Deutschland muss in fünf Jahren „kriegstüchtig“ sein - das fordert Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Viele Milliarden Euro werden dafür bereitgestellt.
Zugleich fehlt es in Deutschland allerdings an Sirenen, um die Bevölkerung vor Gefahren zu warnen. Der Zivilschutz lag lange Zeit brach. Das soll sich ändern, könnte aber an den Finanzen scheitern.
Was sind Bevölkerungs-, Zivil- und Katastrophenschutz?
Bevölkerungsschutz ist ein Sammelbegriff, unter dem Zivil- und Katastrophenschutz zusammengefasst werden. Dabei gibt es unterschiedliche Zuständigkeiten.
Die Bundesländer sind in Deutschland für den Katastrophenschutz zuständig. Dazu gehören beispielsweise Alltagsgefahren wie Naturkatastrophen, erklärt Ralph Tiesler, Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).
Der Bund ist wiederum für den Schutz der Zivilbevölkerung im Kriegsfall zuständig - dem Extremfall des Bevölkerungsschutzes. Sirenen, um die Bevölkerungen zu warnen, fallen in den Bereich der Kommunen.
Was ist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe?
Das BBK gibt es seit Mai 2004, es gehört zum Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums. Seit 2022 ist Ralph Tiesler Präsident der Bundesbehörde mit ihren mehr als 500 Mitarbeitern. Das ehemalige Bundesamt für Zivilschutz war nach Ende des Kalten Kriegs aufgelöst worden. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und Elbe- und Oderflut fand dann ein Umdenken statt - das BBK wurde gegründet.
Doch die Zuständigkeiten der Behörde waren lange unscharf. Inzwischen wird die Arbeit des BBK bestimmt von Pandemiebewältigung, Naturkatastrophen, Gefahren durch große Industrie- oder Kraftwerksunfälle und terroristische Bedrohungen, etwa bei Großereignissen.
Kooperation mit der Bundeswehr
Das BBK arbeitet mit anderen Behörden und Institutionen zusammen - denn der Zivil- und Katastrophenschutz ist auf das Technische Hilfswerk (THW), Feuerwehren und Rettungsdienste, aber auch auf Freiwillige von Hilfsorganisationen angewiesen.
Ein anderer wichtiger Partner ist die Bundeswehr. Bisher galt: Reichen die zivilen Einsatzkräfte nicht aus, kommen Soldaten, um zu helfen: Sanitäter, Pioniere mit schwerem Gerät, Fernmelder und andere Einheiten.
Das wird künftig anders sein, unterstreicht BBK-Präsident Tiesler. Die Bundeswehr müsse sich jetzt auf die Bündnis- oder Landesverteidigung vorbereiten, betont er. Deswegen werden künftig die Kapazitäten für Katastrophenschutz und Zivilschutzaufgaben fehlen, vermutet Tiesler.
Wie steht es um den Bevölkerungsschutz in Deutschland?
Die finanzielle Ausstattung des Bevölkerungsschutzes ist, anders als bei der Bundeswehr, offen. Während für die Streitkräfte ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro bereitgestellt wurde, fehlen Mittel für den Katastrophen- und Zivilschutz.
Der Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Ralph Tiesler, sieht eine große Finanzierunglücke. Forderungen, den Bevölkerungsschutz mit mehr Mitteln auszustatten, gibt es schon seit Jahren.
Zehn Milliarden Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren wurden 2022 vom damaligen niedersächsischen Innenminister und heutigen Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorgeschlagen. Die Grünen fordern für den Zivilschutz zehn Milliarden Euro aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr.
Im Kalten Krieg war die Lage anders. Damals lagen in der DDR und in der Bundesrepublik umfangreiche Konzepte für den Ernstfall vor. Doch spätestens mit dem Ende des Kalten Krieges wurden Notreserven, Vorratshaltung und Einsatzfahrzeuge abgebaut. Das betrifft auch Systeme, die vor Gefahren warnen.
Fehlende Sirenen und geschlossene Bunker
Ein Teil des Warnsystems ist das Sirenennetz. Doch das hat Lücken und muss nach seiner Demontage am Ende des Kalten Krieges wiederaufgebaut werden.
Beispielhaft für die damit verbundenen Probleme ist die Lage in Berlin. Dort sollten bereits 2023 insgesamt 411 Sirenen in Betrieb sein. Doch auch 2024 sind es nur gut die Hälfte. Geplant sind derzeit 450 Sirenen im Berliner Stadtgebiet, eigentlich bräuchte es aber 580.
Ähnlich ist die Situation bei Schutzräumen, etwa Bunkern. Diese zu schließen wurde 2007 beschlossen, auch wegen der hohen Kosten, die für ihren Unterhalt anfallen.
Doch mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat ein Umdenken stattgefunden, beobachtet BBK-Präsident Tiesler. Nun werde überlegt, wie es mit den knapp 600 Schutzräumen weitergehen soll, in die im Notfall ungefähr eine halbe Million Menschen passen. Das BBK arbeitet zudem an einem Konzept, in dem es vor allem um die Stärkung schon vorhandener, massiver Bausubstanz wie U-Bahnschächte oder Parkhäuser geht.
Wie können sich Menschen auf den Ernstfall vorbereiten?
Für BBK-Präsident Ralph Tiesler steht fest: Was für den Katastrophenschutz gut ist, zahlt auch auf den Zivilschutz ein – und andersherum. Denn die Auswirkungen einer Naturkatastrophe, eines Industrieunfalls oder eines Krieges können ähnlich sein.
Fachleute raten davon ab, sich im Ernstfall zu sehr auf staatliche Hilfe zu verlassen. Denn die Möglichkeiten für staatliche Stellen, bei großen Katastrophen oder im Krieg zu helfen, sind beschränkt.
Deswegen ist es sinnvoll, selbst Vorsorge zu betreiben und etwa Vorräte mit Lebensmitteln und Medikamenten anzulegen. Das tun aber längst nicht alle. „Wir sind nicht ausreichend vorbereitet als Gesamtbevölkerung in Deutschland“, sagt Edith Wallmeier, Geschäftsführerin für Einsatzdienste und Bildung beim Arbeiter-Samariter-Bund.
In Kursen das Nötigste lernen
Sinnvoll sind auch EHSH-Kurse: Erste Hilfe mit Selbstschutzinhalten. Was darunter zu verstehen ist, beschreibt das BBK: „Ziel ist es, die praktische Fähigkeit der Bevölkerung zur Selbsthilfe und zur Fremdhilfe im Zivilschutzfall und in außergewöhnlichen Notlagen bis zum Eintreffen professioneller Hilfskräfte zu steigern und sie zu deren weiterer Unterstützung zu befähigen.“
Doch die Zukunft der EHSH-Kurse ist ungewiss. Ob es sie zukünftig weiterhin geben wird, hängt von der Haushaltslage des Bundes ab.
rzr