Ich begrüße Sie zu diesem Hintergrund, in dem wir Sie über die Lage in Haiti informieren wollen und über die möglichen Folgen für ein Land, das als das Armenhaus der Karibik gilt, als eines der ärmsten Länder der westlichen Hemisphäre. Und als ein Staat, der als solcher schon lange nicht mehr funktioniert.
Am Telefon in Mexiko-City ist unsere Korrespondentin Anne Kathrin Mellmann: Frau Mellmann, Sie verfolgen die Nachrichten, die Bilder aus Haiti, aus der Hauptstadt Port-au-Prince seit den ersten Meldungen:
Wie stellt sich Ihnen die Lage zu dieser Stunde dar?
"Im Moment sieht es so aus, dass die Kommunikationsmöglichkeiten sehr eingeschränkt sind für uns hier im ARD-Studio Mexiko-Stadt. Es tröpfeln nur ganz kleine Informationshäppchen – sagen wir mal – durch zu uns, weil wir nicht erreichbar sind telefonisch; aber es kommen ab und zu E-Mails und eine Geschäftsfrau aus Port-au-Prince hat mir gerade eben geschrieben, dass sie das so sieht, dass Port-au-Prince wahrscheinlich zu 40 Prozent tatsächlich zerstört ist. Die Häuser von Port-au-Prince – beschreibt sie, dass Leichen am Straßenrand liegen; dass man mit dem Auto überhaupt nicht mehr fahren kann, weil alles voller Trümmer ist, alles voller Menschen, die natürlich auf die Straßen geflüchtet sind. Zum einen haben sie Angst vor Nachbeben, vor erneuten Nachbeben; es hat sehr viele, sehr starke Nachbeben gegeben und zum anderen sind einfach jetzt viele, viele Menschen obdachlos geworden. Wie Sie ganz richtig sagen, gibt es überhaupt gar keine Anhaltspunkte darüber, um wie viele Opfer es sich handeln könnte; es gibt sehr viele Schwerverletzte, sehr viele Verletzte; die Krankenhäuser sind heillos überfordert; sie haben schon lange keine Medikamente mehr und es gibt viele Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, die davon sprechen, dass die Totenzahlen auf mehrere tausend ansteigen werden und das genaue Ausmaß ist überhaupt nicht absehbar.
Sie müssen sich auch vorstellen, Haiti ist ein Land mit mangelnder Infrastruktur; Haiti ist ein Land, das nicht einmal genau weiß, wie viele Einwohner es hat, wo weder die Geburten noch die Toten richtig registriert werden; wie soll man also in einer solchen chaotischen Situation, die sowieso schon herrscht im Alltag, dann eine Katastrophe, die dazu kommt, bewältigen können, geschweige denn, die Toten zählen können, die Verletzten zählen und behandeln können."
Die Nachrichten und die Meldungen kommen, wenn, dann aus Hauptstadt Port-au-Prince. Gibt es denn überhaupt schon Eindrücke, wie es auf dem Land, in ländlichen Regionen aussieht?
"Nein, darüber liegen überhaupt noch keine Informationen vor; es gibt nur Vermutungen, es gibt Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, die sagen, dass es auf dem Land wahrscheinlich glimpflicher abgelaufen ist, was nicht gelten kann für den westlichen Teil der Insel, westlich der vom Epizentrum gelegen. Port-au-Prince liegt ja östlich vom Epizentrum; das ist quasi an der Nordküste von Haiti und etwas weiter westlich sind auch Städte mit ziemlich vielen Einwohner,; das ist eigentlich so eine sehr urbane Gegend, wo eine Stadt in die andere übergeht und man kann davon ausgehen, dass es in den Städten weiter östlich auch noch viele Opfer gegeben haben wird, zum Beispiel in der Stadt Léogâne oder in Carrefour selbst, wo das Epizentrum war."
Haben Sie denn den Eindruck, dass es irgendwelche Koordinierungsmaßnahmen gibt?
"Von haitianischer Seite kann ich das im Moment schwer beurteilen; ich fürchte, dass es da keine gibt - koordinierte Rettungsmaßnahmen. Ich kann nur hoffen, dass die internationalen Organisationen sich nun auf den Weg machen nach Haiti, um dort zu helfen, sich auch untereinander absprechen und koordinieren, was gebraucht wird, damit dort nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht. Ich glaube, es ist jetzt ganz wichtig, dass an einem Strang gezogen wird. Es sind in der Tat sehr, sehr viele Hilfsorganisationen, die in Haiti arbeiten und dort Projekte haben. Dieses Land ist vollkommen abhängig von internationaler Hilfe, hängt sozusagen am Tropf und da wird man in den nächsten Tagen sehen müssen, ob die Mitarbeiterzahlen tatsächlich schnell verstärkt werden; schnell genug, um den Lauten jetzt zu helfen. Es ist tatsächlich Eile geboten, um die Verletzten zu versorgen – vor allem auch, um die Verschütteten zu bergen, denn man kann davon ausgehen, dass sehr, sehr viele Lebende unter den Trümmern sind."
