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Kehrtwende von der Energiewende befürchtet

Der Energiewende könnte das den Schwung rauben: In dem Brief an Bundeswirtschaftsminister Rösler und Umweltminister Röttgen fordern Parlamentarier der Koalition harte Einschnitte bei der Förderung der erneuerbaren Energien. Für den Grünen Hans-Josef Fell wäre das ein fataler Schritt.

Hans-Josef Fell im Gespräch mit Theo Geers | 01.12.2011
    Theo Geers: Knapp neun Monate ist es her, dass in Fukushima die unkalkulierbaren Restrisiken der Atomkraft aufgezeigt wurden. Deutschland hat aus Fukushima Konsequenzen gezogen wie kein anderes Industrieland. Die Laufzeitverlängerung für Atommeiler wurde wieder einkassiert, der Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen und die Energiewende hin zu den Erneuerbaren gleich mit. Schon 2020 sollen 35 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Energien kommen; das wäre doppelt so viel wie heute. 2050 sollen es 80 Prozent sein. Und das Ganze soll auch noch umweltfreundlich, zuverlässig und bezahlbar sein, so steht es im immer noch gültigen Energiekonzept der Bundesregierung.

    Doch nun droht offenbar eine abermalige Wende in der Energiewende, und darüber wollen wir mit Hans-Josef Fell sprechen. Er ist energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und jetzt in Berlin am Telefon. Guten Tag, Herr Fell.

    Hans-Josef Fell: Guten Tag, Herr Geers.

    Geers: Herr Fell, die Fraktionsvorsitzenden von Union und FDP haben am Montag einen Brief geschrieben, der hat es in sich. In dem Brief an Bundeswirtschaftsminister Rösler und Umweltminister Röttgen fordern Volker Kauder für die CDU, Rainer Brüderle für die FDP und Gerda Hasselfeldt für die CSU harte Einschnitte bei der Förderung der erneuerbaren Energien. Die Ausgaben sollen auf dem Stand von 2011 gedeckelt werden. Was heißt denn das für die im Sommer verkündete Energiewende jetzt?

    Fell: In der Tat wäre die Umsetzung dieser Vorschläge eine drastische Reduktion des Ausbaus der erneuerbaren Energien und damit eine Kehrtwende von der Energiewende. Frau Merkel hat ja noch im Frühjahr diesen Jahres gesagt, nach Fukushima, jetzt sollten die erneuerbaren Energien beschleunigt ausgebaut werden. Wenn diese Forderungen aus diesem Brief umgesetzt werden, ist das aber kein beschleunigter Ausbau, sondern es ist ein drastischer Rückschritt des Ausbaus der erneuerbaren Energien.

    Geers: Wären dann die Ziele, die ich gerade genannt habe, überhaupt erreichbar?

    Fell: Aus unserer Sicht nein.

    Geers: Warum nicht? Wo würde man dann ungefähr auskommen, wenn wir zum Beispiel 35 Prozent in 2020, oder die 80 Prozent in 2050 nehmen?

    Fell: Das kann man nicht so leicht mit Zahlen belegen, weil ja nicht ganz klar ist, was dann tatsächlich umgesetzt wird. Klar ist nur, dass beispielsweise die erfolgreiche Fotovoltaik auf ein Siebtel der jährlichen Produktion gekürzt werden soll wie im letzten Jahr der jährlichen Neuinstallationen. Dies ist ein dermaßen scharfer Eingriff, der nicht nur den Ausbau der erneuerbaren Energien insgesamt beeinträchtigen wird, denn die Solarwirtschaft war eine der Stützen in den letzten beiden Jahren für den Ausbau, aber es wäre gleichzeitig ein KO-Schlag für die deutsche Solarwirtschaft an sich, 100.000 Arbeitsplätze würden auf dem Spiel stehen.

