Iran aufgerieben zu werden.
Nur wenn die Welt ein Interesse am Fortbestand Katars hat, weil es zum Beispiel zwischen Islamisten und dem Westen vermittelt, wird sie das kleine Emirat im Ernstfall verteidigen – das sei Katars Kalkül, sagt Politikwissenschaftler Nicolas Fromm, der an der Bundeswehruniversität in Hamburg zu Katar forscht: „Das ist eine Strategie, um möglichst sichtbar zu sein, um sicher zu sein. Es geht darum, der Welt zu zeigen, dass es Katar gibt und dass Katar relevant ist, auf welchem Gebiet auch immer oder in welchen Fragen auch immer. Ob auf Energielieferungen-Ebene, ob auf diplomatischer Ebene oder eben jetzt vielleicht auch auf sportlicher Ebene. Es geht einfach darum, dass sich dadurch Katar absichert gegen potenzielle Feindseligkeiten, unter anderem vom großen Nachbarn Saudi-Arabien.“