Um die Riesenbrecher zu erforschen, haben Wissenschaftler aus mehreren europäischen Ländern ein EU-Projekt initiiert. Das Ziel von "MaxWave" ist eine verlässliche Monsterwellen-Vorhersage - und damit ein besserer Schutz für die Besatzungen von Bohrinseln und Schiffen. Dazu simulieren die Experten Mini-Kaventsmänner im Wellenkanal, entwickeln ein Seegangsradar für den Einsatz auf Schiffen und Plattformen und arbeiten an einem Satellitenfrühwarnsystem, das die Wellen vom All aus erkennt.
Am Nachmittag ist die Andrea Gail seeklar: Der Proviant und die Köderfische sind verstaut, Kraftstoff- und Wassertanks sind aufgefüllt, Reservefässer sind auf dem Walrückendeck festgezurrt, das Geschirr befindet sich in gutem Zustand, und die Maschine arbeitet einwandfrei. Jetzt brauchen sie nur noch auszulaufen. Okay, Jungs, sagt Billy. Das letzte Glas. Jeder stürzt seinen letzten Drink hinunter. Sechs Männer gehen für einen Monat auf See. Die halbe Mannschaft hat ein ungutes Gefühl bei dieser Fahrt, aber sie gehen trotzdem. Sie haben eine unsichtbare Linie überschritten, und jetzt könnte sie auch die schrecklichste Vorahnung nicht mehr retten. Tyne, Pierre, Sullivan, Moran, Murphy und Shatford werden mit der Andrea Gail auf die Grand Banks gehen.
Wir sehen es täglich an der Küste. Wenn man aufs Wasser kuckt, sieht man, wie der Wind die Wellen aufwirft. Das geht von kleinen Wellen zu immer größeren. Die entwickeln sich, werden länger in ihrer Wellenlänge und werden höher in ihrer Amplitude. Also ist der Wind der entscheidende Faktor, der die Kraft ins Wasser bringt, um dann Wellen entstehen zu lassen.
Wir sind immer wieder erstaunt, wie schnell es geht, dass die ersten Wellen kommen. Die ersten Wellen bis ein oder zwei Meter Höhe, das geht innerhalb einer halben Stunde. Um Wellenhöhen von sechs bis acht Meter zu erreichen, braucht es dann doch schon einige Stunden, so sechs Stunden. Das Zerfallen von Seegangsenergie geht relativ langsam. Wir haben Energiepäckchen, die über den halben Erdball wandern. Die in der Antarktis entstehen, dann über den Pazifik wandern und in Alaska gemessen werden.
Seit etwa 20 Jahren hat man objektive Messungen vor allem an den Ölplattformen. Und da sieht man, dass tatsächlich ab und an einzelne Wellen gibt, die herausfallen aus dem Geschehen.
An Ölplattformen hat man zwischen 25 und 30 Meter gemessen. Wir haben Berichte von Seefahrern von 35 Meter hohen Wellen. Und ich bin heute nicht mehr bereit, das in das Reich den Fabeln zu verweisen. (6:42) 35 bis 40 Meter sind erreichbar.
Monsterwellen, Freak Waves, Kaventsmänner. Seit Jahrhunderten erzählt man sich in Hafenkneipen und Seemannsheimen haarsträubende Geschichten. Geschichten von Wellen, groß wie Hochhäuser, die Schiffe verschlingen und mit Mann und Maus in die Tiefe reißen. Seemannsgarn, meinte die Wissenschaft lange Zeit. Doch mittlerweile nehmen Experten wie Wolfgang Rosenthal die Riesenwellen ernst, sehr ernst sogar. Rosenthal arbeitet am GKSS-Forschungszentrum Geesthacht in der Nähe von Hamburg.
Es sind in letzter Zeit zu viele große Schiffe, 200 Meter lange Containerschiffe, untergegangen. Sodass auch die Versicherungsgesellschaften und die TÜVs zur See, die Klassifikationsgesellschaften sagen: so geht das nicht weiter, und Druck dahinter setzen, dass man Forschung treibt und herausfindet: die Häufigkeit, mit der solche Wellen auftreten und dann die Vorhersagbarkeit.
"Oh Mensch, die wächst!” "Gerade eben noch. Wenn da jetzt noch eine hinterher käme, dann würden wir alt aussehen!” "Da sind welche bei, die sind 16 bis 18 Meter.”
Dort stehen Leute auf der Brücke, das sind gestandene Seeleute, die so was sehr selten in ihrem Leben sehen: Wenn man hier sieht, wie das Ding hochsteigt ...
In der Norwegensee gerät das Forschungsschiff Gauss in einen heftigen Orkan. Zwölf Meter hoch sind die Wellen im Durchschnitt. Die höchsten Berge aber türmen sich auf bis zu 18 Metern. Auch wenn den Seeleuten auf der Brücke der Atem stockt - Kaventsmänner sind das noch nicht. Erst wenn eine Welle doppelt so hoch ist wie der Durchschnitt, sprechen die Experten von einer Monsterwelle, einer Freak Wave. Bei schwerer See, einem mittleren Seegang von zwölf Metern, sind das 24 Meter.
Der Gauss bleibt die Begegnung mit einer Monsterwelle erspart – anderen Schiffen nicht. 1978, nördlich von den Azoren sinkt das Containerschiff München mit 28 Mann Besatzung, getroffen von einer Monsterwelle. 1984, in den Grand Banks vor Kanada, geht nach dem Einschlag einer Freak Wave eine Ölplattform unter. 2001, östlich von Argentinien, kommt auf das Kreuzfahrtschiff Bremen ein gewaltiger Brecher zu – geschätzte Höhe: 35 Meter. Die Wucht des Wassers schlägt ein Fenster auf der Brücke ein. Das Wasser schließt die Elektronik kurz, die Maschine setzt aus. Das Schiff treibt steuerlos im Sturm und legt sich quer zu den Wellen – eine höchst gefährliche Situation. Nach einer halben Stunde kann die Mannschaft den Hilfsdiesel starten. Die Bremen nimmt mit 137 Passagieren an Bord wieder Fahrt auf. Der Katastrophe entrinnt sie denkbar knapp.
Wir haben den Eindruck, dass die Monsterwellen durch den gesamten Sturm laufen, über Strecken von etwa 300 bis 500 Kilometern stabil sind, sodass ein Schiff dieser Welle sowohl in der Mitte als auch am Ende eines solchen Sturmes begegnen kann. Die Geschwindigkeit ist etwa 10 bis 15 Meter pro Sekunde, d.h. um die 36 bis 40 Stundenkilometer.
Drei Typen von Monsterwellen kennen die Experten wie Wolfgang Rosenthal. Kaventsmann, so heißt der erste.
Die einzelne unförmige Welle, die unförmig über die See rast mit relativ hohen Geschwindigkeiten, auch von der Richtung her etwas anders als der herrschende Seegang.
Dann hat man die weiße Wand. Die relativ steile Vorderflanke, an der man den Schaum herunterfließen sieht. Wenn Sie den Film gesehen haben "Der Sturm”, da fährt das Schiff in eine solche weiße Wand hinein.
Und dann die drei Schwestern. Das ist eine Wellengruppe von drei einzelnen Wellen, wo ein Schiff Schwierigkeiten hat, wenn es in das Tal fällt, den nötigen Auftrieb zu entwickeln, um den anschließenden Wellenberg emporzuklettern. Und wir haben Berichte, wo an der dritten Welle das Schiff den Auftrieb nicht mehr entwickelt, von dem Wasser überrollt wird und dann natürlich schwere Schäden davonträgt.
Diese Monsterwellen sollte es nach der gängigen Theorie alle 10.000 Jahre einmal geben. Man hat an den Ölplattformen solche Wellen viel öfter gemessen. Und jedes Mal haben die Sicherheitsingenieure das Problem zu erklären, weshalb die Wirklichkeit mit der Theorie nicht so gut übereinstimmt.
Wie häufig sind Monsterwellen? Wie hoch sind sie, in welchen Seegebieten treten sie besonders oft auf? Fragen, die die Fachleute nur zum Teil beantworten können.
Wir haben die Erfahrung, dass diese Freak Waves öfter auftreten als unsere bisherigen Theorien vorhersagen.
