Koldehoff: Die Situation ist da, hätte der erste Kanzler dieser Republik gesagt. Fast könnte man tatsächlich den Eindruck haben, dass der gestern Abend besiegelte Verkauf des Berliner Verlags einer mindestens nationalen Katastrophe gleichkommt. Die Belegschaft hatte schon lange gegen den Verkauf protestiert und agiert, wir haben berichtet. Unter anderem tat sie dies im eigenen Blatt. Sie befürchtet die Zerschlagung des Verlages und den Teilverkauf, weil es Investoren naturgemäß weniger um publizistische als finanzielle Grundsätze geht.
Als heute morgen um 10.15 Uhr der Vertragsabschluss mit dem irischen Unternehmer David Montgomery und seiner Investorengruppe offiziell bekannt gegeben wurde, da äußerten schon Minuten später, unter anderem Kulturstaatsministerin Christina Weiss, die Gewerkschaft ver.di und der deutsche Journalistenverband starke Bedenken. Den Medienforscher Horst Röper habe ich gefragt, ob dieser erste Einstieg einer ausländischen Investorengruppe in den deutschen Zeitungsmarkt tatsächlich so etwas wie der Anfang vom Ende des Abendlandes ist?
Röper: Nein, ganz gewiss nicht. Ich halte diese Reaktion auch zum Teil für überzogen. Daran tragen weniger die Kommentatoren als der Anlass die Schuld. Herr Montgomery hat nun mal sich in Großbritannien sich einen fürchterlichen Ruf erworben, und dieser Ruf begleitet ihn nur hier in die Bundesrepublik. Die Kritiker und Skeptiker erwarten, dass er hier ähnlich rigide vorgehen wird, das heißt also beim Berliner Verlag die Kosten mit Macht reduzieren will, um die Rendite zu erhöhen. Wenn ihm das gelingt, würde das zwar die Rendite des Unternehmens steigern und er täte etwas für seine Geldgeber, aber das wäre nun in der Tat fatal für die Zeitungskultur hierzulande.
Koldehoff: Nun kommen die Befürchtungen, die Sie gerade auch noch mal erwähnt haben, ja nicht von ungefähr, denn Sinn einer Investorengruppe oder einer Firma, die Investoren betreut, ist es ja nun mal, den Gewinn zu maximieren, und wenn es der Firma Holtzbrinck beziehungsweise dem Berliner Verlag bislang nicht geglückt worden ist in der Konstellation, in der das Ganze bislang existierte, liegt es ja nahe, dass er irgendwie die Kosten wird senken müssen, oder?
Röper: Ja, das sehe ich auch so. Natürlich ist das nicht gerade frohlockend, dass nun hier renditefreudiges Kapital ins Land kommt, denn die Risiken, die damit verbunden sind, sind gegeben, aber Herr Montgomery hat auch angekündigt, er wolle in der Bundesrepublik gleich mehrere Zeitungen aufkaufen, wolle eine Verlagskette bilden. Wenn er dies tatsächlich vorhat, dann, denke ich, wird er sich zunächst einmal zumindest beim Berliner Verlag zurückhalten müssen, denn würde er dort mit dem eisernen Besen kehren, würde ihn das sicherlich für weitere Käufe hier in der Bundesrepublik disqualifizieren.
Koldehoff: Stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates des Berliner Verlages soll Gerd Schulte-Hillen werden, früher Chef bei Gruner + Jahr, später dann in den Bertelsmann, also in den Mutterkonzern gewechselt. Ist das ein kluger Schachzug von Montgomery gewesen?
Röper: Ich denke, ja, denn Gerd Schulte-Hillen ist nicht nur ein Experte für den Medienmarkt in der Bundesrepublik, sondern er ist auch ein durchaus positiv beleumundeter Manager auch in der Belegschaft von Gruner + Jahr, und der Berliner Verlag gehörte ja lange Zeit zu Gruner + Jahr. Also ich denke mal, das wird auf manchen Mitarbeiter doch beruhigend wirken, denn von Schulte-Hillen war man in seiner aktiven Zeit eben Entlassungen im großen Stil zumindest nicht gewohnt. Also damit verbinden sich schon Hoffnungen, dass ein Kehraus beim Berliner Verlag so nicht stattfinden wird, wie manche ihn befürchten.
Koldehoff: Welche Signalwirkung könnte denn dieser Verkauf jetzt haben? Könnten weitere folgen?
Röper: In der Bundesrepublik stehen ja gar nicht so viele Zeitungen zum Verkauf. Wir haben nur einzelne Produkte pro Jahr hier am Markt gesehen, und in der Regel werden diese Zeitungen dann im Vorfeld schon, also nicht über die große Glocke, nicht etwa über Anzeigen veräußert, sondern an Kollegen aus dem Verlegerlager veräußert.
