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Kaum Erfolgsaussichten bei neuen Zypern-Gesprächen

Die Gräben zwischen dem türkischen Norden und dem griechischen Süden auf Zypern sind so tief wie und je. Seit dem Einmarsch der türkischen Armee im Norden Zyperns 1974 hat es viele Versuche gegeben, diesen Konflikt zu lösen. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon startet heute in Genf eine neue Gesprächsrunde mit den Beteiligten.

Von Steffen Wurzel |
    Europa – ein Vorbild für die Überwindung von Teilung und Trennung? Ein Musterbeispiel für die Verwirklichung von Einheit in Vielfalt? Von wegen – man schaue nur nach Zypern. Die Insel ist immer noch geteilt, die Gräben zwischen dem türkischen Norden und dem griechischen Süden sind so tief wie und je. Seit 1974, seit dem Einmarsch der türkischen Armee im Norden Zyperns, hat es viele Versuche gegeben, diesen Konflikt zu lösen. Zuletzt scheiterte UNO-Generalsekretär Kofi Annan mit einem 9000 Seiten umfassenden Friedensplan – die Inselgriechen lehnten ihn vor sieben Jahren in einem Referendum ab und stießen damit nicht nur die Inseltürken vor den Kopf, sondern auch die griechische Regierung n Athen, die EU und die UNO: Sie alle hatten darauf gehofft, das Problem vor dem Beitritt Zyperns in die EU zu lösen – doch es kam anders: Zypern wurde zwar EU-Mitglied, blieb aber geteilt – mit der Folge, dass das EU-Recht nur im Süden Zyperns gilt. Seither gilt die Mittelmeerinsel als Symbol für das kollektive Scheitern der Staatengemeinschaft – und das wird wohl auch nach der Verhandlungsrunde so bleiben, die UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon heute in Genf angesetzt hat. Steffen Wurzel berichtet aus Istanbul.

    Seit nun drei Jahren verhandeln die Vertreter der beiden zyprischen Landesteile wieder über eine Vereinigung der Insel. Was man von beiden Seiten immer wieder hört, sind Aussagen wie: Wir verhandeln konstruktiv, wir machen uns gegenseitig Vorschläge und wir sind zuversichtlich. Doch das alles sind Worthülsen aus der Kategorie Diplomaten-Sprech. In der Realität sind die Verhandlungen zur Lösung des Zypernkonflikts festgefahren. Ein Durchbruch ist nicht in Sicht. Viele vor allem junge Zyprer scheinen sich mit der Situation abgefunden zu haben.

    "Ich glaube nicht an eine baldige Wiedervereinigung. Ich kenne weder die Sprache, noch die Religion und auch nicht die Sitten und Bräuche der anderen Seite. Unseren Enkelkindern wird ein gemeinsames Leben vielleicht wieder gelingen. Ich selber hätte gar nichts von einer Vereinigung mit dem Süden. Deswegen ist es mir eigentlich egal."

    So wie dem 20-jährigen Psychologiestudenten Nuri Göker aus dem türkischen, dem nördlichen Inselteil, geht es vielen Gleichaltrigen. Die Teilung Zyperns, die seit 37 Jahren andauert, ist für sie etwas ganz Normales. Sie kennen nichts anderes als die zwei Teile Zyperns: einen griechischen im Süden und einen türkischen im Norden.

    "Früher waren die jungen Leute die, die nach einer Wiedervereinigung gerufen haben. Heute ist es umgekehrt: Alte Leute, die sich an das friedliche Zusammenleben vor der Teilung erinnern, die sehnen sich inzwischen nach einem vereinigten Zypern."

    Georgios Iakovou, ehemaliger Außenminister der griechischen Republik Zypern. Inzwischen führt der 72-jährige Diplomat als engster Berater von Staatspräsident Dimitris Christofias die Wiedervereinigungsgespräche mit dem Norden.

    Das heutige Treffen in Genf unter dem Dach der Vereinten Nationen ist das dritte innerhalb weniger Monate. Die UNO ist bemüht, die Erwartungen bewusst niedrig zu halten. In einem vorab verbreiteten Statement heißt es schwammig, UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon rufe beide Seiten auf, so wörtlich, "das Treffen zu nutzen, um dem gemeinsamen Ziel näher zu kommen."

    Doch schon allein bei der Frage, wie dieses Ziel genau aussieht, ist man sich uneinig. Während die griechischen Zyprer einen Bundesstaat mit einer starken Zentralregierung anstreben, wünschen sich die Türken im Norden einen eher lockeren Staatenbund.

    Darüber hinaus gibt es zahlreiche ungeklärte weitere, vor allem wirtschaftliche, Probleme. So gibt es Streit um die Eigentumsrechte von Zyprern, die in den 70er-Jahren von einem Landesteil in den anderen flüchten mussten und nun ihre Grundstücke und Häuser zurückhaben wollen, die inzwischen längst von anderen bewohnt sind. Der griechische Süden pocht außerdem darauf, dass die Türkei ihre 40.000 Soldaten abzieht, die seit der türkischen Invasion Mitte der 70er-Jahre auf der Insel stationiert sind.

    Die Zypern-Gespräche sind festgefahren und es wäre ein Wunder, wenn sich daran mit dem heutigen Treffen in Genf etwas ändern würde. Beide Seiten schrecken bisher vor größeren Kompromissen zurück. Dieses diplomatische Geschacher dauert nun schon seit Jahrzehnten an. Georgios Iakovou erinnert sich an seine Zeit als zyprischer Botschafter in Bonn, Ende der 70er-Jahre war das.

    "Man glaubte damals, dass das Zypern-Problem nicht so bedeutend sei. Und dass eine Wiedervereinigung der Insel schneller vonstatten gehen würde als im Falle des geteilten Deutschlands. Ich dachte damals das Gegenteil: dass Deutschland zuerst wiedervereinigt würde. Ein Jammer, dass ich damals nicht gewettet habe, mein Tipp war richtig."