Anne Kathrin Mellmann war das aus Mexico-City. Haben Sie vielen Dank für Einschätzungen, für Ihre Eindrücke. Haiti, Sie haben es gesagt, ist ein geschundenes Land, von Naturkatastrophen gezeichnet, seit Jahrzehnten von politischem Chaos geprägt, Haiti mit seinen geschätzten neun Millionen Einwohnern ist eines der ärmsten Länder der Welt. Über Jahrhunderte ausgebeutet von weißen Kolonialherren, dann von schwarzen Diktatoren, Potentaten, Kleptokraten.
Heute gilt Haiti als failed state – ein zerfallener, gescheiterter Staat. Hintergründe von Peter B. Schumann.
Eine Straße am Rand von Pétion-Ville, einem der besseren Viertel von Port-au-Prince. Der Verkehr quält sich durch unüberschaubare Menschenmassen: einen von vielen Märkten. Rechts und links der Straße Händler, die ihre Waren anbieten: Plastikgeschirr, Transistorradios, Schuhe, Früchte, zu riesigen Mengen aufgestapelt. Eine Kette endloser Versuche zu überleben.
So jedenfalls sah die Straße noch gestern Nachmittag – wie jeden Tag – um 16:50 Uhr aus. Dann brach plötzlich die Erde auf, Häuser stürzten zusammen, ihre Mauern begruben viele der Händler und Käufer und damit auch viele der mühsam aufgebauten Existenzen. Zu dem täglichen Elend kamen Verwüstung und Tod. Dabei ist dieses Haiti ja schon das Armenhaus der westlichen Hemisphäre.
"Zwei Drittel der Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze, in extremer Armut."
… so der Wirtschaftswissenschaftler Henry Bazin.
"Das heißt: Sie leben von höchstens einem Dollar pro Tag. Mehr als die Hälfte der Haitianer kann weder lesen noch schreiben. Und auf den Flohmärkten, die unsere Wirtschaft weitgehend ersetzen, können sie oft nur so viel verdienen, wie sie gerade zum Essen und Trinken brauchen. Vor mehr als 200 Jahren hat sich die zumeist schwarze Bevölkerung von der Sklaverei befreit – als erste in Amerika. Aber genützt hat es ihr wenig, denn die Stelle der weißen Kolonisatoren nahmen bis vor kurzem schwarze Diktatoren ein. Und auch der große Hoffnungsträger der 90er-Jahre, der ehemalige Armen-Priester Jean-Bertrand Aristide, entpuppte sich bald als Tyrann. Der Kreislauf der Diktaturen konnte erst im Februar 2004 beendet werden. Die Zivilgesellschaft hatte sich im Widerstand gegen Aristide erstmals organisiert. Und die USA, die bis dahin die Diktatoren meist gestützt hatten, zwangen mit ihren Mitteln Aristide zum Rückzug. Doch kurz zuvor ließ dieser durch die 'Schimären', seine Killerbanden, in Port-au-Prince Tabula rasa machen."
Jean-Robert Saget
"Alle Institutionen wurden völlig zerstört, das heißt das Staatswesen existierte nicht mehr."
… erinnert sich Jean-Robert Saget, heute Botschafter in Deutschland.
Jean-Robert Saget
"Die Kassen waren leer. Nicht einmal der Fuhrpark derRegierung war mehr vorhanden. Man hatte die Wagen oder ihre Motoren gestohlen und unbrauchbar gemacht. Von den Computern,
wenn überhaupt welche gefunden wurden, waren die meisten nicht mehr funktionsfähig. Es war eine jämmerliche Situation."
Ministerien und Institutionen mussten wiederaufgebaut oder reorganisiert werden. Zugleich begannen damals die Vorbereitungen für die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Es war der erste konsequente Versuch, demokratische Strukturen zu entwickeln. Aber dazu musste
zunächst eine Klima der Sicherheit geschaffen werden. Denn die 'Schimären' terrorisieren seit dem Sturz Aristides die Bevölkerung mit immer neuen Wellen von Vergewaltigungen, Entführungen und Morden.
Wieder einmal mussten die Vereinten Nationen ihre Blauhelme schicken, zurzeit 6700 Mann unter brasilianischem Kommando. Sie sichern die Wahlen ab, versuchen die Reste der von Aristide aufgelösten Armee zu entwaffnen und erfüllen teilweise auch Polizeiaufgaben, denn selbst dieser
Apparat funktioniert nur mühsam und ist nach wie vor korrupt, genauso wie die Justiz. Aristides Machenschaften, von außen die innere Lage Haitis zu destabilisieren, um seine Rückkehr zu bewirken, haben zwar nachgelassen, aber die Sicherheit der Bevölkerung ist noch bei Weitem nicht garantiert. Der bestialische Mord an einem Journalisten und Menschenrechtler bewegte vor einiger Zeit die Haitianer zu einer Massendemonstration gegen den Terror.
Arnold Antonin
"Das ist eine schreckliche Situation für die Journalisten"
… so berichtete Arnold Antonin, ein bekannter haitianischer Intellektueller.
O-Ton Arnold Antonin
"Sie werden nicht nur regelmäßig bedroht, sondern eliminiert. Denn dieser Kollege ist zunächst gefoltert und dann regelrecht hingerichtet worden. Aber die Lage ist auch für die gesamte Bevölkerung furchtbar, denn niemand ist mehr sicher. Das ist eine Art Terror ohne Bomben. Wir machen eine sehr schlechte, besonders grausame Zeit durch."
