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Kein Blut am Handy

Unternehmen sollen in den USA künftig offenlegen, ob die von ihnen verwendeten Materialien, etwa Mineralien für Handys, aus Konfliktgebieten stammen. Das verlangt ein Passus im neuen Finanzgesetz, der verhindern soll, dass Rohstoffkäufe Waffen und Kriege finanzieren.

Von Heike Wipperfürth | 15.04.2011
    Ein Anti-Werbespot: Mineralien wie Kassiterit und Coltan aus dem Kongo werden weltweit in Handys, Laptops und Digitalkameras verarbeitet - und finanzieren den Krieg im Herzen Afrikas. "Es reicht! - Enough!", meint die gleichnamige US-Menschenrechtsorganisation Enough Project, die den Spot produziert hat. Sie fordert US-Konsumenten zum Boykott der Bluthandys auf, sie sollen nur noch saubere Ware kaufen.

    Doch welche Mineralien im Kongo sind eigentlich konfliktfrei - und welche nicht? Auf diese Frage will die Obama-Regierung jetzt eine Antwort haben: Von rund 6000 Firmen, die in den USA an der Börse notiert sind, und ihren Zulieferern, sagt David Johansen, Jurist in der Wirtschaftskanzlei White & Case in Manhattan.

    " Ich bekam Anrufe von Klienten, die sehr überrascht waren, dass sie Fragen beantworten müssen, obwohl sie nicht an der Börse notiert sind. Aber ihre Kunden sind börsennotiert - und die brauchen ihre Hilfe bei der Zusammenstellung der Zuliefererkette."

    Hintergrund ist ein Passus im neuen Dodd-Frank-Gesetz. Danach müssen Firmen, die Konfliktmineralien aus dem Kongo verarbeiten, die Zuliefererkette mit größtmöglicher Genauigkeit bis zum Ursprung zurückverfolgen - und dies für die Öffentlichkeit auch im Jahresbericht dokumentieren.

    Die um ihr Image besorgte Elektronikbranche reagiert: So will die Electronics Industry Citizenship Coalition, eine Gemeinschaft von Elektronikfirmen wie Intel, Apple, HP und Samsung, keine Erze aus dem Kongo mehr kaufen, die nicht nachweisbar konfliktfrei sind - obwohl sie genau weiß, dass eine genaue Herkunftsbestimmung noch gar nicht möglich ist, sagt Jason Stearns, ein Krisenexperte und ehemaliger UNO-Mitarbeiter im Kongo.

    "Es gibt ein paar Firmen, die Basisarbeit bei der Informationsoffenlegung gemacht haben. Aber das ist sehr lückenhaft geschehen und befasst sich nur mit ein paar Minen in der Gegend. Wenn das alles langfristig funktionieren soll, muss man für alle Minen Zertifikate ausstellen. Kurzfristig geht das aber nicht."

    Zudem warnen Kritiker, dass ein Boykott die Demokratische Republik Kongo noch tiefer in wirtschaftliche Schwierigkeiten und Gewalt treiben könnte. Doch das neue US-Gesetz sieht weder ein Handelsverbot vor - noch müssen Firmen, die Blutmineralien verwenden, Strafe zahlen. Sie sollen es nur zugeben - es geht um Transparenz. Jason Stearns:

    "Ein erster Bericht einer Firma an die US-Börsenaufsicht SEC könnte so aussehen: Wir haben mit der Informationsoffenlegung angefangen, hier ist, was wir unter den schwierigen Bedingungen im Kongo machen konnten. Wir sind nicht ganz sicher, ob wir völlig konfliktfrei sind - das wäre eine gute Antwort."

    Peter Rosenblum stimmt dem zu. Doch der Juraprofessor für Menschenrechte an der Columbia Universität will mehr. Er fordert den direkten Einsatz der internationalen Gemeinschaft bei der Überwachung des Erzhandels im Kongo. Nur mit ihrer Hilfe könne dieser unter legalen Bedingungen im Krisengebiet stattfinden.

    "Wir brauchen eine enge Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden zur Überprüfung, Überwachung und Beschlagnahmung der Mineralien, wenn sie geschmuggelt werden."

    Dass das neue US-Gesetz dem 15 Jahre währenden Krieg im Kongo ein Ende bereitet, glaubt keiner. Vielleicht kann es zumindest dazu beitragen, einzelne Quellen auszutrocknen, die die Konflikte dort auf Kosten der Bevölkerung nähren. Und es soll wohl auch ein Anreiz für die kongolesische Regierung sein, endlich etwas gegen die brutale Entstehungsgeschichte eines kleinen Handys zu unternehmen. Peter Rosenblum:

    "Das US-Gesetz ist auch im besten Interesse der kongolesischen Regierung. Sie bezieht keine Steuergelder aus dem illegalen Mineralienhandel. Das Geld geht an die Schmuggler. Das könnte sich ändern, wenn sie bei der Legalisierung des Handels hilft."