Um die Killerwellen zu erforschen, hat Rosenthal ein europäisches Forschungsprojekt initiiert. Der Name: MaxWave. Ein Ziel ist die Vorhersage der Monsterwellen - und damit ein besserer Schutz für die Besatzungen von Bohrinseln und Schiffen. Die Hoffnung: Katastrophen verhindern, wie sie der US-amerikanische Journalist Sebastian Junger in seinem Buch "Der Sturm – die letzte Fahrt der Andrea Gail” beschreibt. Vor drei Jahren holte Regisseur Wolfgang Petersen den Stoff höchst effektvoll ins Kino – mit eindrucksvollen, computergenerierten Bildern von turmhohen Wellen und gewaltigen Brechern.
Laut sämtlicher Berichte verläuft dieser Törn für Billy Tyne ziemlich katastrophal. Nachdem er vierzehn Mal die Leine ausgebracht hat, sind erst 20.000 Pfund Fisch im Laderaum, und das ist kaum genug, um die Auslagen zu decken, geschweige denn sechs Männer für einen Monat ihres Lebens zu entschädigen. Sie sind jetzt drei Wochen auf See und haben noch mindestens zwei weitere Wochen vor sich. Wenn sie überhaupt noch etwas retten wollen, müssen sie schnell eine Menge Fisch fangen. Mit fünf guten Fängen könnten sie die Reise noch zum Erfolg machen. Er weiß das. Er wird nicht umkehren, bevor sie es geschafft haben.
Die Wellenhöhe wird immer vom Wellental zum Wellenberg gemessen. In der Regel haben wir langgezogene Wellentäler und sehr steile und kurze Wellenberge. Wobei bei einer 30 Meter hohen Welle 10 Meter unter dem Wasserspiegel und 20 Meter über dem Wasserspiegel liegen.
Günther Clauss, einer der insgesamt zehn Partner im MaxWave-Projekt. Clauss ist Professor am Institut für Schiffs- und Meerestechnik an der Technischen Universität Berlin. Wodurch entstehen Monsterwellen? Unter welchen Bedingungen kann eine sich weiße Wand vor einem Schiff aufbauen, können drei Schwestern hunderte von Kilometern weit über den Ozean rollen? Das sind die Fragen, die Günther Clauss beantworten will.
Wenn ein heftiger Sturm in einem Bereich wütet, in dem es Strömungen gibt, z.B. vor der Küste Südafrikas. Wenn gegen diesen Strom Wellen anlaufen, dann steilen die sich extrem auf, und es gibt diese Erscheinung besonders hoher und steiler Wellen.
Hinzu kommen weitere Effekte. In einer Meeresströmung wie dem Golfstrom können Wellen gebündelt werden wie das Licht in einem Brennglas. Drehende Winde vermögen die See extrem aufzupeitschen. Im Flachwasser lenken Untiefen die Wellen ab, lassen sie auf andere Wellenberge zu laufen und zu Riesenwellen auftürmen. Bei sog. Kreuzseen trifft Seegang aus verschiedenen Richtungen aufeinander. Und schließlich kann ein Wasserberg entstehen, wenn sich mehrere Typen von Wellen zufällig überlagern.
Kurze Wellen sind langsam. Längere Wellen sind schnell. Und extrem lange Wellen sind extrem schnell. Wenn in einem Seegebiet sich zufällig nun kurze, längere, lange und ganz lange Wellen in einer Folge überlagern, und sie sich zufällig an einem einzigen Punkt treffen, dann erhalten wir eine Überlagerung, die nicht nur eine Addition der Wellenhöhe, sondern sogar mehr bedeutet kann in Steilheit und in Höhe.
Günther Clauss will der Sache auf den Grund gehen. Nur: Auf hoher See lässt sich schlecht experimentieren. Die Forscher müssten Monate, vielleicht Jahre darauf warten, um einem Kaventsmann zu begegnen. Deshalb versuchen es die Fachleute im kleinen Maßstab mit einem Modell, dem Wellenkanal. Eine Art Wellenschwimmbad für die Wissenschaft, in dem sich Wellen förmlich maßschneidern lassen.
Die Wellenmaschine arbeitet immer mit höchster Leistung. Erst mit kurzen, die langsam laufen. Dann kommen längere, die etwas schneller sind, ganz lange, die diesen folgen. Und alle treffen sich an einem einzigen Punkt, den wir vorher berechnen können. Es ist ungefähr so, als würden Sie mit vier verschiedenen Autos mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten losfahren. Erst ein langsames, ein schnelleres, ein ganz schnelles Auto. Und sie würden an einer Baustelle alle zum gleichen Zeitpunkt zusammentreffen, und jeder würde rücksichtslos ineinander fahren – dann hätte Sie ein ähnliches Phänomen einer Konzentration der Wellen.
Wir haben den Ausbreitungsmechanismus begriffen, der vorher nicht klar war. Wir haben insbesondere in einem Spezialkanal in Hannover eine besonders hohe Welle erzeugen können von immerhin 3,20 Meter im Labor. Eine Welle, die eine Höhe hatte, dass selbst Fachleute das Grausen bekommen haben, wenn diese Welle durch den Kanal lief, gebrochen ist und in sich zusammenstürzte. Bei diesen Versuchen ist es uns sogar gelungen, in das Dach dieses Wellenkanals ein Loch zu reißen. Ein Dokument für die außerordentliche Macht und Gewalt dieser Wellen.
Günther Clauss hat erstmals eine Monsterwelle im Labor kreiert – wenn auch nur eine Mini-Monsterwelle – und ist damit den Entstehungsmechanismen auf der Spur.
Um den 18. herum ändert sich seine Pechsträhne. Tatsächlich bekommt jetzt, wenige Tage vor Vollmond, die ganze Flotte mehr Fisch an den Haken. Tyne verrät niemand, wieviel er fängt, aber er macht die drei vorangegangenen Wochen schnell wett. Gegen Ende des Monats hat er 40.000 Pfund Fisch im Laderaum, das entspricht einem Wert von 160.000 Dollar. Gegen Mittag des 25. Oktobers geht Billy auf Heimatkurs. Gegen Abend kommt eine kanadische Wetterkarte aus dem Satelliten-Faxgerät. Vor Bermuda hat sich ein Hurrikan gebildet, eine Kaltfront zieht vom kanadischen Festlandsockel herunter, und über den Great Lakes braut sich ein Sturm zusammen. Alle diese Wetterfronten bewegen sich auf die Grand Banks zu. Gegen 21 Uhr steigt an Backbord achteraus ein halber Mond auf. Die Luft ist ruhig, der Himmel volle Sterne. Zweitausend Meilen entfernt prallen verschiedene Wettersysteme aufeinander.
Wir stehen hier am großen Schlepptank der HSVA. Der Tank ist 300 Meter lang, hat eine Breite von 18 Metern und eine Wassertiefe von 5,60 Meter. Der Tank ist auf der einen Seite mit einem Strand ausgerüstet, der die Wellen absorbiert, und auf der anderen Seite mit einer Wellenmaschine, die über eine Leistung von etwa 200 kW verfügt.
Walter Kühnlein ist der Herr des größten europäischen Wellenkanals seiner Art. Einen langgestreckte, düstere Halle an der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt, kurz HSVA. Unter anderem untersuchen Kühnlein und seine Kollegen, wie Schiffe mit heftigem Seegang zurecht kommen. Keine richtigen Schiffe natürlich, sondern Modelle aus Holz im Maßstab 1:30 oder 1:40, gefertigt in der anstaltseigenen Tischlerei. Wir gehen ans Ende der Halle, zur Wellenmaschine.
Es ist eine zweiklapprige Wellenmaschine der Firma Kempf & Remmers. Zweiklapprig deswegen, weil Sie eine relativ kurze Klappe haben, die auf einer zweiten Klappe sitzt, um kurze Wellen zu machen. (1:20) Diese Klappen sind unten gelenkig gelagert. D.h. sie beschreiben den Teil eines Drehkreises. (1:42) Mit dieser Wellenmaschine kann jeder x-beliebige Seegang an jedem Ort des Kanals generiert werden.
Das Experiment beginnt, die Wellenmaschine setzt sich in Gang. Unter uns dröhnen die Öldruckpumpen. Große Hydraulikzylinder stampfen ruckartig auf und ab und bewegen die Klappen hin und her.