Ohne die Milliarden-Kredite der internationalen Gemeinschaft wäre das kleine Land nicht lebensfähig, ohne humanitäre Hilfsprogramme würde in manchen Regionen Hunger herrschen. Immerhin hat es mehrfach Wahlen, neue Präsidenten und neue Regierungen gegeben, aber auch dies war jedes Mal ein mühsames, oft verschlepptes Prozedere. Die Probleme sind oft elementar. Noch einmal Jean-Robert Saget.
Jean-Robert Saget
"Anfangs musste ja zunächst einmal die gesamte lebenswichtige Infrastruktur wieder hergestellt werden, die Stromversorgung und das Straßennetz. Uns fehlten 3000 Kilometer Straßen, wenn wir das Land weiterentwickeln wollten. Viele Gegenden waren einfach nicht mehr erreichbar."
Doch inzwischen ist viel Zeit vergangen und viel Geld nach Haiti geflossen, hat es neue Straßen und ein verbessertes Stromnetz gegeben. Aber die Lebensverhältnisse für die Mehrheit der Bevölkerung haben sich sichtbar nicht verändert. Und das ist eine Frage an die Fähigkeit der gesamten politischen Klasse. Sie ist in viele Fraktionen zersplittert und folgt oft nur Eigeninteressen. Sie war bisher nicht in der Lage, sich – ähnlich wie die Zivilgesellschaft – auf ein nationales Projekt zu verständigen und dies auch mit der Milliarden-Dollar-Hilfe durchzusetzen.
Zwei Wirbelstürme haben dieses geschlagene Land 2004 und 2008 zusätzlich verheert. Das Erdbeben wirft Haiti nun für Jahre in seiner Entwicklung zurück. Aber vielleicht findet sich jetzt der Wille zu politischen Gemeinsamkeit.
Ein Land in Armut – ein Staat in Agonie. Perter. B. Schumann war das über Haiti. Naturkatastrophen, politische Unruhen, Bandenkriege, Anarchie, Gewalt. Haiti hat eine lange Krankengeschichte und ist doch ein instabiles Land geblieben; Peter B. Schuman hat es gerade geschildert.
Im Jahr 2004 schickte der Weltsicherheitsrat Tausende von UN-Soldaten, Polizisten und Spezialisten nach Haiti, um das Land zu stabilisieren. Die Mission Minustar begann in den Nachwirren des Sturzes von Präsident Jean-Bertrand Aristide und gilt bis heute als eine äußerst schwierige Krisenmission.
Klaus-Jürgen Haller über die UNO in Haiti.
In den Kämpfen bewaffneter Banden - Aristide-Anhänger auf der einen, Aristide-Gegner auf der anderen Seite – sah der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 2004 eine Gefährdung des Friedens und der Sicherheit in der Region. Das Mandat der Mission stützt sich auf Kapitel 7 der Charta der Vereinten Nationen, das heißt es ist keine reine Friedensmission. Die sich bekämpfenden Parteien und Banden in Haiti haben sich nicht auf eine Art Waffenstillstand verstehen können. Das unvermeidlich robuste Vorgehen der Blauhelme hat verschiedentlich zu heftiger Kritik geführt. Beispielsweise als sie die Cité Soleil, das Slumviertel von Port-au-Prince stürmten, um ihr Mandat, bewaffnete Banden zu entwaffnen, durchzusetzen.
Die militärische Komponente der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Haiti steht unter Führung der brasilianischen Streitkräfte. Sie zählt über 7000 Soldaten und knapp 2000 Polizisten, unterstützt von zivilem Personal aus Haiti und aus dem Ausland. Alles in allem sind es Blauhelme aus Lateinamerika, die im Einsatz sind. Die Mission insgesamt steht unter Führung eines Tunesiers, der möglicherweise zu den Opfern des schweren Bebens zählt.
Die Stabilisierungsmission hat drei Aufgaben: Die erste ist, die Sicherheit und Ordnung im Lande wiederherzustellen. Dazu gehören die Entwaffnung und Reintegration aller bewaffneten Gruppierungen, die Umstrukturierung und Reform der haitianischen Polizei, die Wiederherstellung des Rechtswesens, der Schutz von Zivilisten vor physischer Gewalt jedweder Art.
Die UN-Mission soll zweitens die Aussöhnung der verfeindeten Gruppierungen vorantreiben und den verfassungsmäßigen politischen Prozess wieder voran bringen, einschließlich der Vorbereitung, Durchführung und Beobachtung fairer Gemeinde-, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Zu den Aufgaben zählt weiter die Unterstützung der haitischen Übergangsregierung, um ihre Autorität im ganzen Lande durchsetzen zu können.
Die dritte Aufgabe ist der Schutz der Menschenrechte, in Sonderheit der von Frauen und Kindern, um die individuelle Verantwortung für Verstöße gegen die Menschenrechte, wie es heißt, und die Entschädigung der Opfer sicherzustellen.
