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Katastrophen-Kino
Seuchenfilme beliebt wie nie

Wer auf Katastrophenbilder steht, muss sich nur die Nachrichten anschauen - doch vielen Menschen scheint das nicht zu reichen. Filme wie "Contagion" und "Outbreak" sind angesagt wie nie. Filmjournalistin Simone Schlosser erklärt, warum wir gerade jetzt so gerne Katastrophenfilme schauen.

Simone Schlosser im Gespräch mit Anja Buchmann |
Eine Frau küsst unbeschwert die Hände eines Mannes
Gwyneth Paltrow in "Contagion" von Steven Soderbergh (2011) (imago stock&people)
"Contagian" ist fast zehn Jahre alt, "Outbreak" ist sogar 25 Jahre alt. Trotzdem sind beide Filme seit einigen Tagen stark gefragt, werden zum Beispiel unter den Top-20 der deutschen iTunes-Charts gelistet. Warum sind fiktionale Katastrophen gerade jetzt so beliebt, wo es doch eine ganz reale Katastrophe gibt?
Fiktion als Hilfe im Alltag
Die Wiener Literaturwissenschaftlerin Eva Horn führt dies darauf zurück, wie wir grundsätzlich Medien rezipieren. Denn selten gehe es uns dabei wirklich um Ablenkung - meistens wählten wir Themen aus, die uns gerade beschäftigten. Ein anderes Beispiel für derzeit stark rezipierte Katastrophengeschichten ist der Roman "Die Pest" von Albert Camus, wie Simone Schlosser berichtete. Darin geht es um den Verlauf der Pestseuche in einer algerischen Stadt - und die gebundene Ausgabe sei aktuell ausverkauft.
Eva Horn: "Ich würde da nicht immer nur so eine Angstlust sehen, sondern die Leute wollen wirklich diese Filme sehen und sagen: Was könnte denn schlimmstenfalls passieren? Wie lang dauert das denn etwa? Was kann es denn noch an Maßnahmen geben? Welche Probleme könnten noch auftauchen? Ich glaube, dass diese Erzählungen in vieler Hinsicht auch uns helfen, diese Sache irgendwie zu verstehen und mit Sinn zu füllen."
Dafür eigne sich "Contagion" besonders gut, ergänzte Schlosser. Soderberghs Film erzähle fast dokumentarisch, wie eine Pandemie entstehe.
Aber dieses Beunruhigende ist nur ein Aspekt solcher Filme, so Schlosser, denn tatsächlich haben die immer auch etwas Positives - gerade Hollywood-Produktionen wie "Outbreak" oder "Contagian". Da gebe es eben immer eine Gruppe von Helden oder Heldinnen - und selbst wenn nicht alle überlebten, die wichtigsten schafften es meistens.
Eva Horn: "Das ist sozusagen die grundsätzlich tröstliche Struktur. Und dann gibt es natürlich auch diese ganzen Fantasien, zum Beispiel vom Zusammenrücken der Gesellschaft, von heldenhaften Leuten oder neuer Solidarität. Und auch das hat natürlich den Effekt zu sagen: Ja, es ist nicht alles nur schlecht, die Katastrophe ist furchtbar. Aber die Gesellschaft zeigt ihr freundliches Gesicht bei der Gelegenheit."