Jetzt sieht man, dass jetzt der voll ausgebildete Seegang erzeugt wird. Die Klappen bewegen sich für den Betrachter wild durcheinander. Nach sehr starken, großen Bewegungen folgt, wie es in der Natur eben auch ist, sehr oft eine Ruhepause. Es bewegt sich kaum noch etwas oder sehr wenig, um dann plötzlich wieder sehr schnell zu beschleunigen und damit sehr große Wasserspiegel-Auslenkungen zu erzeugen.
Ab und zu schwappt eine Welle über den Rand der Riesenwanne. Dann müssen wir einen Schritt zur Seite gehen. Fast lautlos fährt der Schleppwagen an uns vorbei. Er ist so breit wie der Kanal und fährt vor einem gelb gestrichenen Schiffsmodell her.
Er ist der Geräteträger, an dem die Messeinrichtungen sind, die Computer und die Energieversorgung für das Modell. Das Modell hier ist über einen Tragarm, eine Nabelschnur, verbunden. Über diese Nabelschnur werden sowohl die Messdaten hochgeführt als auch die Energie und die Steuerinformationen runtergeführt. Das Modell hier ist etwa sieben Meter lang, ist also eines unserer kleineren Modelle. Das Modell ist mit einer eigenen Rudermaschine ausgerüstet und auch mit einem eigenen Antrieb ausgerüstet, sodass das Modell ferngesteuert durch den Kanal fährt.
Wieviel Wasser schwappt an Bord des Modells? Um das herauszufinden, lenken es die Forscher im Zickzackkurs durch den Tank. Die Wellen sind gerade mal einen halben Meter hoch. Für den Minidampfer aber ist das eine Menge Holz.
Hier ist ein Schiff, was ca. einen Maßstab von 1:36 hat. Insofern würde es in der Natur 36 mal einen halben Meter entsprechen, würde also 18 Meter sein. (8:33) Die Wellen, die wir hier maximal erzeugen können, sind ca. einen Meter hoch. Wobei man sicher noch etwas höher kommen könnte, sodass man auf 1,20 oder 1,30 Meter kommen könnte. (13:01) Es sind auch Kenterversuche gelungen. D.h. hauptsächlich bei Seegang von hinten, dass man ein Schiff an einer bestimmten Stelle tatsächlich zum Kentern bringen konnte.
Ca. hundert Schiffe der 200-Meter-Klasse sind im letzten Jahrzehnt bei hohem Seegang gesunken – zumeist mit Mann und Maus.
Dadurch, dass moderne Schiffe in der Regel auch erheblich größer sind, sind plötzlich neue Gefahrenquellen dazugekommen, die man früher nicht kannte. Ein 50-Meter-Schiff wird einer 200- oder 300-Meter-Welle mehr oder weniger 1:1 folgen wie ein Korken. Für dieses kleine Schiff wird diese Riesenwelle nie ein Problem sein. Während es für ein großes Schiff ein Problem sein kann. Und das ist das Problem, dass die Wellenhöhe nicht so extrem, sondern dass relativ moderate Wellenhöhen plötzlich diesem neuen Schiffstypus gefährlich werden können.
Die gültigen internationalen Bauvorschriften beruhen auf Schiffen der 160-Meter-Klasse. Nicht mehr zeitgemäß, meint Walter Kühnlein. Viele Pötte sind heute deutlich größer. Die Folge:
Wenn man die Vorschriften exakt einhält, kann es sein, dass man ein Schiff baut, was nicht so sicher ist, wie man es eigentlich bauen könnte.
Ein Beispiel ist die metazentrische Höhe. Grob gesagt ist das die Differenz zwischen dem Schwerpunkt eines Schiffes und seinem Rollpunkt, um den es sich im Seegang bewegt. Die Vorschriften geben bestimmte Werte zwingend vor – Werte, die für manche neuen Schiffstypen gar nicht mehr die optimale Sicherheit garantieren. Also sollen die internationalen Bauvorschriften in den nächsten Jahren überarbeitet werden. Mit ihren Messdaten tragen Walter Kühnlein und seine Kollegen dazu bei, die Vorschriften an die Praxis anzugleichen – mit dem Ziel, Schiffe sicherer zu machen gegen Sturm und hohe Wellen.
Es ist ein abrupter Übergang. Die Andrea Gail macht die Bekanntschaft des Sable-Islands-Sturms, als hätte sich plötzlich ein Tor vor ihr aufgetan. Von einem Moment auf den anderen bläst der Wind mit 40 Knoten und heult mit einem entnervenden Kreischen durch die Takelage. Gegen 20 Uhr gleichen sich auch die Wellen der Windgeschwindigkeit an und beginnen exponential an Höhe zuzunehmen; jede Stunde verdoppeln sie ihre Größe. Die maximale Wellenhöhe erreicht 45 Fuß, geht dann für kurze Zeit etwas hinunter und schnellt dann auf 70 Fuß hinauf. Die Wellen sind so hoch, dass sie zeitweilig den Windmesser abdecken, und die Böen erreichen wahrscheinlich 90 Knoten – Sturmstärke 12 auf der Beaufortskala. Die Kabel stöhnen.
Kurz nach neun Uhr morgens. Gerade hat der Katamaran "Flying Viking” von den Landungsbrücken in Hamburg abgelegt. Die Fahrt geht elbabwärts, das Ziel ist Helgoland. Zwei Stunden später ist die offene See erreicht, die Deutsche Bucht. Kein leichtes Revier, meint Ogbjörn Christiansen, der norwegische Kapitän.
Ich habe großen Respekt vor diesem Seegebiet. Von hinten kommt eine starke Meeresströmung, doch der Wind bläst meist von vorn. Und das Wasser hier ist relativ flach. Bei solchen Bedingungen können hohe Wellen quasi aus dem Nichts entstehen. Auf solche Wellen sollte man stets gefasst sein, um rechtzeitig Fahrt rauszunehmen. Deshalb muss man, wenn man eine 30 Knoten schnelle Fähre wie diese steuert, bei Schlechtwetter jede Sekunde konzentriert sein.
Hilfe könnte Kapitän Christiansen eines Tages von einem Experten erwarten, der heute mit an Bord ist. Jürgen Dittmer ist Geschäftsführer von OceanWaveS, einer kleinen Firma aus Lüneburg. Dittmer ist ebenfalls Partner bei MaxWave, dem EU-Projekt zur Erforschung der Monsterwellen. Er entwickelt ein Radar zur Überwachung des Seegangs. Wave Monitoring System, kurz WaMoS, so heißt das System.
Das WaMoS benutzt als Sensor ein herkömmliches nautisches Radargerät, wie es jedes Schiff hat. Dieses vorhandene Radargerät zapfen wir an, um aus den Radarbildern den Seegang rauszurechnen. Der Seegang ist eigentlich eine Störgröße, die der Nautiker auf seinem Radarschirm gar nicht sehen will. Die möchte er möglichst unterdrücken. Abe genau dieses Rauschen ist das für uns interessante Signal. Das werten wir aus, um den Seegang zu bestimmen. Wir errechnen daraus die Wellenhöhe, Wellenrichtung und die Wellenperiode.
Ähnlich wie ein Videorecorder nimmt WaMoS einen Film auf, genau gesagt eine Serie von 32 Radarbildern. Der Computer analysiert den Radarfilm und zerlegt die Bildinformation in unterschiedliche Frequenzen. Danach durchläuft das Signal spezielle Filter, und am Ende spuckt das Gerät auf zehn Prozent genau die gerade herrschende Wellenhöhe aus, dazu die Länge und die Richtung der Wellen.
Haupteinsatzgebiet sind Öl- und Gasförderplattformen. Für die Betreiber besteht der Vorteil darin, ein besonders genaues und zuverlässiges Messgerät zu haben. Wir können alle 5 Minuten die Wellenhöhe liefern. Dadurch bekommt man eine Trendinformation. Man kann sehen: Geht die Wellenhöhe herauf, geht sie hinunter? Bei bestimmten Situationen müssen einige Ölplattformen ausgeschaltet werden, weil sie aus Sicherheitsgründen bei bestimmten Wellenhöhen nicht mehr betrieben werden dürfen. Und je früher man die Entwarnung geben kann über ein genaues Messgerät, umso früher kann die Ölfirma die Plattform wieder in Betrieb nehmen und spart dadurch bares Geld.