Klaus Jürgen Haller über die Vereinten Nationen in Haiti, auf die besonders jetzt viele hoffen – obwohl die UNO ja selbst schwer getroffen wurde von diesem Erdbeben: Das Hauptquartier der UNO-Mission ist eingestürzt, viele UNO-Mitarbeiter werden noch vermisst. Die UNO hat unterdessen 37 Suchmannschaften mobilisiert, die so schnell wie möglich nach Haiti reisen sollen, um erste Hilfe zu leisten. Ob in der unmittelbaren Nachbarschaft Haitis, ob in den USA, in Europa, in Deutschland – überall machen sich Hilfsorganisationen auf den Weg, um so schnell wie möglich in die Katastrophengebiete zu kommen. Dabei wissen doch alle Beteiligten, bei Einsätzen wie diesen geht im Grunde um jede Minute, das weiß auch Klaus Buchmüller, der Einsatzleiter des Technischen Hilfswerkes, den ich am Telefon begrüße. Herr Buchmüller, guten Abend!
Klaus Buchmüller
"Guten Abend!"
Worauf kommt es jetzt zunächst an?
Klaus Buchmüller
"Zunächst kommt es darauf an, die Hilfe auch koordiniert in den Einsatz zu kriegen. Wir haben hier Koordinationsmechanismen mit der Europäischen Union, mit den Vereinten Nationen, natürlich auch mit der Deutschen Botschaft, dem Auswärtigen Amt, um dort nicht Hilfe anzuliefern, die nicht gebraucht wird. Die internationale Hilfsgemeinschaft entsendet 37 Erdbebenteams; wir haben auch angeboten, aber auch festgestellt, dass andere Teams bereits, die näher dran, schon unterwegs bzw. vor Ort sind. Deswegen haben wir auf andere Bedarfe umgeschwenkt, haben ein Vorausteam, bestehend aus Baufachleuten, Wasserleute, Elektrikleuten und Koordinierungsexperten entsandt und entsenden morgen ein zehnköpfiges Trinkwasser-Aufbereitungsteam, das aber auch Reparaturen an der Infrastruktur vornehmen kann."
Wer koordiniert so eine Aktion? Wer kann das koordinieren?
Klaus Buchmüller
"Das kann eigentlich letztendlich nur die UN gemeinsam mit der Europäischen Union; dafür gibt es ausgebildete Teams, die vor Ort eingesetzt werden und aber auch über das Internet in einem virtuellen Raum – sozusagen sich – koordinieren, um Hilfsangebote einzustellen, Hilfsangebote-Annahmen dort zu postieren, sodass ein Überblick für die zertifizierten Einheiten und Organisationen mit dem THW und anderen großen Organisationen zur Verfügung steht. Dieses wird genutzt und wir beteiligen uns rege daran."
Man erinnert sich an den Tsunami 2004. Damals gab es auch eine riesige Hilfsaktion, aber diese Hilfe war unkoordiniert, manchmal hieß es auch sogar "kontraproduktiv". Es war von Aktionismus die Rede. Welche Lehren hat man daraus gezogen? Wie lässt sich das verhindern?
Klaus Buchmüller
"Man hat einerseits eine Zertifizierung für Hilfsorganisationen, für große Erdbeben-Organisationen eingeführt bei der UN. Taheri ist eine dieser zertifizierten Einheiten, die sich an genaue Spielregeln halten. Es gibt eine sogenannte Search- and Rescue-Advisory-Group, also eine Beratungsgruppe der Search- and Rescue von der UN, also Erdbebenhilfe, mit der die großen Organisationen zusammen arbeiten und auf deren Regeln sich alle berufen. Es werden aber auch von Seiten der Geldgeber immer mehr Erkundungsergebnisse abgewartet, um eben möglichst eine konsolidierte Hilfe in Angriff nehmen zu können."
Die Hilfsorganisationen sind vorbereitet auf Katastrophen, auf Katastrophenhilfe; sind sie denn auch vorbereitet auf ein möglicherweise unsicheres Umfeld. Haiti ist ein failed State – ein zerrütteter Staat.
Klaus Buchmüller
"Das ist richtig. Die Hilfsorganisationen, die zertifiziert sind und auch die sich der Guidelines unterwerfen, sind auch in Sicherheitsfragen geschult. Es gibt einerseits Schulungen, die man eben auf internationaler Ebene macht, auch das THW führt Sicherheitsschulungen für unsere Mitarbeiter durch, gerade für solche Krisengebiete."
Wir das ein besonders schwieriger Einsatz jetzt werden, Herr Buchmüller?
Klaus Buchmüller
"Das kann ich noch nicht absehen. Ich denke, das ist nicht ein Einsatz wie jeder andere. Wir wissen, das ist ein failed state; die Lage ist noch unklar, dass wir das genau bewerten können. Unsere Kräfte sind aber vielfältig erprobt in verschiedensten Einsätzen; ich denk, dass wir das meistern werden und dass das Ganze zu einem guten Ende gebracht werden kann."
Ganz kurz: wie viele Leute von Ihnen sind unterwegs?
Klaus Buchmüller
"Derzeit vier in der Luft mit Flugzeugen und weitere zehn werden morgen in die Flugzeuge steigen."
Das war Klaus Buchmüller, der Einsatzleiter des Technischen Hilfswerks.
Haben Sie vielen Dank nach Bonn.
Und das war unser Hintergrund an diesem Mittwoch Abend – die Kollegen des Zeitfunks halten Sie in den aktuellen Sendungen natürlich auf dem Laufenden: um 23:10 Uhr in der Sendung Das war der Tag – und natürlich morgen früh in unseren Informationen am Morgen, um 6:50 Uhr mit einem Interview mit Haitis Botschafter in Berlin, Jean-Robert Saget.Ihnen und uns einen angenehmen Abend.
