Alle gläubigen polnischen Katholiken, die am kommenden Sonntag die Messe besuchen, werden eine klare politische Botschaft hören. Die Pastoren werden einen Brief der Bischofskonferenz verlesen, in dem es heißt: "Das Leben jedes Menschen muss von der Zeugung bis zum Tod geschützt werden." Mit anderen Worten: Abtreibung sollte in Polen verboten werden. Das ergebe sich aus dem fünften Gebot, so die Erklärung: "Du sollst nicht töten!"
Damit unterstützt die Kirche in Polen eine neue Gesetzesinitiative. Die "Stiftung Pro" möchte Unterschriften für ein Gesetz sammeln, das Abtreibung grundsätzlich verbieten soll - in enger Kooperation mit der Kirche, so Jacek Pawlak, einer der Initiatoren:
"Das geltende Gesetz zur Familienplanung und zum Schutz des menschlichen Embryos erlaubt es, ungeborene Kinder zu töten. Wie fordern dazu auf, unser Gesetzesprojekt zu unterstützen. Es liegt in Kirchengemeinden und anderswo aus."
Es gilt als sicher, dass die Initiative die nötigen 100.000 Unterschriften sammeln wird, um das Gesetz ins Parlament einzubringen.
Die Dunkelziffer bei Abtreibungen ist hoch
Schon heute hat Polen ein restriktives Abtreibungsrecht. Ärzte dürfen eine Schwangerschaft nur in drei Fällen abbrechen: wenn sie aus einer Vergewaltigung hervorgeht, wenn sie die Gesundheit der Mutter gefährdet oder wenn das Kind schwer behindert sein wird. Die Abtreibungsgegner wollen auch diese drei Ausnahmefälle streichen.
Für die rechtskonservative Regierungspartei PiS ist die Initiative unangenehm. Sie gibt sich zwar als katholische Partei. Die große Mehrheit der Polen jedoch und auch viele PiS-Wähler lehnen ein noch schärferes Abtreibungsrecht ab. Denn schon jetzt ist die Dunkelziffer bei Abtreibungen in Polen hoch.
Die Journalistin Renata Grochal von der liberalen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza":
"Die PiS ist in deshalb dieser Frage gespalten. Nur etwa 20 Prozent der Abgeordneten unterstützen derzeit ein generelles Abtreibungsverbot. Das sind diejenigen, die mit dem nationalkatholischen Sender Radio Maryja verbunden sind. Weitere 20 Prozent wollen das Thema auf keinen Fall anrühren. Auch Parteichef Jaroslaw Kaczynski hat sich schon vor zehn Jahren dagegen ausgesprochen, so ein Verbot in der Verfassung zu verankern."
Führende Geistliche wettern gegen die Opposition
Aber der Druck der katholischen Kirche bringt die Regierungspartei in Zugzwang. Viele Bischöfe unterstützten die Rechtskonservativen schon im Wahlkampf im vergangenen Herbst. Noch deutlicher positionieren sich führende Geistliche im gegenwärtigen politischen Streit. So Erzbischof Jozef Michalik in seiner Predigt zu Ostern. Er rückte die polnische Opposition in die Nähe von Landesverrätern, weil sie die Regierung auch auf EU-Ebene anprangert:
"Sie klagen Polen an. Sie stacheln fremde Nationen zum Hass gegenüber den Polen an. Nur weil diese es gewagt haben, nicht sie, sondern andere zu wählen."
Ein weiterer Erzbischof griff in einer Predigt vor kurzem Adam Michnik an, den Chefredakteur der Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" und einen der schärfsten Kritiker der Regierung an. Michnik habe verhindert, dass sich Polen nach der demokratischen Wende vor 26 Jahren an der Formel "Gott-Ehre-Vaterland" orientiert habe, so der Geistliche.
Szydlo: "Jeder wird sich nach seinem eigenen Gewissen richten"
Für diese Unterstützung fordere die Kirche nun ihre Dividende, so sehen es Beobachter. Die Regierung hat sich offenbar noch nicht entschieden, wie sie darauf reagieren soll. Ministerpräsidentin Beata Szydlo sagte gestern in einem Radiointerview:
"Wenn die Bürgerinitiative ihr Projekt ins Parlament einbringt, dann werden wir mit ihm arbeiten, wir respektieren die Meinung der Bürger. Ich persönlich unterstütze die Initiative, aber in Gewissensfragen haben wir noch nie auf Fraktionsdisziplin bestanden. Jeder wird sich nach seinem eigenen Gewissen richten."
Auch in anderen Fragen macht die Kirche Druck. So fordert sie, Religion müsse an den Schulen zum Abiturfach werden. Die Bildungsministerin kündigte bereits an, sich dafür einzusetzen.
Zumindest in einem Punkt ist die Regierung der Kirche schon ganz entschieden entgegengekommen. Sie plant, den Handel mit Ackerland stark zu beschränken - um, so heißt es - ausländische Agrar-Konzerne von Polen fernzuhalten. Für die katholische Kirche und andere Glaubensgemeinschaften jedoch sollen diese Beschränkungen nicht gelten.