Auf Deutschlands einziger Hochseeinsel Helgoland betreibt Dittmer eine unbemannte Außenstation. Heute ist er mit der "Flying Viking” herausgefahren, um die Station zu reparieren und Teile auszutauschen. Kein Kinderspiel, die Radarantenne dreht sich in 30 Metern Höhe auf dem weithin sichtbaren Telefonmast der Insel. Und den dürfen Dittmer und sein Begleiter Jens Bockhold nur mit einem Spezialgurt bestiegen, mit dem sie sich jetzt an der Leiter einklinken. Bepackt mit Werkzeug und Ersatzteilen beginnt die Kletterei – nicht gerade ein Vergnügen bei Windstärke fünf.
Mit Hilfe der Helgoländer Außenstation will Dittmer sein Seegangsradar weiterentwickeln. Noch misst das System nur die durchschnittliche Wellenhöhe. Künftig aber soll es auch einzelne Wellen erkennen – vor allem Monsterwellen.
Wenn man die Vorwarnzeit lange genug hinbekommt, dann könnte man in der Schifffahrt versuchen, sich rechtzeitig auf diese Riesenwelle einzustellen. Also z.B. je nach Schiffstyp die Welle von vorne oder eventuell auch von der Breitseite zu nehmen – je nachdem, was für diesen Schiffstyp günstiger ist.
Man guckt ja nicht unbedingt in die Richtung, wo diese Welle gerade herkommt. Und bei Nacht sieht man sie sowieso nicht. Und da bleibt ihnen eigentlich nur das Radar, um so eine Extremwelle kurzfristig erkennen zu können.
Sinn macht Wamos auch für Förderplattformen, und zwar als Warnsystem beim Verladen von Gas oder Öl auf die Tanker.
Die Theorie dafür steht. Wir sind im Moment dabei, sie zu implementieren. Und wir denken, dass wir in etwa zwei Jahren mit der Einzelwellenerkennung in die Serienreife gehen können.
Die nächsten zwei Stunden halten sich die Spitzenwerte bei hundert Fuß und die Winde erreichen 80 Meilen pro Stunde. 100-Fuß-Wellen übersteigen alle jemals von Computermodellen vorausberechneten Wellenhöhen um 50 Prozent. Es sind die größten Wellen, die man je auf dem Festlandsockel vor Neuschottland gemessen hat. Es sind mit die größten Wellen, die man überhaupt je auf der Welt gemessen hat. Gegen Mitternacht des 28.Oktobers – als der Sturm vor Sable Island seine volle Stärke erreicht hat - ereignet sich an Bord der Andrea Gail eine Katastrophe. Es ist keine Zeit mehr, die Rettungsanzüge anzulegen oder nach einer Schwimmweste zu greifen; das Boot vollführt die extremsten Bewegungen seines Lebens, und es ist nicht einmal mehr Zeit genug zum Schreien. Der Fernseher , die Waschmaschine, die Videokassetten, die Männer, alles fliegt durch die Luft. Und Sekunden später strömt das Wasser ein.
Mit dem Seegangsradar entwickelt Jürgen Dittmer ein Gerät, das an Bord des Schiffes vor einer anrauschenden Monsterwelle warnt. Andere Forscher basteln – ebenfalls im Rahmen von MaxWave - an einem Frühwarnsystem, das im All stationiert ist.
Für die Messung von Seegang verwenden wir Satelliten, die mit Radarsensoren ausgerüstet sind. Das hat den Vorteil, dass man durch die Wolken schauen kann, dass man auch bei Nacht messen kann. Das ist natürlich im Sturm sehr wichtig.
Susanne Lehner arbeitet am DLR, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen. Unter anderem nutzt sie den europäischen Umweltsatelliten ENVISAT mit seinem hochsensiblen Radarauge. Aus einer Höhe von 800 Kilometern sendet ENVISAT Radarstrahlen auf die Meeresoberfläche. Einen kleinen Anteil der Strahlen wirft der Ozean zurück in den Orbit. Dieses Radarecho fängt ENVISAT auf. Und aus der Stärke des Echos schließen die Fachleute auf die Höhe der Wellen.
So ein Satellit fliegt rund um die Erde, nimmt an Tag etwa 1000 Bilder der Meeresoberfläche auf, kleine Bilder, 5 mal 10 Kilometer groß etwa. Und aus diesen Bildern kann man sowohl die mittlere Wellenhöhe wie auch die Einzelwellenhöhe ableiten und kann damit Statistiken erstellen oder Gebiete kontinuierlich überwachen und schauen, wie hoch die Wellen dort sind.
Zum einen wollen Lehner und Co. die gefährliche Seegebiete aufspüren, wo besonders oft starker Seegang herrscht. Zum anderen aber soll der Satellit auch einzelne Monsterwellen dingfest machen. Genau das ist den Forschern nun erstmals gelungen.
Im Gebiet rund um die Antarktis, wo der Wind Zeit und Raum genug hat, sehr hohe Wellen aufzubauen, haben wir eine 30 Meter hohe Welle gefunden.
Susanne Lehner zeigt ein Bild, schwarzweiß mit streifenähnlichen Mustern. Die hellen Abschnitte sind die Wellenberge, die dunklen die Wellentäler. Die Monsterwelle verrät sich durch einen ausgesprochen deutlichen Kontrast von hell und dunkel.
Sind es tatsächlich drei Schwestern, oder können es auch manchmal vier oder fünf sein? Wir groß sind solche Gruppen, und wie verhält sich die Wellenhöhe innerhalb dieser Gruppen von den großen zu den kleineren Wellen? Das kann man auf den Bildern dann auch sehen.
Bis auf einen Meter genau wollen die Experten die Höhe einer Monsterwelle künftig messen. Das Ziel ist ein Frühwarnsystem aus dem Orbit. Es soll die Schiffe rechtzeitig vor einem heranrückenden Kaventsmann warnen. Und soll sogar erkennen, ob eine lange Welle gleich eine kurze überholen und sich zu einer Monsterwelle auftürmen wird.
So etwas ist angedacht, so was ist möglich. Dazu müssen Sie natürlich eine kontinuierliche Überdeckung haben. Sie müssen sozusagen immer da sein, wenn die Extremwelle dort ist. Im Moment bekommen Sie alle 100 Kilometer längs des Orbits ein Bild. Aber die Warnsysteme sind angedacht. Und das französische Wetterzentrum plant so ein Produkt herauszugeben und aktuell vor Gegenden zu warnen, in denen im Moment besondere gefährliche Einzelwellen auftreten.
Mindestens fünf Satelliten wären nötig für eine lückenlose Überwachung der Weltmeere.
Wolfgang Rosenthal jedenfalls zeigt sich zufrieden mit den Fortschritten bei MaxWave, dem EU-Projekt zur Erforschung der Monsterwellen.
Wir sind froh, dass wir diese Einzelwellen vom Weltraum her sehen können. Und nachdem wir die Einzelwellen vom Satelliten her gesehen haben, sind wir guter Hoffnung, dass wir unser Ziel, ein Vorhersagesystem zu konzipieren, erreichen werden bis zum Ende des Projektes in etwa 1,5 Jahren. (37:29) Die wissenschaftliche Seite sollte mit dem Ende des Projektes abgeschlossen sein.
Schon heute denken Rosenthal und seine Partner über ein Nachfolgeprojekt von MaxWave nach. Es soll helfen, die Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen. Gelingt das, könnte künftig mehr Schiffen als heute das Schicksal der Andrea Gail erspart werden.
Am 6.November entdeckt ein kanadischer Pilot ein luftleeres Rettungsfloß vor der Küste von Neuschottland, aber es ist niemand darin. Zwei Tage später sieht die Hannah Boden, die nach drei Wochen auf See in den Heimathafen zurückkehrt, noch einmal eine Ansammlung von Dieselfässern, die an der Seite mit Andrea Gail markiert sind, aber von dem Schiff gibt es nach wie vor keine Spur. Schließlich, am 8.November, eine halbe Stunde vor Mitternacht, wird die Suche nach der Andrea Gail endgültig eingestellt. Sie ist jetzt seit fast zwei Wochen verschollen, und Flugzeuge haben 116.000 Quadratmeilen des Ozeans abgesucht, ohne einen einzigen Überlebenden zu entdecken. Alles, was sie finden konnten, waren ein paar Teile ihrer Decksausrüstung.