    Geers: Das heißt, Sie kritisieren diese Deckelung? Wir bleiben mal kurz bei der Fotovoltaik. Der Zubau soll auf 1000 Megawatt pro Jahr begrenzt werden. Zum Vergleich: Dieses Jahr werden wahrscheinlich gut 5000 Megawatt an Leistung installiert. Das heißt, diesen Ausstieg aus der Solarförderung halten Sie für grundfalsch?

    Fell: Es waren im letzten Jahr sogar 7500 Megawatt, die installiert wurden. Das wäre vor allem aus dem Grunde falsch: Wir haben eine solch starke Innovation hinter uns, in den letzten drei Jahren hat sich die Förderung, die notwendig war, um wirtschaftlich rentabel investieren zu können, halbiert und in den nächsten Jahren haben wir noch einen weiteren drastischen Rückgang der Investitionskosten zu erwarten. Somit entwickelt sich allmählich die Fotovoltaik zu einer der günstigsten Energiequellen überhaupt, die wir haben. Und just an diesem Zeitpunkt, wo es nun gilt, auch internationale Märkte zu erobern und das Wachsen der Klimaschutzbemühungen auch anderer Länder mit deutscher Exporttechnologie zu unterstützen, just in diesem Zeitpunkt setzt Schwarz-Gelb den Hebel an zum KO-Schlag für diese Wirtschaft.

    Geers: Sie sprechen von KO-Schlag, Herr Fell. Auf der anderen Seite sagt die Bundesregierung beziehungsweise sagen die Fraktionsspitzen von Union und FDP, gerade der Solarstrom sei ja so teuer. Er liefert gerade mal drei Prozent unseres Strombedarfs, frisst aber über 50 Prozent der Ökostrom-Förderung, und so könne es nicht weitergehen. Da anzusetzen, macht doch Sinn, oder nicht?

    Fell: Also zunächst mal ist die Bundesregierung ja selbst Verursacher, dass die EEG-Umlagekosten drastisch steigen. Immer mehr Ausnahmetatbestände für immer mehr Branchen heben natürlich den Restkunden, der die EEG-Umlage zu zahlen hat, als Stromkunden dann immer mehr in die Belastung hinein. Dadurch steigt vor allem die EEG-Umlage. Aber es sind auch andere hausgemachte Fehler wie beispielsweise die Marktprämie, die keine wirkliche Marktindikation schafft, aber eine Verteuerung des EEGs. Es sind Fehler gemacht worden bei der EEG-Novelle im letzten Jahr, die diese Kosten steigen lassen. Der Solarstrom ist nicht daran Schuld, denn er senkt die Kosten – alleine auch darüber: Wenn viel Wind weht und viel Sonne im Netz ist, dann sinken die Strompreise. Auch dieser Effekt wird in der EEG-Umlage nicht weitergegeben. Insofern: Die erneuerbaren Energien sind sogar die Chance, aus der Preis-Energie-Falle herauszukommen, die uns der Ölpreis im Moment beschert. Die konventionellen Energien treiben doch dramatisch nach oben, und dies ist eine hohe Belastung für die Wirtschaft. Jetzt ausgerechnet an der Lösung der erneuerbaren Energien anzusetzen, halte ich für fundamental falsch.

    Geers: Eine letzte Frage, Herr Fell, und Bitte um eine kurze Antwort. Was sollte stattdessen passieren? Sollte man alles so lassen, wie es ist?

    Fell: Nein. Man kann da natürlich sehr gut eingreifen. Es ist möglich, den Fortschritt – und das ist im Gesetz ja auch angelegt: 15 Prozent Kostenreduktion erneut für die Einspeisevergütung im nächsten Jahr, und wir sollten das wirken lassen. Die Gesetzgebung, die im Moment in Kraft ist, ist an dieser Stelle ganz gut, und da sollten wir abwarten, wie sich das entwickelt, und nicht neue Verunsicherung für die Branche schaffen.

    Geers: Union und FDP wollen das Rad bei der Energiewende hin zu den Erneuerbaren zurückdrehen. Das kritisiert Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Vielen Dank.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.