Zuwanderung
Kanzler wirft Merz mangelnde Führung vor - "Gesprächsabbruch im Voraus geplant"

Bundeskanzler Scholz hat nach dem Abbruch der Asyl-Gespräche durch die Union schwere Vorwürfe gegen CDU-Chef Merz erhoben. "Ich kann nur sagen: Das Rausgehen aus dieser Runde, das stand schon vorher fest. Und das ist blamabel für diejenigen, die das zu verantworten haben", so Scholz.

    "Führung sieht anders aus. Charakter, Ehrlichkeit und Festigkeit sind für dieses Land gefragt und nicht solche kleinen Taschenspielertricks und Provinz-Schauspielereien." Scholz sagte, Führung bedeutet, Führung bei den eigenen Leuten. Führung bedeutet, dass man nicht davonläuft. Und Führung bedeutet, dass man Kompromisse machen kann." Aber das müsse man dann auch wollen.

    "Schon das zweite Mal davongelaufen"

    Merz hat nach Angaben von Scholz schon im vergangenen Jahr Gespräche mit dem Bund und den Ländern zu diesem Thema abgebrochen. Der CDU-Chef habe damals drei Tage lang überlegt und dann gesagt, er habe keine Lust und sei davongelaufen. Jetzt habe der Oppositionsführer aus einem vertraulichen Gespräch mit ihm in der Öffentlichkeit berichtet und dann Gespräche mit der Regierung angekündigt - die er nun wieder verlassen habe. Das sei schade, weil auch der Bundespräsident zuvor gemeinsame Lösungen von Regierung und Opposition angemahnt habe.

    Merz: "Regierung ist handlungsunfähig"

    Er vermisse Führung durch Kanzler Scholz (SPD), kritisierte Merz. Dieser hätte spätestens jetzt wirklich von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen müssen und es durchsetzen müssen. Dazu seien keine rechtlichen Regelungen und keine Gesetzgebung im Bundestag nötig gewesen, nur eine Verwaltungstätigkeit der Bundesregierung. "Dazu hätte der Bundeskanzler eine entsprechende Anweisung geben können. Er tut es nicht. Die Regierung ist führungslos." CSU-Landesgruppenchef Dobrindt meinte, die Handlungsunfähigkeit der Regierung sei eine Gefährdung der Ordnung und des gesellschaftlichen Zusammenhalts in Deutschland.

    Kritik an Union auch von SPD, Grünen und FDP

    Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Mihalic warf CDU und CSU eine Politik der Show-Effekte vor. Die Union habe bis zum heutigen Tag keinen Vorschlag eingebracht, der auf dem Boden des EU-Rechts stehe. SPD-Generalsekretär Kühnert sagte der Deutschen Presse-Agentur, Unionsfraktionschef Merz sei zum Kompromiss nicht mehr fähig. FDP-Generalsekretär Djir-Sarai kritisierte die Beendigung der Gespräche durch die Union.

    Regierung plant konkrete Maßnahmen

    Die Bundesregierung bedauerte die Entscheidung der Union. Bundesjustizminister Buschmann (FDP) erklärte, bei Maßnahmen zur Eindämmung der irregulären Migration sei die Bundesregierung bereit, alles zu tun, was im Rahmen des nationalen und des europäischen Rechts möglich ist. Man könne nicht von einer Bundesregierung verlagen, dass sie sich offen in Widerspruch zum Recht stellt. Bei Forderungen der Union nach unmittelbaren Zurückweisungen an den deutschen Grenzen sei dies aber der Fall. Bundesinnenministerin Faeser betonte, es dürfe "keine riskanten Ausnahmen vom geltenden europäischen Recht und keinen deutschen Alleingang geben."

    Faeser schlägt Grenz-Verfahren für Asylsuchende vor

    Innenministerin Faeser hat ein Konzept vorgelegt, dass mehr und schnellere Zurückweisungen von Geflüchteten in EU-Staaten ermöglichen soll. Demnach erhält die Bundespolizei mehr Befugnisse und soll bereits an der Grenze prüfen, ob ein anderer Mitgliedsstaat für die Durchführung des Asyl-Verfahrens zuständig ist. Gegebenenfalls kann die Bundespolizei dann bei einem zuständigen Gericht Haft wegen Fluchtgefahr beantragen.
    Die Unterbringung in Haft ist den Plänen zufolge so lange vorgesehen, bis der betroffene Geflüchtete gemäß der sogenannten Dublin-Regeln an das Mitgliedsland abgeschoben wird, in dem es zuerst in die EU gekommen ist. Um Abschiebungen zu beschleunigen will die Bundesregierung Gespräche mit den betroffenen EU-Ländern führen. Zudem sollen mehr Abschiebe-Haftplätze in Grenznähe entstehen. Bereits gestern hatte Faeser Grenzkontrollen an allen deutschen Landesgrenzen angekündigt.

    Polen kritisiert geplante Grenzkontrollen

    Polen kritisiert die Pläne der Bundesregierung zur Einführung von vorübergehenden Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen. Ein solches Vorgehen sei inakzeptabel, sagte Regierungschef Tusk in Warschau. Das Schengen-Abkommen werde damit praktisch ausgesetzt.
    Der österreichische Innenminister Karner hatte zuvor betont, man werde keine Personen entgegennehmen, die aus Deutschland zurückgewiesen würden. Dagegen meinte der tschechische Innenminister Rakusan, bei den Kontrollen handele es sich um eine Verlängerung der Maßnahmen, die bereits seit einigen Monaten gelten würden.
    Seit Oktober 2023 gibt es bereits stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien. An der deutsch-österreichischen Landgrenze gibt es Kontrollen, die mit der irregulären Migration begründet werden, deutlich länger.
    Diese Nachricht wurde am 10.09.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.