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Kaufprämie für Elektroautos
"Subvention könnte ein Strohfeuer auslösen"

Beim Automobilgipfel im Kanzleramt ist auch eine Kaufprämie für Elektroautos im Gespräch, die der krankenden Elektromobilitätsbranche Auftrieb geben soll. Der Automobilexperte Stefan Bratzel hält eine Subvention zum derzeitigen Zeitpunkt für falsch. Stattdessen müssten die deutschen Autokonzerne ihre Technologien und Angebote verbessern, sagte er im DLF.

Stefan Bratzel im Gespräch mit Peter Kapern |
    Ein Autofahrer steckt einen Ladestecker einer E-Mobilität-Zapfsäule in ein batteriebetriebenes Fahrzeug.
    Ein Autofahrer steckt einen Ladestecker einer E-Mobilität-Zapfsäule in ein batteriebetriebenes Fahrzeug. (dpa / Friso Gentsch)
    Peter Kapern: Greenwashing bezeichnet den Versuch von Unternehmen, durch Marketing und PR-Maßnahmen ein grünes Image zu erlangen. So die gekürzte Definition, die im Gabler-Wirtschaftslexikon steht. Keine Unternehmensgruppe hat dieses Greenwashing derzeit nötiger als die Automobilindustrie, von der wir wissen, dass sie Millionen und Abermillionen von Fahrzeugen mit gefälschten oder geschönten Abgaswerten verkauft hat. Da kommt die Elektromobilitätsinitiative gerade recht. Sie bietet die Möglichkeit, saubere Autos für eine nicht allzu ferne Zukunft zu versprechen. Und noch besser ist es, wenn andere, die Steuerzahler nämlich, für die Umsetzung des Versprechens zahlen: mit Kaufprämien für Elektroautos aus der Steuerkasse des Staates. Besiegelt werden könnte das Ganze heute Abend im Kanzleramt beim Automobilgipfel. Mal schauen, wer von den dorthin Eingeladenen auf dem Fahrrad dort hinkommt. Manchmal, da tauchen auf unseren Computermonitoren Meldungen auf, denen mag man gar nicht trauen. Diese hier zum Beispiel kam heute Morgen um 8:02 Uhr von der Deutschen Presseagentur. Sie lautet: Volkswagen überholt Toyota beim Autoabsatz und ist damit im ersten Quartal 2016 wieder größter Autoproduzent der Welt. - Wie bitte? Ausgerechnet VW, der Weltkonzern, der am eigenen Betrug mit den Abgaswerten gerade noch zu zerbrechen drohte, der Milliarden und Abermilliarden für Entschädigungen und Anwaltshonorare aufbringen muss und der weltweit gerade das hässliche Gesicht des deutschen Erfindergeistes darstellt? Ja genau! Dieser VW-Konzern ist gerade wieder die Nummer eins wegen guter Geschäfte in China und eines Fabrikbrandes bei Toyota. Und noch eine gute Nachricht für VW, ebenfalls für dessen Ex-Chef Martin Winterkorn: Er soll wirklich nichts vom Abgasbetrug gewusst haben, wie Kollegen vom NDR und vom WDR recherchiert haben. Bei uns am Telefon ist Stefan Bratzel, Fachmann für die Automobilwirtschaft an der Fachhochschule in Bergisch Gladbach. Guten Tag, Herr Bratzel.
    Stefan Bratzel: Schönen guten Tag, Herr Kapern!
    "Winterkorn hätte davon wissen müssen"
    Kapern: Herr Winterkorn hat nichts gewusst. Sagen Sie jetzt, davon bin ich immer ausgegangen?
    Bratzel: Nein. Ob er persönlich nichts gewusst hat, ist eigentlich fast schon zweitrangig. Der Punkt ist, er hätte davon wissen müssen, und die Strukturen müssen so angelegt sein, damit erst mal kein Betrug zustande kommt und wenn etwas Betrügerisches passiert, dann muss das ans Licht kommen. Über so viele Jahre kann es ja nicht sein, dass das so viele Leute einfach unter einem Deckel der Verschwiegenheit halten konnten.
    Kapern: Aber richtig gute Unternehmensvorstände zeichnen sich vielleicht dadurch aus, dass sie bestimmte Dinge einfach nicht erfahren.