Koldehoff: Wie vergleichbar sind eigentlich überhaupt Zeitungsmärkte? Also wenn es immer heißt, Montgomery hat sich keine Meriten in seinem Heimatland erworben, lässt sich das 1 zu 1 auf Deutschland übertragen?
Röper: Also die Vorgehensweise, da wird man abwarten müssen, was Montgomery wirklich plant, aber grundsätzlich ist der Zeitungsmarkt in Großbritannien von dem deutschen doch sehr stark zu unterscheiden. Wir haben es eben mit einem klassischen zentralistischen Land zu tun, in dem die überregionalen Titel ein ganz erhebliches Gewicht haben. Hier in Deutschland dominieren im Zeitungsmarkt aber die lokalen und regionalen Abonnementszeitungen, also wir haben hier schon ganz andere Marktbedingungen und speziell in Berlin auch einen sehr munteren Wettbewerb zwischen den Tageszeitungen und zwischen den Tageszeitungsverlagen.
Koldehoff: Es ist immer wieder ins Feld geführt worden, vor allen Dingen von der protestierenden Belegschaft der Berliner Zeitung und des Berliner Verlages, man hätte doch bitte lieber mit deutschen Verlegern, DuMont ist genannt worden, die WAZ-Gruppe ist genannt worden, verhandeln sollen. Wäre das aus Ihrer Sicht tatsächlich eine bessere Lösung gewesen?
Röper: Also aus Sicht der Belegschaft nachvollziehbar, weil die genannten Häuser zwar nicht gerade sehr vornehm mit ihren Mitarbeitern umgehen, aber weil doch Entlassungen im größeren Stil von diesen Häusern bisher nicht bekannt sind. Es hätte aber auf der publizistischen Seite einen großen Nachteil gehabt, denn wir haben einen ohnehin schon sehr hochkonzentrierten Tageszeitungsmarkt, in dem einzelne Player schon einen gewichtigen Einfluss haben auf die öffentliche Meinungsbildung. Das gilt sowohl für den WAZ-Konzern als auch für den DuMont-Konzern, also diese beiden wären dann ja mit dem Berliner Verlag noch mächtiger geworden, und das wäre unter den publizistischen Aspekten schon keine glückliche Lösung gewesen. Hier die Macht stärker zu verteilen, also auch durch ausländische Investoren, ist unter diesen Aspekten eher positiv zu bewerten.
Koldehoff: Vielen Dank für das Gespräch.
Als heute morgen um 10.15 Uhr der Vertragsabschluss mit dem irischen Unternehmer David Montgomery und seiner Investorengruppe offiziell bekannt gegeben wurde, da äußerten schon Minuten später, unter anderem Kulturstaatsministerin Christina Weiss, die Gewerkschaft ver.di und der deutsche Journalistenverband starke Bedenken. Den Medienforscher Horst Röper habe ich gefragt, ob dieser erste Einstieg einer ausländischen Investorengruppe in den deutschen Zeitungsmarkt tatsächlich so etwas wie der Anfang vom Ende des Abendlandes ist?
Röper: Nein, ganz gewiss nicht. Ich halte diese Reaktion auch zum Teil für überzogen. Daran tragen weniger die Kommentatoren als der Anlass die Schuld. Herr Montgomery hat nun mal sich in Großbritannien sich einen fürchterlichen Ruf erworben, und dieser Ruf begleitet ihn nur hier in die Bundesrepublik. Die Kritiker und Skeptiker erwarten, dass er hier ähnlich rigide vorgehen wird, das heißt also beim Berliner Verlag die Kosten mit Macht reduzieren will, um die Rendite zu erhöhen. Wenn ihm das gelingt, würde das zwar die Rendite des Unternehmens steigern und er täte etwas für seine Geldgeber, aber das wäre nun in der Tat fatal für die Zeitungskultur hierzulande.
Koldehoff: Nun kommen die Befürchtungen, die Sie gerade auch noch mal erwähnt haben, ja nicht von ungefähr, denn Sinn einer Investorengruppe oder einer Firma, die Investoren betreut, ist es ja nun mal, den Gewinn zu maximieren, und wenn es der Firma Holtzbrinck beziehungsweise dem Berliner Verlag bislang nicht geglückt worden ist in der Konstellation, in der das Ganze bislang existierte, liegt es ja nahe, dass er irgendwie die Kosten wird senken müssen, oder?