Am Telefon in Mexiko-City ist unsere Korrespondentin Anne Kathrin Mellmann: Frau Mellmann, Sie verfolgen die Nachrichten, die Bilder aus Haiti, aus der Hauptstadt Port-au-Prince seit den ersten Meldungen:
Wie stellt sich Ihnen die Lage zu dieser Stunde dar?
"Im Moment sieht es so aus, dass die Kommunikationsmöglichkeiten sehr eingeschränkt sind für uns hier im ARD-Studio Mexiko-Stadt. Es tröpfeln nur ganz kleine Informationshäppchen – sagen wir mal – durch zu uns, weil wir nicht erreichbar sind telefonisch; aber es kommen ab und zu E-Mails und eine Geschäftsfrau aus Port-au-Prince hat mir gerade eben geschrieben, dass sie das so sieht, dass Port-au-Prince wahrscheinlich zu 40 Prozent tatsächlich zerstört ist. Die Häuser von Port-au-Prince – beschreibt sie, dass Leichen am Straßenrand liegen; dass man mit dem Auto überhaupt nicht mehr fahren kann, weil alles voller Trümmer ist, alles voller Menschen, die natürlich auf die Straßen geflüchtet sind. Zum einen haben sie Angst vor Nachbeben, vor erneuten Nachbeben; es hat sehr viele, sehr starke Nachbeben gegeben und zum anderen sind einfach jetzt viele, viele Menschen obdachlos geworden. Wie Sie ganz richtig sagen, gibt es überhaupt gar keine Anhaltspunkte darüber, um wie viele Opfer es sich handeln könnte; es gibt sehr viele Schwerverletzte, sehr viele Verletzte; die Krankenhäuser sind heillos überfordert; sie haben schon lange keine Medikamente mehr und es gibt viele Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, die davon sprechen, dass die Totenzahlen auf mehrere tausend ansteigen werden und das genaue Ausmaß ist überhaupt nicht absehbar.
Sie müssen sich auch vorstellen, Haiti ist ein Land mit mangelnder Infrastruktur; Haiti ist ein Land, das nicht einmal genau weiß, wie viele Einwohner es hat, wo weder die Geburten noch die Toten richtig registriert werden; wie soll man also in einer solchen chaotischen Situation, die sowieso schon herrscht im Alltag, dann eine Katastrophe, die dazu kommt, bewältigen können, geschweige denn, die Toten zählen können, die Verletzten zählen und behandeln können."
Die Nachrichten und die Meldungen kommen, wenn, dann aus Hauptstadt Port-au-Prince. Gibt es denn überhaupt schon Eindrücke, wie es auf dem Land, in ländlichen Regionen aussieht?
"Nein, darüber liegen überhaupt noch keine Informationen vor; es gibt nur Vermutungen, es gibt Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, die sagen, dass es auf dem Land wahrscheinlich glimpflicher abgelaufen ist, was nicht gelten kann für den westlichen Teil der Insel, westlich der vom Epizentrum gelegen. Port-au-Prince liegt ja östlich vom Epizentrum; das ist quasi an der Nordküste von Haiti und etwas weiter westlich sind auch Städte mit ziemlich vielen Einwohner,; das ist eigentlich so eine sehr urbane Gegend, wo eine Stadt in die andere übergeht und man kann davon ausgehen, dass es in den Städten weiter östlich auch noch viele Opfer gegeben haben wird, zum Beispiel in der Stadt Léogâne oder in Carrefour selbst, wo das Epizentrum war."
Haben Sie denn den Eindruck, dass es irgendwelche Koordinierungsmaßnahmen gibt?
"Von haitianischer Seite kann ich das im Moment schwer beurteilen; ich fürchte, dass es da keine gibt - koordinierte Rettungsmaßnahmen. Ich kann nur hoffen, dass die internationalen Organisationen sich nun auf den Weg machen nach Haiti, um dort zu helfen, sich auch untereinander absprechen und koordinieren, was gebraucht wird, damit dort nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht. Ich glaube, es ist jetzt ganz wichtig, dass an einem Strang gezogen wird. Es sind in der Tat sehr, sehr viele Hilfsorganisationen, die in Haiti arbeiten und dort Projekte haben. Dieses Land ist vollkommen abhängig von internationaler Hilfe, hängt sozusagen am Tropf und da wird man in den nächsten Tagen sehen müssen, ob die Mitarbeiterzahlen tatsächlich schnell verstärkt werden; schnell genug, um den Lauten jetzt zu helfen. Es ist tatsächlich Eile geboten, um die Verletzten zu versorgen – vor allem auch, um die Verschütteten zu bergen, denn man kann davon ausgehen, dass sehr, sehr viele Lebende unter den Trümmern sind."
Anne Kathrin Mellmann war das aus Mexico-City. Haben Sie vielen Dank für Einschätzungen, für Ihre Eindrücke. Haiti, Sie haben es gesagt, ist ein geschundenes Land, von Naturkatastrophen gezeichnet, seit Jahrzehnten von politischem Chaos geprägt, Haiti mit seinen geschätzten neun Millionen Einwohnern ist eines der ärmsten Länder der Welt. Über Jahrhunderte ausgebeutet von weißen Kolonialherren, dann von schwarzen Diktatoren, Potentaten, Kleptokraten.