    Bratzel: Kann man vielleicht so sehen. Ich würde es anders sehen. Vielleicht wurde er geschützt von bestimmten Abteilungen, dass er davon nichts erfährt. Aber er ist ja Techniker. Im Prinzip war eigentlich klar: Wie hat denn Volkswagen das geschafft, mit so einfachen Maßnahmen die Abgasgrenzwerte in Amerika einzuhalten? Das haben sich doch viele Wettbewerber gefragt. Im Motoren-Kolloquium in Wien - das ist sozusagen die Hofburg der Motorenentwickler - hat man das vorgestellt und man kann sich nicht vorstellen, dass man im oberen Management nicht mal genau nachgefragt hat, wie habt ihr das denn genau erreicht.
    "Automobilindustrie tut sich keinen Gefallen mit einer Subvention"
    Kapern: Herr Bratzel, schauen wir auf das zweite Thema. Ich denke, die VW-Affäre wird uns noch lange beschäftigen und wir werden hier auch noch manches Mal darüber sprechen können. Aber jetzt schauen wir mal auf diesen Autogipfel heute Abend im Kanzleramt, den E-Mobilitätsgipfel. Da geht es um die Kaufprämie für Elektroautos. Wenn man da mal alles zusammenträgt, was es da an Steuersubventionen für diese Branche gibt und gab, von der Verschrottungsprämie über das Dienstwagenprivileg bis hin zur neuen Kaufprämie, dann muss man sich doch fragen: Ist die Autoindustrie eigentlich so was wie die Montanindustrie 2.0? Die ist ja auch mit irrwitzigen Milliarden-Summen gepampert worden und dann doch weggestorben.
    Bratzel: Ja, das ist ein interessanter Vergleich. Aber im Grundsatz haben Sie natürlich Recht. Ich glaube, dass sich die Automobilindustrie im Moment keinen richtigen Gefallen daran tut, Subventionen für eine Technologie zu fordern. Ich meine, der Hintergrund ist doch folgender: Woran krankt eigentlich die Elektromobilität? Ist es wirklich ein Nachfrageproblem, das man durch Subventionen beheben kann, oder haben wir nicht vielmehr ein Angebots- und Technologieproblem? Ich würde eher sagen letzteres. Wir haben im Moment noch keine Elektrofahrzeuge, die es im Wettbewerb mit Benzinern beispielsweise aufnehmen können, und das ist das zentrale Problem und das wird man auch nicht durch eine Subvention hinbekommen.
    Kapern: Dann müssen aber doch, Herr Bratzel, all die Hunderttausende von Leuten, die gerade bei Tesla einen Kaufvertrag für ein Auto unterschrieben haben, das sie noch nie gesehen haben, ziemlich dämlich sein, oder?
    Bratzel: Ja. Tesla ist, wenn man so will, eine Ausnahme. Der Tesla-Fall ist sehr interessant, weil er ja technologisch das Reichweitenproblem gelöst hat über eine Vielzahl von Batterien, die in dem Auto zusammengeschlossen sind. Und er hat auch eine eigene Schnelllade-Infrastruktur aufgebaut. Die Autos sind zwar noch relativ teuer und Tesla verdient kein Geld, aber damit hat er eine große Begehrlichkeit erzeugt und die Fahrzeuge, die wir im Moment in Deutschland und anderswo zu kaufen haben jenseits von Tesla, haben eine durchschnittliche Reichweite in einer Größenordnung von vielleicht 160 Kilometern. Real sind es dann doch nur 100, 120, die man fahren kann, ohne vor Reichweitenangst im Sitz zu versinken.
    "Von dieser Prämie werden eher die Besserverdienenden profitieren"
    Kapern: Dann könnte man natürlich auch zu dem Schluss kommen, dass diese Kaufprämie nichts anderes ist als ein Versuch, die Tatsache zu reparieren, dass deutsche Autounternehmen, deutsche Ingenieure bei der E-Mobilität die wirklich interessanten Technologien verpennt haben.
    Bratzel: Soweit würde ich nicht gehen. Aber ich glaube, man muss das Thema zurückspielen auch an die deutschen Konzerne, die Fahrzeuge auf die Straße bringen müssen, die es technologisch aufnehmen können mit auch den Verbrennern. Die müssen eine Begehrlichkeit auch hinbekommen von sich heraus, technologisch heraus und nicht erst durch die Subvention. Eine Riesengefahr ist ja, dass durch diese Subvention einfach jetzt ein Strohfeuer ausgelöst wird. Der eine oder andere wird diese 3.000 oder 5000 Euro, die es vielleicht sein werden, dann in Kauf nehmen, der ohnehin ein Elektrofahrzeug als Zweit- oder Drittwagen gekauft hätte. Hinzu kommt ja noch, dass von dieser Prämie eher die Besserverdienenden profitieren werden, die sich so einen zweit- oder Drittwagen leisten können und eine Garage mit Stromanschluss haben. Den braucht es nämlich. Sonst macht ein Elektroauto keinen Sinn.