Am Nachmittag ist die Andrea Gail seeklar: Der Proviant und die Köderfische sind verstaut, Kraftstoff- und Wassertanks sind aufgefüllt, Reservefässer sind auf dem Walrückendeck festgezurrt, das Geschirr befindet sich in gutem Zustand, und die Maschine arbeitet einwandfrei. Jetzt brauchen sie nur noch auszulaufen. Okay, Jungs, sagt Billy. Das letzte Glas. Jeder stürzt seinen letzten Drink hinunter. Sechs Männer gehen für einen Monat auf See. Die halbe Mannschaft hat ein ungutes Gefühl bei dieser Fahrt, aber sie gehen trotzdem. Sie haben eine unsichtbare Linie überschritten, und jetzt könnte sie auch die schrecklichste Vorahnung nicht mehr retten. Tyne, Pierre, Sullivan, Moran, Murphy und Shatford werden mit der Andrea Gail auf die Grand Banks gehen.
Wir sehen es täglich an der Küste. Wenn man aufs Wasser kuckt, sieht man, wie der Wind die Wellen aufwirft. Das geht von kleinen Wellen zu immer größeren. Die entwickeln sich, werden länger in ihrer Wellenlänge und werden höher in ihrer Amplitude. Also ist der Wind der entscheidende Faktor, der die Kraft ins Wasser bringt, um dann Wellen entstehen zu lassen.
Wir sind immer wieder erstaunt, wie schnell es geht, dass die ersten Wellen kommen. Die ersten Wellen bis ein oder zwei Meter Höhe, das geht innerhalb einer halben Stunde. Um Wellenhöhen von sechs bis acht Meter zu erreichen, braucht es dann doch schon einige Stunden, so sechs Stunden. Das Zerfallen von Seegangsenergie geht relativ langsam. Wir haben Energiepäckchen, die über den halben Erdball wandern. Die in der Antarktis entstehen, dann über den Pazifik wandern und in Alaska gemessen werden.
Seit etwa 20 Jahren hat man objektive Messungen vor allem an den Ölplattformen. Und da sieht man, dass tatsächlich ab und an einzelne Wellen gibt, die herausfallen aus dem Geschehen.
An Ölplattformen hat man zwischen 25 und 30 Meter gemessen. Wir haben Berichte von Seefahrern von 35 Meter hohen Wellen. Und ich bin heute nicht mehr bereit, das in das Reich den Fabeln zu verweisen. (6:42) 35 bis 40 Meter sind erreichbar.
Monsterwellen, Freak Waves, Kaventsmänner. Seit Jahrhunderten erzählt man sich in Hafenkneipen und Seemannsheimen haarsträubende Geschichten. Geschichten von Wellen, groß wie Hochhäuser, die Schiffe verschlingen und mit Mann und Maus in die Tiefe reißen. Seemannsgarn, meinte die Wissenschaft lange Zeit. Doch mittlerweile nehmen Experten wie Wolfgang Rosenthal die Riesenwellen ernst, sehr ernst sogar. Rosenthal arbeitet am GKSS-Forschungszentrum Geesthacht in der Nähe von Hamburg.
Es sind in letzter Zeit zu viele große Schiffe, 200 Meter lange Containerschiffe, untergegangen. Sodass auch die Versicherungsgesellschaften und die TÜVs zur See, die Klassifikationsgesellschaften sagen: so geht das nicht weiter, und Druck dahinter setzen, dass man Forschung treibt und herausfindet: die Häufigkeit, mit der solche Wellen auftreten und dann die Vorhersagbarkeit.
"Oh Mensch, die wächst!” "Gerade eben noch. Wenn da jetzt noch eine hinterher käme, dann würden wir alt aussehen!” "Da sind welche bei, die sind 16 bis 18 Meter.”
Dort stehen Leute auf der Brücke, das sind gestandene Seeleute, die so was sehr selten in ihrem Leben sehen: Wenn man hier sieht, wie das Ding hochsteigt ...
In der Norwegensee gerät das Forschungsschiff Gauss in einen heftigen Orkan. Zwölf Meter hoch sind die Wellen im Durchschnitt. Die höchsten Berge aber türmen sich auf bis zu 18 Metern. Auch wenn den Seeleuten auf der Brücke der Atem stockt - Kaventsmänner sind das noch nicht. Erst wenn eine Welle doppelt so hoch ist wie der Durchschnitt, sprechen die Experten von einer Monsterwelle, einer Freak Wave. Bei schwerer See, einem mittleren Seegang von zwölf Metern, sind das 24 Meter.
Der Gauss bleibt die Begegnung mit einer Monsterwelle erspart – anderen Schiffen nicht. 1978, nördlich von den Azoren sinkt das Containerschiff München mit 28 Mann Besatzung, getroffen von einer Monsterwelle. 1984, in den Grand Banks vor Kanada, geht nach dem Einschlag einer Freak Wave eine Ölplattform unter. 2001, östlich von Argentinien, kommt auf das Kreuzfahrtschiff Bremen ein gewaltiger Brecher zu – geschätzte Höhe: 35 Meter. Die Wucht des Wassers schlägt ein Fenster auf der Brücke ein. Das Wasser schließt die Elektronik kurz, die Maschine setzt aus. Das Schiff treibt steuerlos im Sturm und legt sich quer zu den Wellen – eine höchst gefährliche Situation. Nach einer halben Stunde kann die Mannschaft den Hilfsdiesel starten. Die Bremen nimmt mit 137 Passagieren an Bord wieder Fahrt auf. Der Katastrophe entrinnt sie denkbar knapp.
Wir haben den Eindruck, dass die Monsterwellen durch den gesamten Sturm laufen, über Strecken von etwa 300 bis 500 Kilometern stabil sind, sodass ein Schiff dieser Welle sowohl in der Mitte als auch am Ende eines solchen Sturmes begegnen kann. Die Geschwindigkeit ist etwa 10 bis 15 Meter pro Sekunde, d.h. um die 36 bis 40 Stundenkilometer.
Drei Typen von Monsterwellen kennen die Experten wie Wolfgang Rosenthal. Kaventsmann, so heißt der erste.
Die einzelne unförmige Welle, die unförmig über die See rast mit relativ hohen Geschwindigkeiten, auch von der Richtung her etwas anders als der herrschende Seegang.
Dann hat man die weiße Wand. Die relativ steile Vorderflanke, an der man den Schaum herunterfließen sieht. Wenn Sie den Film gesehen haben "Der Sturm”, da fährt das Schiff in eine solche weiße Wand hinein.
Und dann die drei Schwestern. Das ist eine Wellengruppe von drei einzelnen Wellen, wo ein Schiff Schwierigkeiten hat, wenn es in das Tal fällt, den nötigen Auftrieb zu entwickeln, um den anschließenden Wellenberg emporzuklettern. Und wir haben Berichte, wo an der dritten Welle das Schiff den Auftrieb nicht mehr entwickelt, von dem Wasser überrollt wird und dann natürlich schwere Schäden davonträgt.
Diese Monsterwellen sollte es nach der gängigen Theorie alle 10.000 Jahre einmal geben. Man hat an den Ölplattformen solche Wellen viel öfter gemessen. Und jedes Mal haben die Sicherheitsingenieure das Problem zu erklären, weshalb die Wirklichkeit mit der Theorie nicht so gut übereinstimmt.
Wie häufig sind Monsterwellen? Wie hoch sind sie, in welchen Seegebieten treten sie besonders oft auf? Fragen, die die Fachleute nur zum Teil beantworten können.
Wir haben die Erfahrung, dass diese Freak Waves öfter auftreten als unsere bisherigen Theorien vorhersagen.
