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Kehlkopftumoren

Bösartige Tumoren des Kehlkopfes und im unteren Rachenbereich haben sich in den vergangenen Jahren verdoppelt: Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 3.000 Menschen daran. Die wichtigsten Risikofaktoren für Kehlkopfkrebs sind Rauchen und starker Alkoholkonsum. Die Patienten haben am Anfang unspezifische Beschwerden wie anhaltende Heiserkeit oder Reizhusten, deshalb wird die Krankheit häufig erst spät entdeckt. Oft musste dann der gesamte Kehlkopf entfernt werden. Unter anderem in Heidelberg wird nun im Rahmen einer Studie erprobt, ob man mit einer Kombination aus Chemotherapie und Strahlentherapie den Kehlkopf und damit die Stimme erhalten kann.

Gerhard Trey |
    Im Bereich des Kehlkopfes gibt es verschiedene Tumoren. Doch können mit einer neuen Kombi-Therapie die meisten der sogenannten Larynx- Karzinome behandelt werden. Der Leiter der Sektion Onkologie an der HNO- Abteilung der Uniklinik Heidelberg, Privatdozent Dr. Andreas Dietz:

    Larynx-Karzinome beschreiben den Begriff Kehlkopfkrebs, das heißt, ein bösartiger Tumor, der von seiner Gewebeart relativ einheitlich im Kehlkopf vorkommt, nämlich als Plattenepithelkarzinom, das macht etwa 95 Prozent der bösartigen Tumore im Kehlkopf aus. Der kann im Kehlkopfeingangsbereich sich befinden, der kann sich in der Mitte, also auf den Stimmlippen unmittelbar da, wo die Stimme entsteht, befinden oder unterhalb der Stimmlippen im Grenzbereich zur Luftröhre und damit das Ventil Kehlkopf, was Luftröhre von Speiseröhre trennt, beeinträchtigen.

    Kleine, früh entdeckte Karzinome im Kehlkopfbereich sind meist noch lokal begrenzt und können etwa mit Laserchirurgie entfernt werden.

    Es ist in den letzten Jahren oder Jahrzehnten eine ganze Menge entwickelt worden an Kehlkopfteilresektionen, wo man also chirurgisch den Kehlkopf erhalten kann, das ist sehr weit fortgeschritten und vor allem die Laserchirurgie hat in den letzten Jahren Segensreiches bewirkt.

    Oft werden die Tumoren aber erst spät diagnostiziert, weil die Symptome von den Betroffenen nicht richtig gedeutet werden. Dann musste bisher in den meisten Fällen der ganze Kehlkopf operativ entfernt werden. Fehlt der Kehlkopf, geht die Stimme verloren. Hubertus Kempfer wurde 1983 operiert. Er verwendet die so genannte Ruktussprache als Ersatzstimme.

    Ich habe die Ruktussprache gelernt, es war zwar nicht ganz einfach, aber ich komme damit sehr gut zurecht. Wenn es bei einem Patienten nicht klappt mit der Ruktussprache, dann kann er zurückgreifen auf eine elektronische Sprachhilfe.

    Meist gilt bei bösartigen Tumoren die Einschränkung, dass das Karzinom für eine erfolgreiche Therapie noch nicht zu weit fortgeschritten sein darf. Erfreulicherweise ist das bei der neuen kehlkopferhaltenden Methode so nicht der Fall. Gerade auch fortgeschrittene Fälle hat die neue Behandlung im Visier, selbst wenn sich schon Metastasen gebildet haben.

    Das eine ist der Tumor selbst im Kehlkopf, aber auch wenn er gestreut hat in die Hals-Lymphknoten, wenn also schon Halsmetastasen vorliegen, würde uns das nicht hindern an einer solchen Therapie, entscheidend ist der Kehlkopf-Organerhalt und oft gehen mit der Radiochemotherapie auch die Halsmetastasen weg, falls nicht, kann man diese anschließend operieren, jedoch den Kehlkopf gut erhalten, da in der Regel der eigentliche Kehlkopftumor besser anspricht als die Halsmetastasen.

    Die Therapie erfolgt in zwei Stufen. Zuerst setzt man eine Chemotherapie ein und nur wenn diese deutlich anspricht, also mehr als fünfzig Prozent des Tumors sich zurückbilden, kommt der zweite Schritt, die Strahlentherapie. Scheitert die Chemotherapie, wird zur Operation geraten. Denn eine fehlgeschlagene Strahlentherapie könnte den Heilungsverlauf, speziell die Wundheilung nach der dann doch notwendig werdenden Operation beeinträchtigen. Für den Patienten also ein banges Warten auf das Ergebnis der Chemotherapie. Aber auch wenn alles positiv verläuft, verlangt die neue Behandlung einiges vom Patienten: Da heißt es nach vorne schauen, immer die Heilung und die eigene Stimme als Ziel vor Augen halten.

    Natürlich ist die Strahlen – und Chemotherapie kein Spaziergang und für manche vielleicht sogar härter als die Operation. Man kann sämtliche Haare verlieren, es kann zur Unterdrückung des Knochenmarkes kommen mit einer erhöhten Infektbereitschaft, mit Schleimhautentzündungen, die Strahlentherapie kann den ganzen Geschmack kurzfristig lahm legen. Die Mundtrockenheit ist ein großes Problem, weil die kleinen Speicheldrüsen vernichtet werden, die Patienten haben das Gefühl, Erde zu essen über einen ganz langen Zeitraum, dann kommen die massiven Entzündungen mit starken Schmerzen im Mund-Rachenbereich hinzu.

    Trotz allem ist Dr. Dietz sicher, dass die Patienten dies gut durchstehen, wenn sie von den Ärzten entsprechend positiv motivierend geführt und betreut werden. Schließlich steht am Ende die Hoffnung, dass der Kehlkopf erhalten bleiben kann. Aber es gibt auch Rückfälle.

    Wir haben jetzt ein Kollektiv von Patienten, die in Heidelberg, Kassel, Köln und Oldenburg behandelt wurden, da können wir sagen, dass nach einem Jahr etwa 70 Prozent mit gutem Kehlkopferhalt in unsere Tumornachsorge-Ambulanz kommen. Ein gewisser Anteil hat jedoch relativ früh Tumorrezidive, also Wiederkehr des Tumors, gezeigt, sodass wir dann operieren mussten.

    Hubertus Kempfer besucht Patienten, denen eine solche Operation, also die Entfernung des Kehlkopfes, bevorsteht, um ihnen Mut zuzusprechen.

    Ich mache dem Patienten und Angehörigen Mut, dass man nach einer Kehlkopfoperation wieder sprechen lernen kann und dass man auch wieder weiter Mut hat zu leben.

    Mittlerweile wurde eine noch umfassendere Studie zur Radiochemotherapie von DELOS, der "Deutschen Larynx-Organerhalt Studiengruppe" an 17 Zentren in Deutschland gestartet. Koordiniert wird die Aktion von den HNO-Kliniken in Würzburg, Hamburg und Heidelberg.

    Wer Näheres zu DELOS wissen will, kann sich über die Homepage der Studiengruppe informieren.

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