Eine kräftige Frau im dicken Arbeitsoverall kniet am Fuße des Förderturms. In der Hand die Hacke, neben sich einen Eimer. Auf dem Gelände drumherum stehen moderne, kubusförmige Glasgebäude neben roten, renovierten Backsteinhallen. Das alte Bergwerk "Katowice" ist heute das neue "Schlesische Museum".
"Ich komme aus der Ukraine", sagt Irina. Und reißt noch ein Unkrautbüschel aus der Erde. Sie arbeitet jetzt hier im alten Kohlerevier, weil niemand anders den Gärtnerjob machen will.
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Kohlerevier Schlesien - Dicke Luft und schwarzes Gold".
Gut gelaunt kommen drei ältere Männer den Weg entlang. In Daunenjacken und Schirmmützen.
"Jeden Morgen drehen wir dieselbe Runde", erzählen die Rentner. Vorbei am neuen Kongresszentrum, dem neuangelegten Park, der neugebauten Philharmonie – und dem alten Bergwerk. Ihrem früheren Arbeitsplatz. Wie fast jeden Wintertag liegt ein Grauschleier über der schlesischen Metropole Katowice.
"Wir haben alle hier in der Zeche gearbeitet", sagt der Kleinste der drei Männer. Er ist mit 85 Jahren auch der Älteste. "Du hast so hart malocht, dass unser Bergwerk dichtgemacht werden musste", witzelt sein Kollege. "Ja, ja" spottet der Dritte: "Und dabei so viel Kohle rausgeholt, dass sie immer noch auf Halde liegt".
"Wir haben alle hier in der Zeche gearbeitet", sagt der Kleinste der drei Männer. Er ist mit 85 Jahren auch der Älteste. "Du hast so hart malocht, dass unser Bergwerk dichtgemacht werden musste", witzelt sein Kollege. "Ja, ja" spottet der Dritte: "Und dabei so viel Kohle rausgeholt, dass sie immer noch auf Halde liegt".
Scherzend schlendern sie auf ihrem Rundgang weiter. 25 Jahre und mehr haben sie unter der Erde gearbeitet. In der schlesischen Metropole Katowice, der Kohle- und Stahlstadt mit 300.000 Einwohnern. Polens "schwarzes Herz" wird die Region auch genannt.
Weg von der Bergbau- und Schwerindustrie
Wenige Kilometer weiter, im imposanten Verwaltungsgebäude der Woiwodschaft "Schlesien", bittet Izabela Domagala in ihrem großen Büro an den Besprechungstisch.
"Ich bin für die Koordination öffentlicher Investitionen in Schlesien zuständig", sagt die 41-Jährige. Für Mittel aus dem Europäischen Sozialfond etwa. Für nationale Strukturhilfen. Auch um Umweltschutz-Programme kümmert sich Domagala.
"Gerade verändert sich das Profil Schlesiens: weg von der Bergbau- und Schwerindustrie hin zu Dienstleistungen, Medizintechnik und Automobil-Produktion. Dieser Wandel unterscheidet uns hier vom Rest Polens."
Wirtschaft boomt trotz Zechenstilllegung
Eine 4,5-Millionen-Einwohner Region im wirtschaftlichen Wandel. In den letzten 30 Jahren wurden Dutzende Zechen geschlossen. Dem wirtschaftlichen Aufschwung der Region hat das nicht geschadet.
"Zehntausende Menschen arbeiten heute noch in der Bergbau-Industrie. Aber wenn eine Zeche geschlossen wird, finden die Leute woanders Arbeit. Ich bin froh, sagen zu können: Es gibt keine Arbeitslosigkeit in Schlesien. Die Arbeitslosenquote liegt so niedrig, sie existiert eigentlich gar nicht."
Die Wirtschaft in der Region boomt. Trotz der Zechenstilllegungen. Allerorten fehlen Arbeitskräfte. Wie viele Bergleute zurzeit noch unter Tage arbeiten? Domagala zuckt mit den Schultern. Geht zu ihrem großen Schreibtisch. Greift zu einer dünnen Studie.
Nein, auch dort stehen keine exakten Zahlen. Einige Zehntausend Bergleute werden es sein, schätzt sie. Knapp 20 Steinkohlebergwerke sind noch in Betrieb. Die Studie ist ein Strategiepapier. Für die Verhandlungen mit der Europäischen Union. Beim EU-Gipfel, Mitte Dezember, war Polen das einzige Land, das die Vereinbarungen zur Klimaneutralität bis 2050 nicht mittrug. Zu groß sei die Abhängigkeit von der Kohle, so die Begründung.
Nein, auch dort stehen keine exakten Zahlen. Einige Zehntausend Bergleute werden es sein, schätzt sie. Knapp 20 Steinkohlebergwerke sind noch in Betrieb. Die Studie ist ein Strategiepapier. Für die Verhandlungen mit der Europäischen Union. Beim EU-Gipfel, Mitte Dezember, war Polen das einzige Land, das die Vereinbarungen zur Klimaneutralität bis 2050 nicht mittrug. Zu groß sei die Abhängigkeit von der Kohle, so die Begründung.
"Wir sind sehr vorsichtig, wenn es um den Gebrauch des Wortes 'Dekarbonisierung' geht. "Dekarbonisierung" ist ein Prozess, der funktioniert nicht innerhalb eines Jahres. Das alles braucht seine Vorbereitung. Und seine Zeit. Natürlich versuchen wir einen Wechsel von der Kohle zu erneuerbaren Energien zu vollziehen . Wir sprechen hier von 'blauer' und 'grüner' Energie. Aber das ist ein Prozess, der sehr viel Zeit erfordert."
Miserable Luftqualität und Smog-Alarm
80 Prozent seines Stroms produziert Polen heute noch in Kohlekraftwerken. Für eine – Zitat – "gerechte Energiewende" fordert das Land nun zusätzliche Unterstützung. Beim nächsten EU-Gipfel im Juni soll weiterverhandelt werden. Das sich in Zukunft durch steigende CO2-Abgaben der Kohlestrom verteuern wird, das wissen alle hier.
Während in Brüssel gepokert wird, steigt jedoch in Polen unablässig der politische Druck von innen. Die miserable Luftqualität, der alltägliche Smog-Alarm, mobilisiert immer mehr Bürger und Kommunen. Und das unabhängig von politischen Präferenzen.
"In unserer Region haben viele Menschen großes Verständnis für die Kohleindustrie und den Bergbau. Aber es gibt auch sehr viele Gegner. Vor allem, weil Schlesien so stark unter dem Smog leidet. Wir hoffen, dass da wir einen Kompromiss finden, damit wir den Wandel auch richtig hinbekommen. Für unsere Region. Und für Polen."
Das Rentnertrio ist mittlerweile auf seinem Rundgang im Bogucice Park angekommen.
"Schlesien hat nach dem Krieg ganz Polen aufgebaut", sagt der Älteste. "Und heute sind wir allen egal". Seine beiden Kollegen nicken. Ihre alte Zeche liegt hinter ihnen. Vor ihnen glitzern neue Outdoor-Sportgeräte. Finanziert mit Unterstützung der Europäischen Union.