Um die Killerwellen zu erforschen, hat Rosenthal ein europäisches Forschungsprojekt initiiert. Der Name: MaxWave. Ein Ziel ist die Vorhersage der Monsterwellen - und damit ein besserer Schutz für die Besatzungen von Bohrinseln und Schiffen. Die Hoffnung: Katastrophen verhindern, wie sie der US-amerikanische Journalist Sebastian Junger in seinem Buch "Der Sturm – die letzte Fahrt der Andrea Gail” beschreibt. Vor drei Jahren holte Regisseur Wolfgang Petersen den Stoff höchst effektvoll ins Kino – mit eindrucksvollen, computergenerierten Bildern von turmhohen Wellen und gewaltigen Brechern.
Laut sämtlicher Berichte verläuft dieser Törn für Billy Tyne ziemlich katastrophal. Nachdem er vierzehn Mal die Leine ausgebracht hat, sind erst 20.000 Pfund Fisch im Laderaum, und das ist kaum genug, um die Auslagen zu decken, geschweige denn sechs Männer für einen Monat ihres Lebens zu entschädigen. Sie sind jetzt drei Wochen auf See und haben noch mindestens zwei weitere Wochen vor sich. Wenn sie überhaupt noch etwas retten wollen, müssen sie schnell eine Menge Fisch fangen. Mit fünf guten Fängen könnten sie die Reise noch zum Erfolg machen. Er weiß das. Er wird nicht umkehren, bevor sie es geschafft haben.
Die Wellenhöhe wird immer vom Wellental zum Wellenberg gemessen. In der Regel haben wir langgezogene Wellentäler und sehr steile und kurze Wellenberge. Wobei bei einer 30 Meter hohen Welle 10 Meter unter dem Wasserspiegel und 20 Meter über dem Wasserspiegel liegen.
Günther Clauss, einer der insgesamt zehn Partner im MaxWave-Projekt. Clauss ist Professor am Institut für Schiffs- und Meerestechnik an der Technischen Universität Berlin. Wodurch entstehen Monsterwellen? Unter welchen Bedingungen kann eine sich weiße Wand vor einem Schiff aufbauen, können drei Schwestern hunderte von Kilometern weit über den Ozean rollen? Das sind die Fragen, die Günther Clauss beantworten will.
Wenn ein heftiger Sturm in einem Bereich wütet, in dem es Strömungen gibt, z.B. vor der Küste Südafrikas. Wenn gegen diesen Strom Wellen anlaufen, dann steilen die sich extrem auf, und es gibt diese Erscheinung besonders hoher und steiler Wellen.
Hinzu kommen weitere Effekte. In einer Meeresströmung wie dem Golfstrom können Wellen gebündelt werden wie das Licht in einem Brennglas. Drehende Winde vermögen die See extrem aufzupeitschen. Im Flachwasser lenken Untiefen die Wellen ab, lassen sie auf andere Wellenberge zu laufen und zu Riesenwellen auftürmen. Bei sog. Kreuzseen trifft Seegang aus verschiedenen Richtungen aufeinander. Und schließlich kann ein Wasserberg entstehen, wenn sich mehrere Typen von Wellen zufällig überlagern.
Kurze Wellen sind langsam. Längere Wellen sind schnell. Und extrem lange Wellen sind extrem schnell. Wenn in einem Seegebiet sich zufällig nun kurze, längere, lange und ganz lange Wellen in einer Folge überlagern, und sie sich zufällig an einem einzigen Punkt treffen, dann erhalten wir eine Überlagerung, die nicht nur eine Addition der Wellenhöhe, sondern sogar mehr bedeutet kann in Steilheit und in Höhe.
Günther Clauss will der Sache auf den Grund gehen. Nur: Auf hoher See lässt sich schlecht experimentieren. Die Forscher müssten Monate, vielleicht Jahre darauf warten, um einem Kaventsmann zu begegnen. Deshalb versuchen es die Fachleute im kleinen Maßstab mit einem Modell, dem Wellenkanal. Eine Art Wellenschwimmbad für die Wissenschaft, in dem sich Wellen förmlich maßschneidern lassen.
Die Wellenmaschine arbeitet immer mit höchster Leistung. Erst mit kurzen, die langsam laufen. Dann kommen längere, die etwas schneller sind, ganz lange, die diesen folgen. Und alle treffen sich an einem einzigen Punkt, den wir vorher berechnen können. Es ist ungefähr so, als würden Sie mit vier verschiedenen Autos mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten losfahren. Erst ein langsames, ein schnelleres, ein ganz schnelles Auto. Und sie würden an einer Baustelle alle zum gleichen Zeitpunkt zusammentreffen, und jeder würde rücksichtslos ineinander fahren – dann hätte Sie ein ähnliches Phänomen einer Konzentration der Wellen.
Wir haben den Ausbreitungsmechanismus begriffen, der vorher nicht klar war. Wir haben insbesondere in einem Spezialkanal in Hannover eine besonders hohe Welle erzeugen können von immerhin 3,20 Meter im Labor. Eine Welle, die eine Höhe hatte, dass selbst Fachleute das Grausen bekommen haben, wenn diese Welle durch den Kanal lief, gebrochen ist und in sich zusammenstürzte. Bei diesen Versuchen ist es uns sogar gelungen, in das Dach dieses Wellenkanals ein Loch zu reißen. Ein Dokument für die außerordentliche Macht und Gewalt dieser Wellen.
Günther Clauss hat erstmals eine Monsterwelle im Labor kreiert – wenn auch nur eine Mini-Monsterwelle – und ist damit den Entstehungsmechanismen auf der Spur.
Um den 18. herum ändert sich seine Pechsträhne. Tatsächlich bekommt jetzt, wenige Tage vor Vollmond, die ganze Flotte mehr Fisch an den Haken. Tyne verrät niemand, wieviel er fängt, aber er macht die drei vorangegangenen Wochen schnell wett. Gegen Ende des Monats hat er 40.000 Pfund Fisch im Laderaum, das entspricht einem Wert von 160.000 Dollar. Gegen Mittag des 25. Oktobers geht Billy auf Heimatkurs. Gegen Abend kommt eine kanadische Wetterkarte aus dem Satelliten-Faxgerät. Vor Bermuda hat sich ein Hurrikan gebildet, eine Kaltfront zieht vom kanadischen Festlandsockel herunter, und über den Great Lakes braut sich ein Sturm zusammen. Alle diese Wetterfronten bewegen sich auf die Grand Banks zu. Gegen 21 Uhr steigt an Backbord achteraus ein halber Mond auf. Die Luft ist ruhig, der Himmel volle Sterne. Zweitausend Meilen entfernt prallen verschiedene Wettersysteme aufeinander.
Wir stehen hier am großen Schlepptank der HSVA. Der Tank ist 300 Meter lang, hat eine Breite von 18 Metern und eine Wassertiefe von 5,60 Meter. Der Tank ist auf der einen Seite mit einem Strand ausgerüstet, der die Wellen absorbiert, und auf der anderen Seite mit einer Wellenmaschine, die über eine Leistung von etwa 200 kW verfügt.
Walter Kühnlein ist der Herr des größten europäischen Wellenkanals seiner Art. Einen langgestreckte, düstere Halle an der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt, kurz HSVA. Unter anderem untersuchen Kühnlein und seine Kollegen, wie Schiffe mit heftigem Seegang zurecht kommen. Keine richtigen Schiffe natürlich, sondern Modelle aus Holz im Maßstab 1:30 oder 1:40, gefertigt in der anstaltseigenen Tischlerei. Wir gehen ans Ende der Halle, zur Wellenmaschine.
Es ist eine zweiklapprige Wellenmaschine der Firma Kempf & Remmers. Zweiklapprig deswegen, weil Sie eine relativ kurze Klappe haben, die auf einer zweiten Klappe sitzt, um kurze Wellen zu machen. (1:20) Diese Klappen sind unten gelenkig gelagert. D.h. sie beschreiben den Teil eines Drehkreises. (1:42) Mit dieser Wellenmaschine kann jeder x-beliebige Seegang an jedem Ort des Kanals generiert werden.
Das Experiment beginnt, die Wellenmaschine setzt sich in Gang. Unter uns dröhnen die Öldruckpumpen. Große Hydraulikzylinder stampfen ruckartig auf und ab und bewegen die Klappen hin und her.
