Archiv

Katholische Kirche und orthodoxe Rabbiner
Nein zur Judenmission

In zwei Dokumenten klären orthodoxe Rabbiner und der Vatikan die Beziehungen zwischen Christentum und Judentum. In einem vom Vatikan in dieser Woche veröffentlichten Papier verzichtet die katholische Kirche ausdrücklich auf jeden Versuch, Juden zum Christentum zu bekehren. Die Rabbiner erkennen ihrerseits an, dass das Christentum "kein Zufall und kein Unfall" der Heilsgeschichte war.

Von Tilmann Kleinjung |
    Papst Franziskus umarmt bei seinem Jerusalem-Besuch im Mai 2014 Freunde aus Argentinien: den Rabbi Abraham Skorka (2-L) und den argentinischen Scheich Omar Abboud (R). Ganz links der Rabbi der Klagemauer, Shmuel Rabinovitz.
    Papst Franziskus bei seinem Jerusalem-Besuch im Mai 2014 (picture alliance / dpa / Jim Hollander)
    Judentum und Christentum - das ist eine komplexe Beziehungsgeschichte. Voller Missverständnisse und Fehlurteile. Und immer mit einer geschichtlichen Hypothek: Über Jahrhunderte hat die Kirche Antisemitismus toleriert, gefördert, betrieben. Erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil beginnt eine umfassende Aussöhnung mit dem Judentum. Das war vor 50 Jahren. Eine Zeitenwende, die die vatikanische "Kommission für die Religiösen Beziehungen zum Judentum" mit einem eigenen Text würdigt. Pater Norbert Hofmann ist Sekretär dieser Kommission.
    "Natürlich ist die Schoah ein Thema im Dialog mit dem Judentum. Natürlich ist der Antisemitismus ein Thema. Den gibt es ja immer noch, den muss man bekämpfen. Im Dokument sind die gemeinsamen Ziele unseres Dialogs aufgeführt. Und da wird auch die Bekämpfung des Antisemitismus genannt."
    An einem – besonders sensiblen – Punkt geht das neue vatikanische Dokument noch einmal über die Erklärungen des Konzils hinaus. Können Christen Juden bekehren? Die Evangelische Kirche in Deutschland will bis 2017 ihre Haltung zur umstrittenen Judenmission klären. Der Vatikan stellt bereits heute fest, dass "die katholische Kirche keine spezifische Missionsarbeit, die auf Juden gerichtet ist, kennt und unterstützt." Pater Norbert Hofmann:
    "Dieses Dokument bringt insofern auch neue Perspektiven, als es sagt: Die Juden sind gerettet, ohne an Jesus Christus als den Sohn Gottes und den Messias Israels zu glauben. Und das liegt im Heilsratschluss Gottes, das zu bewerkstelligen."
    Karfreitagsfürbitte belastet weiterhin das Verhältnis von Vatikan und Judentum
    Bleibt die Frage, warum die katholische Kirche am Karfreitag im außerordentlichen lateinischen Ritus immer noch für die Bekehrung der Juden bittet: "Pro conversione Judaeorum". 2007 hatte Benedikt diesen Ritus in Ausnahmefällen wieder für zulässig erklärt. Der Streit um die Karfreitagsfürbitte belastet den jüdisch-katholischen Dialog bis heute. Bei einer Pressekonferenz im Vatikan sah Rabbiner David Rosen vom American Jewish Committee einen Widerspruch zwischen dem Verzicht auf jede Judenmission und der lateinischen Fürbitte am Karfreitag.
    "Das Problem ist: Solange die Überschrift 'für die Bekehrung der Juden' bleibt und nicht korrigiert wird, darf man sich nicht wundern, wenn das von den allermeisten Menschen falsch verstanden wird."
    Es spricht für die Qualität der jüdisch-katholischen Beziehungen, dass sie den offenen Streit um die Karfreitagsfürbitte aushalten und nicht in alte Verhaltensmuster zurückfallen. Geradezu revolutionär ist die Erklärung, die gerade 25 orthodoxe Rabbiner veröffentlicht haben. Darin wird das Christentum als Gottes Wille und Geschenk wertgeschätzt. Eine zumindest überraschende Aussage: Für Christen ist Jesus der im Alten Testament verheißene Messias, für Juden ist er es nicht. Rabbiner Rosen:
    "Unsere Partnerschaft verharmlost die bestehenden Unterschiede zwischen den beiden Religionen nicht. Und wir müssen diese Unterschiede respektieren. Aber wir haben eine gemeinsame Mission für die Menschheit. Und darum geht es in diesem Dokument, das man durchaus auch als Antwort auf die bemerkenswerte Arbeit der vatikanischen Kommission verstehen darf."
    Große Texte reichen nicht
    Doch Rabbiner Rosen warnt davor, allzu sehr in die Macht des geschriebenen Wortes zu vertrauen. "Die Leute lesen das nicht", sagt er nüchtern. Und deshalb seien große Gesten mindestens genauso wichtig wie große Texte. Zum Beispiel 1986: Johannes Paul II. in der Großen Synagoge von Rom - der erste Besuch eines Papstes in einer Synagoge. Daran will auch Papst Franziskus anknüpfen. Er besucht im Januar die Synagoge auf der anderen Seite des Tibers.
    "Wir sollten wirklich nicht geringschätzen, was wir erreicht haben. Der Besuch des Papstes in Israel und der bevorstehende Besuch im Januar in der Synagoge sind sehr starke Zeichen einer veränderten Beziehung, stärker als jedes Dokument."