Heute gilt Haiti als failed state – ein zerfallener, gescheiterter Staat. Hintergründe von Peter B. Schumann.
Eine Straße am Rand von Pétion-Ville, einem der besseren Viertel von Port-au-Prince. Der Verkehr quält sich durch unüberschaubare Menschenmassen: einen von vielen Märkten. Rechts und links der Straße Händler, die ihre Waren anbieten: Plastikgeschirr, Transistorradios, Schuhe, Früchte, zu riesigen Mengen aufgestapelt. Eine Kette endloser Versuche zu überleben.
So jedenfalls sah die Straße noch gestern Nachmittag – wie jeden Tag – um 16:50 Uhr aus. Dann brach plötzlich die Erde auf, Häuser stürzten zusammen, ihre Mauern begruben viele der Händler und Käufer und damit auch viele der mühsam aufgebauten Existenzen. Zu dem täglichen Elend kamen Verwüstung und Tod. Dabei ist dieses Haiti ja schon das Armenhaus der westlichen Hemisphäre.
"Zwei Drittel der Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze, in extremer Armut."
… so der Wirtschaftswissenschaftler Henry Bazin.
"Das heißt: Sie leben von höchstens einem Dollar pro Tag. Mehr als die Hälfte der Haitianer kann weder lesen noch schreiben. Und auf den Flohmärkten, die unsere Wirtschaft weitgehend ersetzen, können sie oft nur so viel verdienen, wie sie gerade zum Essen und Trinken brauchen. Vor mehr als 200 Jahren hat sich die zumeist schwarze Bevölkerung von der Sklaverei befreit – als erste in Amerika. Aber genützt hat es ihr wenig, denn die Stelle der weißen Kolonisatoren nahmen bis vor kurzem schwarze Diktatoren ein. Und auch der große Hoffnungsträger der 90er-Jahre, der ehemalige Armen-Priester Jean-Bertrand Aristide, entpuppte sich bald als Tyrann. Der Kreislauf der Diktaturen konnte erst im Februar 2004 beendet werden. Die Zivilgesellschaft hatte sich im Widerstand gegen Aristide erstmals organisiert. Und die USA, die bis dahin die Diktatoren meist gestützt hatten, zwangen mit ihren Mitteln Aristide zum Rückzug. Doch kurz zuvor ließ dieser durch die 'Schimären', seine Killerbanden, in Port-au-Prince Tabula rasa machen."
Jean-Robert Saget
"Alle Institutionen wurden völlig zerstört, das heißt das Staatswesen existierte nicht mehr."
… erinnert sich Jean-Robert Saget, heute Botschafter in Deutschland.
Jean-Robert Saget
"Die Kassen waren leer. Nicht einmal der Fuhrpark derRegierung war mehr vorhanden. Man hatte die Wagen oder ihre Motoren gestohlen und unbrauchbar gemacht. Von den Computern,
wenn überhaupt welche gefunden wurden, waren die meisten nicht mehr funktionsfähig. Es war eine jämmerliche Situation."
Ministerien und Institutionen mussten wiederaufgebaut oder reorganisiert werden. Zugleich begannen damals die Vorbereitungen für die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Es war der erste konsequente Versuch, demokratische Strukturen zu entwickeln. Aber dazu musste
zunächst eine Klima der Sicherheit geschaffen werden. Denn die 'Schimären' terrorisieren seit dem Sturz Aristides die Bevölkerung mit immer neuen Wellen von Vergewaltigungen, Entführungen und Morden.
Wieder einmal mussten die Vereinten Nationen ihre Blauhelme schicken, zurzeit 6700 Mann unter brasilianischem Kommando. Sie sichern die Wahlen ab, versuchen die Reste der von Aristide aufgelösten Armee zu entwaffnen und erfüllen teilweise auch Polizeiaufgaben, denn selbst dieser
Apparat funktioniert nur mühsam und ist nach wie vor korrupt, genauso wie die Justiz. Aristides Machenschaften, von außen die innere Lage Haitis zu destabilisieren, um seine Rückkehr zu bewirken, haben zwar nachgelassen, aber die Sicherheit der Bevölkerung ist noch bei Weitem nicht garantiert. Der bestialische Mord an einem Journalisten und Menschenrechtler bewegte vor einiger Zeit die Haitianer zu einer Massendemonstration gegen den Terror.
Arnold Antonin
"Das ist eine schreckliche Situation für die Journalisten"
… so berichtete Arnold Antonin, ein bekannter haitianischer Intellektueller.
O-Ton Arnold Antonin
"Sie werden nicht nur regelmäßig bedroht, sondern eliminiert. Denn dieser Kollege ist zunächst gefoltert und dann regelrecht hingerichtet worden. Aber die Lage ist auch für die gesamte Bevölkerung furchtbar, denn niemand ist mehr sicher. Das ist eine Art Terror ohne Bomben. Wir machen eine sehr schlechte, besonders grausame Zeit durch."