Jetzt sieht man, dass jetzt der voll ausgebildete Seegang erzeugt wird. Die Klappen bewegen sich für den Betrachter wild durcheinander. Nach sehr starken, großen Bewegungen folgt, wie es in der Natur eben auch ist, sehr oft eine Ruhepause. Es bewegt sich kaum noch etwas oder sehr wenig, um dann plötzlich wieder sehr schnell zu beschleunigen und damit sehr große Wasserspiegel-Auslenkungen zu erzeugen.
Ab und zu schwappt eine Welle über den Rand der Riesenwanne. Dann müssen wir einen Schritt zur Seite gehen. Fast lautlos fährt der Schleppwagen an uns vorbei. Er ist so breit wie der Kanal und fährt vor einem gelb gestrichenen Schiffsmodell her.
Er ist der Geräteträger, an dem die Messeinrichtungen sind, die Computer und die Energieversorgung für das Modell. Das Modell hier ist über einen Tragarm, eine Nabelschnur, verbunden. Über diese Nabelschnur werden sowohl die Messdaten hochgeführt als auch die Energie und die Steuerinformationen runtergeführt. Das Modell hier ist etwa sieben Meter lang, ist also eines unserer kleineren Modelle. Das Modell ist mit einer eigenen Rudermaschine ausgerüstet und auch mit einem eigenen Antrieb ausgerüstet, sodass das Modell ferngesteuert durch den Kanal fährt.
Wieviel Wasser schwappt an Bord des Modells? Um das herauszufinden, lenken es die Forscher im Zickzackkurs durch den Tank. Die Wellen sind gerade mal einen halben Meter hoch. Für den Minidampfer aber ist das eine Menge Holz.
Hier ist ein Schiff, was ca. einen Maßstab von 1:36 hat. Insofern würde es in der Natur 36 mal einen halben Meter entsprechen, würde also 18 Meter sein. (8:33) Die Wellen, die wir hier maximal erzeugen können, sind ca. einen Meter hoch. Wobei man sicher noch etwas höher kommen könnte, sodass man auf 1,20 oder 1,30 Meter kommen könnte. (13:01) Es sind auch Kenterversuche gelungen. D.h. hauptsächlich bei Seegang von hinten, dass man ein Schiff an einer bestimmten Stelle tatsächlich zum Kentern bringen konnte.
Ca. hundert Schiffe der 200-Meter-Klasse sind im letzten Jahrzehnt bei hohem Seegang gesunken – zumeist mit Mann und Maus.
Dadurch, dass moderne Schiffe in der Regel auch erheblich größer sind, sind plötzlich neue Gefahrenquellen dazugekommen, die man früher nicht kannte. Ein 50-Meter-Schiff wird einer 200- oder 300-Meter-Welle mehr oder weniger 1:1 folgen wie ein Korken. Für dieses kleine Schiff wird diese Riesenwelle nie ein Problem sein. Während es für ein großes Schiff ein Problem sein kann. Und das ist das Problem, dass die Wellenhöhe nicht so extrem, sondern dass relativ moderate Wellenhöhen plötzlich diesem neuen Schiffstypus gefährlich werden können.
Die gültigen internationalen Bauvorschriften beruhen auf Schiffen der 160-Meter-Klasse. Nicht mehr zeitgemäß, meint Walter Kühnlein. Viele Pötte sind heute deutlich größer. Die Folge:
Wenn man die Vorschriften exakt einhält, kann es sein, dass man ein Schiff baut, was nicht so sicher ist, wie man es eigentlich bauen könnte.
Ein Beispiel ist die metazentrische Höhe. Grob gesagt ist das die Differenz zwischen dem Schwerpunkt eines Schiffes und seinem Rollpunkt, um den es sich im Seegang bewegt. Die Vorschriften geben bestimmte Werte zwingend vor – Werte, die für manche neuen Schiffstypen gar nicht mehr die optimale Sicherheit garantieren. Also sollen die internationalen Bauvorschriften in den nächsten Jahren überarbeitet werden. Mit ihren Messdaten tragen Walter Kühnlein und seine Kollegen dazu bei, die Vorschriften an die Praxis anzugleichen – mit dem Ziel, Schiffe sicherer zu machen gegen Sturm und hohe Wellen.
Es ist ein abrupter Übergang. Die Andrea Gail macht die Bekanntschaft des Sable-Islands-Sturms, als hätte sich plötzlich ein Tor vor ihr aufgetan. Von einem Moment auf den anderen bläst der Wind mit 40 Knoten und heult mit einem entnervenden Kreischen durch die Takelage. Gegen 20 Uhr gleichen sich auch die Wellen der Windgeschwindigkeit an und beginnen exponential an Höhe zuzunehmen; jede Stunde verdoppeln sie ihre Größe. Die maximale Wellenhöhe erreicht 45 Fuß, geht dann für kurze Zeit etwas hinunter und schnellt dann auf 70 Fuß hinauf. Die Wellen sind so hoch, dass sie zeitweilig den Windmesser abdecken, und die Böen erreichen wahrscheinlich 90 Knoten – Sturmstärke 12 auf der Beaufortskala. Die Kabel stöhnen.
Kurz nach neun Uhr morgens. Gerade hat der Katamaran "Flying Viking” von den Landungsbrücken in Hamburg abgelegt. Die Fahrt geht elbabwärts, das Ziel ist Helgoland. Zwei Stunden später ist die offene See erreicht, die Deutsche Bucht. Kein leichtes Revier, meint Ogbjörn Christiansen, der norwegische Kapitän.
Ich habe großen Respekt vor diesem Seegebiet. Von hinten kommt eine starke Meeresströmung, doch der Wind bläst meist von vorn. Und das Wasser hier ist relativ flach. Bei solchen Bedingungen können hohe Wellen quasi aus dem Nichts entstehen. Auf solche Wellen sollte man stets gefasst sein, um rechtzeitig Fahrt rauszunehmen. Deshalb muss man, wenn man eine 30 Knoten schnelle Fähre wie diese steuert, bei Schlechtwetter jede Sekunde konzentriert sein.
Hilfe könnte Kapitän Christiansen eines Tages von einem Experten erwarten, der heute mit an Bord ist. Jürgen Dittmer ist Geschäftsführer von OceanWaveS, einer kleinen Firma aus Lüneburg. Dittmer ist ebenfalls Partner bei MaxWave, dem EU-Projekt zur Erforschung der Monsterwellen. Er entwickelt ein Radar zur Überwachung des Seegangs. Wave Monitoring System, kurz WaMoS, so heißt das System.
Das WaMoS benutzt als Sensor ein herkömmliches nautisches Radargerät, wie es jedes Schiff hat. Dieses vorhandene Radargerät zapfen wir an, um aus den Radarbildern den Seegang rauszurechnen. Der Seegang ist eigentlich eine Störgröße, die der Nautiker auf seinem Radarschirm gar nicht sehen will. Die möchte er möglichst unterdrücken. Abe genau dieses Rauschen ist das für uns interessante Signal. Das werten wir aus, um den Seegang zu bestimmen. Wir errechnen daraus die Wellenhöhe, Wellenrichtung und die Wellenperiode.
Ähnlich wie ein Videorecorder nimmt WaMoS einen Film auf, genau gesagt eine Serie von 32 Radarbildern. Der Computer analysiert den Radarfilm und zerlegt die Bildinformation in unterschiedliche Frequenzen. Danach durchläuft das Signal spezielle Filter, und am Ende spuckt das Gerät auf zehn Prozent genau die gerade herrschende Wellenhöhe aus, dazu die Länge und die Richtung der Wellen.
Haupteinsatzgebiet sind Öl- und Gasförderplattformen. Für die Betreiber besteht der Vorteil darin, ein besonders genaues und zuverlässiges Messgerät zu haben. Wir können alle 5 Minuten die Wellenhöhe liefern. Dadurch bekommt man eine Trendinformation. Man kann sehen: Geht die Wellenhöhe herauf, geht sie hinunter? Bei bestimmten Situationen müssen einige Ölplattformen ausgeschaltet werden, weil sie aus Sicherheitsgründen bei bestimmten Wellenhöhen nicht mehr betrieben werden dürfen. Und je früher man die Entwarnung geben kann über ein genaues Messgerät, umso früher kann die Ölfirma die Plattform wieder in Betrieb nehmen und spart dadurch bares Geld.
