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Katholische Kirche
Die Kirche, das Angriffslustobjekt

Der Papst als Sau, Ordensmänner als Gesindel: Karikaturisten waren nie zimperlich, wenn es um den Klerus ging. In der Vergangenheit ging es keineswegs respektvoller zu als heute.

Von Alfried Schmitz |
    Der Karikaturist Thomas Plaßmann, aufgenommen bei der Arbeit in seinem Büro in Essen.
    Der Karikaturist Thomas Plaßmann (dpa / Franz-Peter Tschauner)
    Thomas Plassmann: "Da ist schon eine Menge, wo man reinpiksen kann. Sie bietet einfach eine Menge, an dem man sich abarbeiten kann. Aber das ist ja schon eine Frage, die über die Jahrhunderte geht. Das wird sich auch nicht so richtig ändern. Es ist eben ein großer Tanker, der nicht so schnell umsteuern kann. Da ist die Reibungsfläche natürlich erheblich größer, als bei einem kleinen, wendigen Schlauchboot."
    Bei diesem plastischen Vergleich zwischen katholischer und evangelischer Kirche hat man sofort ein Bild vor Augen, das eine von Plassmanns berühmten Karikaturen sein könnte. Der Zeichner, Jahrgang 1960, arbeitet regelmäßig für verschiedene renommierte Zeitungen und kommentiert auf graphische Art und Weise aktuelle Tagespolitik.
    "Und da ist es wirklich Wurscht, ob ich mich mit den letzten Äußerungen von Papst Franziskus auseinandersetze, mit der Regierungserklärung von Frau Merkel oder mit den letzten diffusen Äußerungen von Donald Trump. Man hat allerdings im Hinterkopf, dass man bei Fragen wie Religion, Kirche, Krankheit oder Tod, dass man es da mit einem Bereich zu tun hat, der viele Empfindlichkeiten birgt und wo es häufig auch zu Irritationen beim Betrachter kommt und zu Widerständen und Widersprüchen. Insofern unterscheidet es sich schon ein bisschen, weil es etwas sensibler zu handhaben ist und ein sensiblerer Bereich ist."
    Karikaturen als Gedankenanstoß
    Bei seiner professionellen satirischen Angriffslust sieht der Karikaturist Thomas Plassmann seine künstlerischen Grenzen dort, wo er mit seinen Zeichnungen die Würde eines Individuums oder einer Gesellschafts-Gruppe verletzen könnte.
    "Aber grundsätzlich bin ich durchaus bereit, das auch ein bisschen auszutesten. Wenn die Leute immer nur sagen würden: "Herr Plassmann, da haben Sie aber ein nettes Bildchen gemalt!", dann hat man den falschen Beruf gewählt. Karikatur ist immer auch Schärfe und der Versuch für Gespräche oder für Gedanken zu sorgen, die sonst nicht auftauchen würden. Das sehe ich als Teil meiner Arbeit an."
    Ein gefundenes Fressen für die Gilde der Karikaturisten waren vor drei Jahren die dubiosen Vorgänge im Bistum Limburg. Kurz nachdem der damals frisch gewählte Papst Franziskus die Katholiken über seine neue Linie von Bescheidenheit und Demut informiert hatte, sorgte der damalige Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst wegen angeblicher Verschwendungssucht für negative Schlagzeilen, die das Image der katholischen Kirche erheblich schädigten. Plassmann reagierte mit einer Karikatur, die Papst Franziskus zeigt, wie er in einem Garten, als Symbol für seine Reformen, kleine Pflänzchen in ein Blumenbeet einsetzt.
    "Und dann latscht ihm halt Tebartz-van Elst mitten durchs Beet und tritt seine kleinen Pflänzchen gleich wieder platt. Das war ja das Gefühl, das man hatte."
    Wichtig war für Thomas Plassmann auch die Bearbeitung des Themas Kindesmissbrauch. Er zeichnete einen Geistlichen, der sich seines Talars entledigt.
    "Und neben ihm auf der Bettkante sitzt ein schon halb entkleideter Messdiener. Und der Würdenträger sagt: "Mein lieber Junge, Du kennst ja die Gesetze der Heiligen Mutter Kirche!?" Und der Kleine antwortet: "Aha, also ohne Gummi!"."
    Satire verfehlt
    Als 2012 interne Informationen aus dem Vatikan nach außen gedrungen waren, was die so genannte "Vatileaks"-Affäre auslöste, zeigte das deutsche Satire-Magazin "Titanic" auf der Titelseite seiner Juli-Ausgabe Papst Benedikt XVI. als urinbefleckten inkontinenten Mann mit frohlockend ausgebreiteten Armen. Die Headline dazu lautete: "Halleluja im Vatikan – die undichte Stelle ist gefunden!"
