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Kauppert: Militärische Machtübernahme ist unwahrscheinlich

In Pakistan spreche zurzeit alles dafür, dass der demokratische Prozess beibehalten wird, sagt Philipp Kauppert, von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Islamabad. Auch das Militär habe seinen Kurs geändert. Die Bekämpfung der Taliban sei zur wichtigsten sicherheitspolitischen Aufgabe erklärt worden.

Philipp Kauppert im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Fast acht Jahre lang regierte er Pakistan mit harter Hand, Pervez Musharraf, und die meisten Pakistaner waren froh, als er im Jahr 2008 ins Exil ging. Vier, fünf Jahre lang war Musharraf wegen eines Haftbefehls eine Rückkehr in sein Heimatland verwehrt gewesen. Unter anderem wird ihm vorgeworfen, trotz entsprechender Warnungen nichts für die Sicherheit der ermordeten ehemaligen Premierministerin Benazir Bhutto unternommen zu haben. Dieser Haftbefehl aber wurde gegen Kaution ausgesetzt, gestern landete Musharraf unbehelligt in Karatschi.
    Darüber möchten wir jetzt sprechen mit Philipp Kauppert, er ist Leiter des Pakistan-Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Islamabad. Schönen guten Tag, Herr Kauppert!

    Philipp Kauppert: Guten Morgen! – Hallo!

    Heckmann: Guten Morgen. Herr Kauppert, steht Pervez Musharraf jetzt vor einem Comeback?

    Kauppert: Ja das ist natürlich die Frage, die sich auch in Pakistan viele Leute stellen. Aber die meisten Beobachter gehen momentan davon aus, dass Musharraf bestenfalls bei den Wahlen einige Sitze im Parlament mit seiner neu gegründeten Partei gewinnen kann, aber dass die Rückkehr auf die große Bühne momentan eher unwahrscheinlich erscheint.

    Heckmann: Woran liegt das?

    Kauppert: Das liegt auch daran, dass er sich natürlich wie alle anderen Parteien, wie alle anderen Politiker und einzelne Persönlichkeiten, die in den letzten Wochen und Monaten versucht haben, sich zu positionieren, dass er genau wie alle anderen sich eben Wahlen stellen muss und nicht wie beim letzten Mal über andere Mittel an die Macht kommen wird. Also ein Putsch oder eine militärische Machtübernahme scheint momentan ziemlich ausgeschlossen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das Militär das Interesse hätte, sich so hinter Musharraf zu stellen, wie sie das in der Vergangenheit getan haben, und so muss er eben auch wie alle anderen Parteien, wie alle anderen Politiker an den Wahlen teilnehmen, und dafür ist etwas mehr als nur eine schillernde Persönlichkeit notwendig und eine komplette Partei hat er momentan eigentlich noch nicht auf die Beine gestellt.

    Heckmann: Und was ist der Grund dafür, dass auch die Unterstützung in der Bevölkerung so wenig ausgeprägt ist wie in vergangenen Zeiten?

    Kauppert: Man kann jetzt nicht sagen, dass er komplett unbeliebt ist. Das Problem bei der aktuellen Regierung ist, dass die Zustimmungswerte für die aktuelle Regierung sehr, sehr niedrig sind. Die Wirtschaftskrise, allen voran aber auch die Energiekrise, also die zunehmende Stromknappheit, die zunehmende Gasknappheit, die gestiegenen Lebensmittelpreise und auch nicht zuletzt die schlechte Sicherheitslage in Pakistan haben dazu geführt, dass durchaus viele Leute sagen, unter Musharraf, unter anderen Regierungen, also auch anderen Militärregierungen sei die Lage deutlich besser gewesen. Dennoch kann es eigentlich als Zeichen der dazugewonnenen politischen Reife gelten, dass auch in Pakistan mittlerweile die Leute nicht mehr daran glauben, dass eine Person alles anders machen würde, sondern dass tatsächlich alle eigentlich glauben, es muss jetzt Wahlen geben und es muss auf demokratischem Wege eine neue Regierung gefunden werden und dementsprechend auch eine Partei mit einer dementsprechend demokratischen Struktur an die Macht kommen. Das ist eigentlich der Grund, weshalb die Zustimmung für eine Person Musharraf, der durchaus mit positiven Erinnerungen vielleicht belegt ist, aber insgesamt doch nicht so hoch ist, wie vielleicht manche Leute erwartet hätten.

    Heckmann: Sie haben es gerade eben gesagt, Herr Kauppert: Musharraf werden nicht allzu große Chancen zugerechnet bei den kommenden Wahlen, die dann jetzt im Mai stattfinden sollen. Dennoch: Wie groß ist die Gefahr, dass Musharraf neue Unruhe ins Land bringen könnte?

    Kauppert: Ja das ist ohnehin eine Befürchtung oder eine Diskussion, die es hier in Pakistan gibt, dass jetzt im Zuge der Vorbereitung der Wahlen die Sicherheitslage sich weiter zuspitzen würde, dass zum einen vielleicht Proteste auf den Straßen zunehmen könnten, wie das bereits im Januar war, als eine große Protestbewegung nach Islamabad gekommen war. Gestern gab es beispielsweise eine große Protestrallye in Lahore, wo mehrere Hunderttausend Menschen auf der Straße waren. Also diese Befürchtung ist durchaus berechtigt. Aber ich denke, es hängt jetzt nicht nur mit der Rückkehr Musharrafs zusammen, sondern mit der generell zugespitzten Sicherheitslage und dem Bestreben verschiedener Gruppen, sich dementsprechend zu positionieren, demokratischer, aber auch undemokratischer Gruppen wie beispielsweise der Taliban oder anderen extremistischen Kräften.