Auf Deutschlands einziger Hochseeinsel Helgoland betreibt Dittmer eine unbemannte Außenstation. Heute ist er mit der "Flying Viking” herausgefahren, um die Station zu reparieren und Teile auszutauschen. Kein Kinderspiel, die Radarantenne dreht sich in 30 Metern Höhe auf dem weithin sichtbaren Telefonmast der Insel. Und den dürfen Dittmer und sein Begleiter Jens Bockhold nur mit einem Spezialgurt bestiegen, mit dem sie sich jetzt an der Leiter einklinken. Bepackt mit Werkzeug und Ersatzteilen beginnt die Kletterei – nicht gerade ein Vergnügen bei Windstärke fünf.
Mit Hilfe der Helgoländer Außenstation will Dittmer sein Seegangsradar weiterentwickeln. Noch misst das System nur die durchschnittliche Wellenhöhe. Künftig aber soll es auch einzelne Wellen erkennen – vor allem Monsterwellen.
Wenn man die Vorwarnzeit lange genug hinbekommt, dann könnte man in der Schifffahrt versuchen, sich rechtzeitig auf diese Riesenwelle einzustellen. Also z.B. je nach Schiffstyp die Welle von vorne oder eventuell auch von der Breitseite zu nehmen – je nachdem, was für diesen Schiffstyp günstiger ist.
Man guckt ja nicht unbedingt in die Richtung, wo diese Welle gerade herkommt. Und bei Nacht sieht man sie sowieso nicht. Und da bleibt ihnen eigentlich nur das Radar, um so eine Extremwelle kurzfristig erkennen zu können.
Sinn macht Wamos auch für Förderplattformen, und zwar als Warnsystem beim Verladen von Gas oder Öl auf die Tanker.
Die Theorie dafür steht. Wir sind im Moment dabei, sie zu implementieren. Und wir denken, dass wir in etwa zwei Jahren mit der Einzelwellenerkennung in die Serienreife gehen können.
Die nächsten zwei Stunden halten sich die Spitzenwerte bei hundert Fuß und die Winde erreichen 80 Meilen pro Stunde. 100-Fuß-Wellen übersteigen alle jemals von Computermodellen vorausberechneten Wellenhöhen um 50 Prozent. Es sind die größten Wellen, die man je auf dem Festlandsockel vor Neuschottland gemessen hat. Es sind mit die größten Wellen, die man überhaupt je auf der Welt gemessen hat. Gegen Mitternacht des 28.Oktobers – als der Sturm vor Sable Island seine volle Stärke erreicht hat - ereignet sich an Bord der Andrea Gail eine Katastrophe. Es ist keine Zeit mehr, die Rettungsanzüge anzulegen oder nach einer Schwimmweste zu greifen; das Boot vollführt die extremsten Bewegungen seines Lebens, und es ist nicht einmal mehr Zeit genug zum Schreien. Der Fernseher , die Waschmaschine, die Videokassetten, die Männer, alles fliegt durch die Luft. Und Sekunden später strömt das Wasser ein.
Mit dem Seegangsradar entwickelt Jürgen Dittmer ein Gerät, das an Bord des Schiffes vor einer anrauschenden Monsterwelle warnt. Andere Forscher basteln – ebenfalls im Rahmen von MaxWave - an einem Frühwarnsystem, das im All stationiert ist.
Für die Messung von Seegang verwenden wir Satelliten, die mit Radarsensoren ausgerüstet sind. Das hat den Vorteil, dass man durch die Wolken schauen kann, dass man auch bei Nacht messen kann. Das ist natürlich im Sturm sehr wichtig.
Susanne Lehner arbeitet am DLR, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen. Unter anderem nutzt sie den europäischen Umweltsatelliten ENVISAT mit seinem hochsensiblen Radarauge. Aus einer Höhe von 800 Kilometern sendet ENVISAT Radarstrahlen auf die Meeresoberfläche. Einen kleinen Anteil der Strahlen wirft der Ozean zurück in den Orbit. Dieses Radarecho fängt ENVISAT auf. Und aus der Stärke des Echos schließen die Fachleute auf die Höhe der Wellen.
So ein Satellit fliegt rund um die Erde, nimmt an Tag etwa 1000 Bilder der Meeresoberfläche auf, kleine Bilder, 5 mal 10 Kilometer groß etwa. Und aus diesen Bildern kann man sowohl die mittlere Wellenhöhe wie auch die Einzelwellenhöhe ableiten und kann damit Statistiken erstellen oder Gebiete kontinuierlich überwachen und schauen, wie hoch die Wellen dort sind.
Zum einen wollen Lehner und Co. die gefährliche Seegebiete aufspüren, wo besonders oft starker Seegang herrscht. Zum anderen aber soll der Satellit auch einzelne Monsterwellen dingfest machen. Genau das ist den Forschern nun erstmals gelungen.
Im Gebiet rund um die Antarktis, wo der Wind Zeit und Raum genug hat, sehr hohe Wellen aufzubauen, haben wir eine 30 Meter hohe Welle gefunden.
Susanne Lehner zeigt ein Bild, schwarzweiß mit streifenähnlichen Mustern. Die hellen Abschnitte sind die Wellenberge, die dunklen die Wellentäler. Die Monsterwelle verrät sich durch einen ausgesprochen deutlichen Kontrast von hell und dunkel.
Sind es tatsächlich drei Schwestern, oder können es auch manchmal vier oder fünf sein? Wir groß sind solche Gruppen, und wie verhält sich die Wellenhöhe innerhalb dieser Gruppen von den großen zu den kleineren Wellen? Das kann man auf den Bildern dann auch sehen.
Bis auf einen Meter genau wollen die Experten die Höhe einer Monsterwelle künftig messen. Das Ziel ist ein Frühwarnsystem aus dem Orbit. Es soll die Schiffe rechtzeitig vor einem heranrückenden Kaventsmann warnen. Und soll sogar erkennen, ob eine lange Welle gleich eine kurze überholen und sich zu einer Monsterwelle auftürmen wird.
So etwas ist angedacht, so was ist möglich. Dazu müssen Sie natürlich eine kontinuierliche Überdeckung haben. Sie müssen sozusagen immer da sein, wenn die Extremwelle dort ist. Im Moment bekommen Sie alle 100 Kilometer längs des Orbits ein Bild. Aber die Warnsysteme sind angedacht. Und das französische Wetterzentrum plant so ein Produkt herauszugeben und aktuell vor Gegenden zu warnen, in denen im Moment besondere gefährliche Einzelwellen auftreten.
Mindestens fünf Satelliten wären nötig für eine lückenlose Überwachung der Weltmeere.
Wolfgang Rosenthal jedenfalls zeigt sich zufrieden mit den Fortschritten bei MaxWave, dem EU-Projekt zur Erforschung der Monsterwellen.
Wir sind froh, dass wir diese Einzelwellen vom Weltraum her sehen können. Und nachdem wir die Einzelwellen vom Satelliten her gesehen haben, sind wir guter Hoffnung, dass wir unser Ziel, ein Vorhersagesystem zu konzipieren, erreichen werden bis zum Ende des Projektes in etwa 1,5 Jahren. (37:29) Die wissenschaftliche Seite sollte mit dem Ende des Projektes abgeschlossen sein.
Schon heute denken Rosenthal und seine Partner über ein Nachfolgeprojekt von MaxWave nach. Es soll helfen, die Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen. Gelingt das, könnte künftig mehr Schiffen als heute das Schicksal der Andrea Gail erspart werden.
Am 6.November entdeckt ein kanadischer Pilot ein luftleeres Rettungsfloß vor der Küste von Neuschottland, aber es ist niemand darin. Zwei Tage später sieht die Hannah Boden, die nach drei Wochen auf See in den Heimathafen zurückkehrt, noch einmal eine Ansammlung von Dieselfässern, die an der Seite mit Andrea Gail markiert sind, aber von dem Schiff gibt es nach wie vor keine Spur. Schließlich, am 8.November, eine halbe Stunde vor Mitternacht, wird die Suche nach der Andrea Gail endgültig eingestellt. Sie ist jetzt seit fast zwei Wochen verschollen, und Flugzeuge haben 116.000 Quadratmeilen des Ozeans abgesucht, ohne einen einzigen Überlebenden zu entdecken. Alles, was sie finden konnten, waren ein paar Teile ihrer Decksausrüstung.