Ohne die Milliarden-Kredite der internationalen Gemeinschaft wäre das kleine Land nicht lebensfähig, ohne humanitäre Hilfsprogramme würde in manchen Regionen Hunger herrschen. Immerhin hat es mehrfach Wahlen, neue Präsidenten und neue Regierungen gegeben, aber auch dies war jedes Mal ein mühsames, oft verschlepptes Prozedere. Die Probleme sind oft elementar. Noch einmal Jean-Robert Saget.
Jean-Robert Saget
"Anfangs musste ja zunächst einmal die gesamte lebenswichtige Infrastruktur wieder hergestellt werden, die Stromversorgung und das Straßennetz. Uns fehlten 3000 Kilometer Straßen, wenn wir das Land weiterentwickeln wollten. Viele Gegenden waren einfach nicht mehr erreichbar."
Doch inzwischen ist viel Zeit vergangen und viel Geld nach Haiti geflossen, hat es neue Straßen und ein verbessertes Stromnetz gegeben. Aber die Lebensverhältnisse für die Mehrheit der Bevölkerung haben sich sichtbar nicht verändert. Und das ist eine Frage an die Fähigkeit der gesamten politischen Klasse. Sie ist in viele Fraktionen zersplittert und folgt oft nur Eigeninteressen. Sie war bisher nicht in der Lage, sich – ähnlich wie die Zivilgesellschaft – auf ein nationales Projekt zu verständigen und dies auch mit der Milliarden-Dollar-Hilfe durchzusetzen.
Zwei Wirbelstürme haben dieses geschlagene Land 2004 und 2008 zusätzlich verheert. Das Erdbeben wirft Haiti nun für Jahre in seiner Entwicklung zurück. Aber vielleicht findet sich jetzt der Wille zu politischen Gemeinsamkeit.
Ein Land in Armut – ein Staat in Agonie. Perter. B. Schumann war das über Haiti. Naturkatastrophen, politische Unruhen, Bandenkriege, Anarchie, Gewalt. Haiti hat eine lange Krankengeschichte und ist doch ein instabiles Land geblieben; Peter B. Schuman hat es gerade geschildert.
Im Jahr 2004 schickte der Weltsicherheitsrat Tausende von UN-Soldaten, Polizisten und Spezialisten nach Haiti, um das Land zu stabilisieren. Die Mission Minustar begann in den Nachwirren des Sturzes von Präsident Jean-Bertrand Aristide und gilt bis heute als eine äußerst schwierige Krisenmission.
Klaus-Jürgen Haller über die UNO in Haiti.
In den Kämpfen bewaffneter Banden - Aristide-Anhänger auf der einen, Aristide-Gegner auf der anderen Seite – sah der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 2004 eine Gefährdung des Friedens und der Sicherheit in der Region. Das Mandat der Mission stützt sich auf Kapitel 7 der Charta der Vereinten Nationen, das heißt es ist keine reine Friedensmission. Die sich bekämpfenden Parteien und Banden in Haiti haben sich nicht auf eine Art Waffenstillstand verstehen können. Das unvermeidlich robuste Vorgehen der Blauhelme hat verschiedentlich zu heftiger Kritik geführt. Beispielsweise als sie die Cité Soleil, das Slumviertel von Port-au-Prince stürmten, um ihr Mandat, bewaffnete Banden zu entwaffnen, durchzusetzen.
Die militärische Komponente der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Haiti steht unter Führung der brasilianischen Streitkräfte. Sie zählt über 7000 Soldaten und knapp 2000 Polizisten, unterstützt von zivilem Personal aus Haiti und aus dem Ausland. Alles in allem sind es Blauhelme aus Lateinamerika, die im Einsatz sind. Die Mission insgesamt steht unter Führung eines Tunesiers, der möglicherweise zu den Opfern des schweren Bebens zählt.
Die Stabilisierungsmission hat drei Aufgaben: Die erste ist, die Sicherheit und Ordnung im Lande wiederherzustellen. Dazu gehören die Entwaffnung und Reintegration aller bewaffneten Gruppierungen, die Umstrukturierung und Reform der haitianischen Polizei, die Wiederherstellung des Rechtswesens, der Schutz von Zivilisten vor physischer Gewalt jedweder Art.
Die UN-Mission soll zweitens die Aussöhnung der verfeindeten Gruppierungen vorantreiben und den verfassungsmäßigen politischen Prozess wieder voran bringen, einschließlich der Vorbereitung, Durchführung und Beobachtung fairer Gemeinde-, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Zu den Aufgaben zählt weiter die Unterstützung der haitischen Übergangsregierung, um ihre Autorität im ganzen Lande durchsetzen zu können.
Die dritte Aufgabe ist der Schutz der Menschenrechte, in Sonderheit der von Frauen und Kindern, um die individuelle Verantwortung für Verstöße gegen die Menschenrechte, wie es heißt, und die Entschädigung der Opfer sicherzustellen.
Klaus Jürgen Haller über die Vereinten Nationen in Haiti, auf die besonders jetzt viele hoffen – obwohl die UNO ja selbst schwer getroffen wurde von diesem Erdbeben: Das Hauptquartier der UNO-Mission ist eingestürzt, viele UNO-Mitarbeiter werden noch vermisst. Die UNO hat unterdessen 37 Suchmannschaften mobilisiert, die so schnell wie möglich nach Haiti reisen sollen, um erste Hilfe zu leisten. Ob in der unmittelbaren Nachbarschaft Haitis, ob in den USA, in Europa, in Deutschland – überall machen sich Hilfsorganisationen auf den Weg, um so schnell wie möglich in die Katastrophengebiete zu kommen. Dabei wissen doch alle Beteiligten, bei Einsätzen wie diesen geht im Grunde um jede Minute, das weiß auch Klaus Buchmüller, der Einsatzleiter des Technischen Hilfswerkes, den ich am Telefon begrüße. Herr Buchmüller, guten Abend!