    Kapern: Kann man mit dieser Kaufprämie denn auch die Infrastruktur auf die Beine bringen? Der Elektroanschluss in der Garage ist ja nicht die einzige Möglichkeit, ein Auto aufzuladen.
    Bratzel: Ja! Das wäre eine sehr viel bessere Art und das Geld wäre sehr viel besser angelegt, wenn man mit staatlicher Subvention eine Schnelllade-Infrastruktur aufbauen würde. Da krankt es ja sehr stark daran, dass die nicht besteht, und das wäre gut angelegtes Geld. Es gibt ja im Moment kein Geschäftsmodell für das Betreiben einer Schnelllade-Infrastruktur und wenn Sie mit den Energieversorgern reden, dann sagen die, na ja, das interessiert uns im Moment nicht, da verlieren wir ja nur Geld. Insofern: Da kann man staatlicherseits mit einspringen, aber aus meiner Sicht auch unter der Mitwirkung von der Autoindustrie, unter der Mitwirkung auch von Energieversorgern.
    "Wasserstoff ist eine sehr viel längerfristigere technologische Perspektive"
    Kapern: Herr Bratzel, hier und da ist zu hören, dass Toyota - und das ist ja, wie soll man sagen, die Mutter aller Hybridfahrzeuge - mittlerweile viel stärker auf das Wasserstoffauto als auf den Hybridantrieb, also auf den Elektroantrieb setzt. Kann es sein, dass da heute Abend im Kanzleramt ein totes Pony gesattelt wird?
    Bratzel: Das glaube ich nicht. Das Thema Wasserstoff, Brennstoffzellenfahrzeuge ist zwar nicht vom Tisch, aber es ist doch eine sehr viel längerfristigere technologische Perspektive. Das Thema Elektroauto ist ein Thema, an dem viele Hersteller derzeit intensiv arbeiten, wo man die Infrastruktur-Problematik zwar auch hat, aber nicht in der Weise, wie eine Wasserstoff-Infrastruktur dann noch aufgebaut werden muss. Mittel- und langfristig, das ist auch klar, kann das Thema Brennstoffzelle aber auch eine technologische Alternative sein.
    Kapern: Versuchen wir doch mal einen Blick noch kurz in die Zukunft zu werfen, sagen wir mal ins Jahr 2025. Wenn ich mich dann mit meiner Enkelin an der Hand vielleicht umdrehe und hinter einem, ich weiß es nicht, VW-Golf mit Dieselmotor hinterherschaue, sage ich dann meiner Enkeltochter, guck mal, so war das früher und heute gibt es nur noch Elektroautos?
    Bratzel: Ich glaube, dass wir uns in diese Richtung entwickeln. 2025 ist vielleicht noch ein bisschen zu früh, aber in den 20er-Jahren, davon kann man ausgehen, gibt es eine große Chance, dass das Elektromobilitätsthema richtig an Fahrt gewinnt. Und dann in der Tat vielleicht im Jahr 2030 wird man sich fragen, Mensch, warum hat man nicht sehr viel früher auf das Thema Elektromobilität gesetzt.
    "Automobilindustrie muss sich auf die Hinterbeine setzen"
    Kapern: Und die großen deutschen Konzerne sind dann immer noch große Weltkonzerne?
    Bratzel: Die kämpfen im Moment nicht nur gegen Tesla, sondern auch gegen die Googles und Apples dieser Welt, die auch mit Angeboten in den nächsten Jahren auf den Markt kommen werden, auch mit Elektrofahrzeugen. Da wird es eher bunter auf der Welt und man muss sich jetzt vonseiten der Automobilindustrie auf die Hinterbeine setzen und ein bisschen mehr Fokus auf dieses Thema setzen. Sonst nehmen einem die neuen Wettbewerber den Schneid ab beziehungsweise die Butter vom Brot.
    Kapern: Stefan Bratzel, Fachmann für die Automobilwirtschaft von der Fachhochschule in Bergisch Gladbach. Herr Bratzel, danke, dass Sie heute Mittag Zeit für uns hatten.
    Bratzel: Ich danke Ihnen!
    Kapern: Schönen Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.