Röper: Ja, das sehe ich auch so. Natürlich ist das nicht gerade frohlockend, dass nun hier renditefreudiges Kapital ins Land kommt, denn die Risiken, die damit verbunden sind, sind gegeben, aber Herr Montgomery hat auch angekündigt, er wolle in der Bundesrepublik gleich mehrere Zeitungen aufkaufen, wolle eine Verlagskette bilden. Wenn er dies tatsächlich vorhat, dann, denke ich, wird er sich zunächst einmal zumindest beim Berliner Verlag zurückhalten müssen, denn würde er dort mit dem eisernen Besen kehren, würde ihn das sicherlich für weitere Käufe hier in der Bundesrepublik disqualifizieren.
Koldehoff: Stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates des Berliner Verlages soll Gerd Schulte-Hillen werden, früher Chef bei Gruner + Jahr, später dann in den Bertelsmann, also in den Mutterkonzern gewechselt. Ist das ein kluger Schachzug von Montgomery gewesen?
Röper: Ich denke, ja, denn Gerd Schulte-Hillen ist nicht nur ein Experte für den Medienmarkt in der Bundesrepublik, sondern er ist auch ein durchaus positiv beleumundeter Manager auch in der Belegschaft von Gruner + Jahr, und der Berliner Verlag gehörte ja lange Zeit zu Gruner + Jahr. Also ich denke mal, das wird auf manchen Mitarbeiter doch beruhigend wirken, denn von Schulte-Hillen war man in seiner aktiven Zeit eben Entlassungen im großen Stil zumindest nicht gewohnt. Also damit verbinden sich schon Hoffnungen, dass ein Kehraus beim Berliner Verlag so nicht stattfinden wird, wie manche ihn befürchten.
Koldehoff: Welche Signalwirkung könnte denn dieser Verkauf jetzt haben? Könnten weitere folgen?
Röper: In der Bundesrepublik stehen ja gar nicht so viele Zeitungen zum Verkauf. Wir haben nur einzelne Produkte pro Jahr hier am Markt gesehen, und in der Regel werden diese Zeitungen dann im Vorfeld schon, also nicht über die große Glocke, nicht etwa über Anzeigen veräußert, sondern an Kollegen aus dem Verlegerlager veräußert.
Koldehoff: Wie vergleichbar sind eigentlich überhaupt Zeitungsmärkte? Also wenn es immer heißt, Montgomery hat sich keine Meriten in seinem Heimatland erworben, lässt sich das 1 zu 1 auf Deutschland übertragen?
Röper: Also die Vorgehensweise, da wird man abwarten müssen, was Montgomery wirklich plant, aber grundsätzlich ist der Zeitungsmarkt in Großbritannien von dem deutschen doch sehr stark zu unterscheiden. Wir haben es eben mit einem klassischen zentralistischen Land zu tun, in dem die überregionalen Titel ein ganz erhebliches Gewicht haben. Hier in Deutschland dominieren im Zeitungsmarkt aber die lokalen und regionalen Abonnementszeitungen, also wir haben hier schon ganz andere Marktbedingungen und speziell in Berlin auch einen sehr munteren Wettbewerb zwischen den Tageszeitungen und zwischen den Tageszeitungsverlagen.
Koldehoff: Es ist immer wieder ins Feld geführt worden, vor allen Dingen von der protestierenden Belegschaft der Berliner Zeitung und des Berliner Verlages, man hätte doch bitte lieber mit deutschen Verlegern, DuMont ist genannt worden, die WAZ-Gruppe ist genannt worden, verhandeln sollen. Wäre das aus Ihrer Sicht tatsächlich eine bessere Lösung gewesen?
Röper: Also aus Sicht der Belegschaft nachvollziehbar, weil die genannten Häuser zwar nicht gerade sehr vornehm mit ihren Mitarbeitern umgehen, aber weil doch Entlassungen im größeren Stil von diesen Häusern bisher nicht bekannt sind. Es hätte aber auf der publizistischen Seite einen großen Nachteil gehabt, denn wir haben einen ohnehin schon sehr hochkonzentrierten Tageszeitungsmarkt, in dem einzelne Player schon einen gewichtigen Einfluss haben auf die öffentliche Meinungsbildung. Das gilt sowohl für den WAZ-Konzern als auch für den DuMont-Konzern, also diese beiden wären dann ja mit dem Berliner Verlag noch mächtiger geworden, und das wäre unter den publizistischen Aspekten schon keine glückliche Lösung gewesen. Hier die Macht stärker zu verteilen, also auch durch ausländische Investoren, ist unter diesen Aspekten eher positiv zu bewerten.
Koldehoff: Vielen Dank für das Gespräch.