Klaus Buchmüller
"Guten Abend!"
Worauf kommt es jetzt zunächst an?
Klaus Buchmüller
"Zunächst kommt es darauf an, die Hilfe auch koordiniert in den Einsatz zu kriegen. Wir haben hier Koordinationsmechanismen mit der Europäischen Union, mit den Vereinten Nationen, natürlich auch mit der Deutschen Botschaft, dem Auswärtigen Amt, um dort nicht Hilfe anzuliefern, die nicht gebraucht wird. Die internationale Hilfsgemeinschaft entsendet 37 Erdbebenteams; wir haben auch angeboten, aber auch festgestellt, dass andere Teams bereits, die näher dran, schon unterwegs bzw. vor Ort sind. Deswegen haben wir auf andere Bedarfe umgeschwenkt, haben ein Vorausteam, bestehend aus Baufachleuten, Wasserleute, Elektrikleuten und Koordinierungsexperten entsandt und entsenden morgen ein zehnköpfiges Trinkwasser-Aufbereitungsteam, das aber auch Reparaturen an der Infrastruktur vornehmen kann."
Wer koordiniert so eine Aktion? Wer kann das koordinieren?
Klaus Buchmüller
"Das kann eigentlich letztendlich nur die UN gemeinsam mit der Europäischen Union; dafür gibt es ausgebildete Teams, die vor Ort eingesetzt werden und aber auch über das Internet in einem virtuellen Raum – sozusagen sich – koordinieren, um Hilfsangebote einzustellen, Hilfsangebote-Annahmen dort zu postieren, sodass ein Überblick für die zertifizierten Einheiten und Organisationen mit dem THW und anderen großen Organisationen zur Verfügung steht. Dieses wird genutzt und wir beteiligen uns rege daran."
Man erinnert sich an den Tsunami 2004. Damals gab es auch eine riesige Hilfsaktion, aber diese Hilfe war unkoordiniert, manchmal hieß es auch sogar "kontraproduktiv". Es war von Aktionismus die Rede. Welche Lehren hat man daraus gezogen? Wie lässt sich das verhindern?
Klaus Buchmüller
"Man hat einerseits eine Zertifizierung für Hilfsorganisationen, für große Erdbeben-Organisationen eingeführt bei der UN. Taheri ist eine dieser zertifizierten Einheiten, die sich an genaue Spielregeln halten. Es gibt eine sogenannte Search- and Rescue-Advisory-Group, also eine Beratungsgruppe der Search- and Rescue von der UN, also Erdbebenhilfe, mit der die großen Organisationen zusammen arbeiten und auf deren Regeln sich alle berufen. Es werden aber auch von Seiten der Geldgeber immer mehr Erkundungsergebnisse abgewartet, um eben möglichst eine konsolidierte Hilfe in Angriff nehmen zu können."
Die Hilfsorganisationen sind vorbereitet auf Katastrophen, auf Katastrophenhilfe; sind sie denn auch vorbereitet auf ein möglicherweise unsicheres Umfeld. Haiti ist ein failed State – ein zerrütteter Staat.
Klaus Buchmüller
"Das ist richtig. Die Hilfsorganisationen, die zertifiziert sind und auch die sich der Guidelines unterwerfen, sind auch in Sicherheitsfragen geschult. Es gibt einerseits Schulungen, die man eben auf internationaler Ebene macht, auch das THW führt Sicherheitsschulungen für unsere Mitarbeiter durch, gerade für solche Krisengebiete."
Wir das ein besonders schwieriger Einsatz jetzt werden, Herr Buchmüller?
Klaus Buchmüller
"Das kann ich noch nicht absehen. Ich denke, das ist nicht ein Einsatz wie jeder andere. Wir wissen, das ist ein failed state; die Lage ist noch unklar, dass wir das genau bewerten können. Unsere Kräfte sind aber vielfältig erprobt in verschiedensten Einsätzen; ich denk, dass wir das meistern werden und dass das Ganze zu einem guten Ende gebracht werden kann."
Ganz kurz: wie viele Leute von Ihnen sind unterwegs?
Klaus Buchmüller
"Derzeit vier in der Luft mit Flugzeugen und weitere zehn werden morgen in die Flugzeuge steigen."
Das war Klaus Buchmüller, der Einsatzleiter des Technischen Hilfswerks.
Haben Sie vielen Dank nach Bonn.
Und das war unser Hintergrund an diesem Mittwoch Abend – die Kollegen des Zeitfunks halten Sie in den aktuellen Sendungen natürlich auf dem Laufenden: um 23:10 Uhr in der Sendung Das war der Tag – und natürlich morgen früh in unseren Informationen am Morgen, um 6:50 Uhr mit einem Interview mit Haitis Botschafter in Berlin, Jean-Robert Saget.Ihnen und uns einen angenehmen Abend.