    Heckmann: Und genau die, die Taliban, haben ja angekündigt, wir werden Musharraf zur Hölle schicken. Wie ernst ist eine solche Ankündigung zu nehmen?

    Kauppert: Ich denke, das ist durchaus ernst zu nehmen. Wenn die Taliban das öffentlich sagen – und es gab ja ein Video, wo sie das mehrmals bekräftigt haben -, ist das durchaus eine Warnung, die Musharraf und auch das Militär wahrscheinlich sehr ernst nehmen würde. Dennoch hat er mehrmals öffentlich gesagt, das ist kein Grund, nicht nach Pakistan zu kommen. Auf der anderen Seite ist das natürlich auch ein Versuch der Taliban, sich zu positionieren für eventuelle Verhandlungen, die eventuell starten könnten, vielleicht noch vor den Wahlen. Es gab ein Verhandlungsangebot der pakistanischen Regierung, gestützt auf eine Parteienkonferenz mit allen Parteien, also ein Verhandlungsangebot, mit den Taliban gemeinsam Verhandlungen zum Waffenstillstand zu führen. Auf der anderen Seite erwarten jetzt alle durch die Ernennung der Übergangsregierung, die gestern ernannt wurde, dass diese Verhandlungen erst nach den Wahlen geführt werden würden.

    Heckmann: Im Umgang mit den Extremisten, Herr Kauppert, hat der Westen Musharraf ein doppeltes Spiel vorgeworfen. Wir haben es gerade eben im Beitrag von Kai Küstner auch noch mal gehört. Zurecht?

    Kauppert: Das ist natürlich die Frage, die Musharraf immer wieder gestellt wird und die eigentlich auch der aktuellen Regierung nach wie vor gestellt wird. Es wird immer wieder gesagt, dass die pakistanische Regierung zumindest eine ihm positive Regierung in Afghanistan wollte und deswegen auch in den 90er-Jahren schon, also noch vor dem sogenannten Krieg gegen den Terror, damals die Taliban in Afghanistan unterstützt hat. Aktuell ist, glaube ich, doch sehr zu bemerken oder wirklich wichtig hervorzuheben, dass der öffentliche Diskurs der Armee sich in Pakistan doch deutlich verändert hat. Zum einen haben sie sich mehrmals öffentlich zu einem demokratischen System bekannt und eben auch zu den Wahlen, die jetzt anstehen, und sie haben auch mehrmals öffentlich gesagt, vor allem der Chef der Armee hat öffentlich gesagt, dass die wichtigste Herausforderung momentan innerhalb Pakistans liegt. Also die wichtigste sicherheitspolitische Herausforderung ist eben die Bekämpfung der Taliban. Das war noch vor ein paar Jahren anders, als es vor allem immer wieder gegen die äußeren Feinde, allen voran Indien, aber auch zum Teil die afghanische Regierung und der Konflikt in der Grenzregion zwischen Afghanistan und Pakistan war.

    Heckmann: Am 11. Mai also sollen die Parlamentswahlen stattfinden. Es wäre der erste Übergang von einer demokratisch gewählten Regierung zur nächsten in der Geschichte des Landes. Ist die Demokratie also dabei, sich zu stabilisieren?

    Kauppert: Eine abschließende Bewertung kann natürlich erst nach den Wahlen gegeben werden. Dennoch spricht momentan eigentlich alles dafür, dass der demokratische Prozess insgesamt beibehalten wird und dass die Kultur, also auch die politische Kultur in Pakistan durchaus gereift ist. Die in Pakistan eigentlich wichtigere Nachricht des gestrigen Tages, also des Sonntags war, im Vergleich jetzt zum Westen war eigentlich die Benennung des Übergangs-Premierministers, der nun die Wahlen vorbereiten soll. Und dieser Prozess, dass er auch dementsprechend nominiert wurde, ist durchaus als positiv zu bewerten, und jetzt haben die Kandidaten bis zum 30. März Zeit, ihre Unterlagen für ihre Kandidierung bei den Wahlen einzureichen, und dann bleiben noch knapp drei Wochen bis zur Abhaltung der Wahlen am 11. Mai.

    Heckmann: Ganz kurz noch zum Schluss: Wie sicher sind Sie, dass Musharraf keine Rolle bei der Regierungsbildung dann anschließend spielen wird?

    Kauppert: Man kann das sicherlich nicht ganz ausschließen, vor allem vor dem Hintergrund, dass momentan eigentlich keine Partei bei den Wahlen eine absolute Mehrheit zu haben scheint. Es läuft alles darauf hinaus, dass es eine Koalitionsregierung geben muss bei den Wahlen. Musharrafs Partei wird bestenfalls an Position vier oder fünf geführt, allen voran die beiden größten Parteien. Die Oppositionspartei von Sharif scheint, momentan die stärksten Umfrageergebnisse zu haben. Aber eine weitere Frage ist natürlich auch, ob Imran Khan, der ehemalige Kricket-Star, der massive öffentliche Kampagnen in Pakistan momentan führt, eventuell an einer Regierung beteiligt werden könnte, und meine Einschätzung ist eher, dass er das Zünglein an der Waage spielen könnte und vielleicht einer der beiden großen Parteien die nötigen Stimmen für eine Mehrheit im Parlament geben könnte.

    Heckmann: Live aus Islamabad war das der Leiter des Pakistan-Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung, Philipp Kauppert. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Kauppert, und schönen Tag.

    Kauppert: Gerne!


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