    "Ich schätze die Kollegen der "Titanic" sehr, aber das fand ich persönlich eine satirische Darstellung, die ich nicht für mich in Anspruch nehmen würde, so etwas würde ich nicht machen. Ich fand das auch nicht besonders lustig und auch nicht aufklärerisch", sagt Plassmann.
    Dass sich an Glaube, Religion und Kirche die Geister scheiden und dass es schon seit langem angriffslustige Zeichner gibt, weiß der katholische Theologe Professor Manfred Becker-Huberti. "Angefangen hat das eigentlich im klassischen Rom, wo die Christen als fremde Gruppe auftraten. Dort gibt es eine schöne Karikatur, eine Ritzzeichnung in die Wand, wo jemand beschuldigt wird, Anhänger desjenigen zu sein, der da am Kreuz hängt. Und was hängt am Kreuz?! Ein Esel."
    Viele hundert Jahre später, kommt es während der Reformation zu einer wahren Hochzeit religiös motivierter Schmähzeichnungen. Durch den Buchdruck war es möglich geworden, die Gegenseite durch böse Zeichnungen zu diffamieren, die man auf Flugblättern unters Volk brachte. Der Vorteil dabei war, dass selbst ungebildete Schichten die gezeichneten Botschaften verstehen konnten. Ein besonders beliebtes Motiv war es, "den Papst als Sau darzustellen", so Becker-Huberti.
    Beleidigungen haben Tradition
    Den katholischen Klerus durch derbe Zeichnungen zu beleidigen, zog sich durch die Jahrhunderte und wurde auch gerne als politische Propaganda genutzt. 1648, nach der Teilung der Niederlande, tat sich der protestantische Norden durch ganz besonders phantasievolle Zeichnungen hervor, wie der katholische Theologie-Professor Becker-Huberti schildert:
    "Die relativ hohe Kunst, Bilder herzustellen, die einen Bischof darstellten. Und wenn ich das rumdrehe, war es ein Wildschwein. Das war künstlerisch sehr schön gemacht, vom Geschmack her nicht immer im Interesses des Bischofs, aber das war holländische Propaganda, die auf diese Weise betrieben wurde und Karikaturen dieser Form, habe ich im vatikanischen Geheimarchiv gefunden. Dort gibt es sie noch."
    In den Giftschränken des vatikanischen Geheimarchivs dürften sich ebenfalls jede Menge Karikaturen aus dem späten 19. Jahrhundert befinden. Als Papst Pius IX. 1870 das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit verkündete, sah sich wenige Monate später Reichkanzler Bismarck genötigt, gegen das Erstarken der katholischen Kirche im neu entstandenen Deutschen Reich vorzugehen. Es kam zwischen Rom und Berlin zu einem hart ausgefochtenen politischen Streit, der als Kulturkampf in die Geschichte einging. Kommentiert wurde das historische Ereignis von vielen anti-katholischen Karikaturen, die in verschiedenen Zeitschriften abgedruckt wurden.
    "Im Kulturkampf setzte die Zensur aus, weil der Staat ein Interesse daran hatte, dass diese Karikaturen gegen die Kirche erschienen. Die Kirche ihrerseits konnte diese Karikaturen nicht erwidern, weil da die Zensur einsetzte und man der Kirche das verbot."
    Eine der bekanntesten Kulturkampf-Karikaturen ist eine Zeichnung aus dem "Kladderadatsch". Darauf sieht man Bismarck und Papst Pius, wie sie auf einem Schachbrett die Figuren ziehen und ohne Rücksicht auf Verluste ihre Politik machen. Ein äußerst lohnendes Thema bot sich für die anti-katholisch eingestellten Karikaturisten 1872, als Bismarck im Zuge des Kulturkampfs den Orden der Jesuiten verbot.
    Becker-Huberti: "Die natürlich dargestellt werden, als ranke, schlanke Männer mit langen Soutanen und typischem Jesuitenhut, die heulend davonziehen und der Rest der Menschheit triumphiert darüber, dass man dieses Gesindel, wie man sie damals sah und bezeichnete, endlich los war." Allerdings nicht für immer. 1904 wurde das Jesuitengesetz gelockert und 1917 auf Drängen der katholische orientierten Zentrumspartei komplette abgeschafft. 2013 wurde ein Jesuit zum Papst gewählt.