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Kein flächendeckendes Frühwarnsystem für Meteoriten

Die Flugbahn kleinerer Himmelskörper ist nur sehr schwer vorhersehbar, sagt Manfred Gaida, Astronom am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Erst in den nächsten 100 bis 200 Jahren sei man vielleicht soweit, vor Einschlägen wie in Russland zu warnen.

Manfred Gaida im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
    Jürgen Zurheide: Die Bilder sind beeindruckend und, ja, sie machen auch Angst, die Bilder des Meteoriten, der 1500 Kilometer südlich von Moskau gestern niedergegangen ist und allerdings nichts mit dem Asteroiden zu tun gehabt haben soll, von dem wir ja wussten oder möglicherweise auch nur hofften, dass er an der Erde vorbeigeflogen ist, was dann auch passiert ist.

    Über all das wollen wir reden mit Manfred Gaida, dem Astronomen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, den ich jetzt am Telefon begrüße erst mal, guten Morgen, Herr Gaida!

    Manfred Gaida: Ja, schönen guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Jetzt habe ich gerade schon gesagt, unsereinem macht so was möglicherweise auch Angst. Wie ist das denn bei dem professionellen Beobachter, was haben Sie da gestern gesehen und mit welcher Gefühlslage sind Sie da herangegangen?

    Gaida: Ja, zunächst war ich ziemlich überrascht, als die Meldung kam, und man versucht natürlich, die Glaubwürdigkeit dieser Meldung dann auch nach und nach zu verifizieren. Das ist dann auch gelungen, es ist in der Tat ein Meteorit in einer Höhe wohl von 30 bis 50 Kilometern explodiert, hat eine Druckwelle aufgebaut und diese Druckwelle hat dann die Zerstörungen auf dem Boden geführt. Und sekundär sind dann eben auch Menschen verletzt worden. Zum Glück nicht so schlimm, dass es irgendwie gravierende körperliche Schäden wohl gegeben hat.

    Zurheide: Jetzt erklären Sie uns zunächst mal: Die Kraft, die da auftritt, die wird verglichen mit der Sprengkraft von erheblichen Atombomben. Also, was passiert da?

    Gaida: Ja, zunächst muss man unterscheiden, bei Atombomben wird natürlich auch Radioaktivität freigesetzt, das ist bei einem solchen Körper nicht der Fall. Aber man kann natürlich rein die kinetische Energie, die sich dann umwandelt in Wärmeenergie und in eine Schockwelle, die kann man natürlich umrechnen. Und dann kommt man auf diese großen Mengen, die man vergleicht mit Atombombenenergien, obwohl das natürlich eine andere Wirkung erzeugt.

    Zurheide: Jetzt kommen wir mal auf den Zusammenhang, den da der ein oder andere herstellt und sagt, auf der einen Seite dieser Meteorit, also das Gestein, was dann auf die Erde gekommen ist. Und dann der Asteroid, der vorbeigeflogen ist, wie Sie das ja hoffentlich alle vorher berechnet haben. Gibt es da wirklich keinen Zusammenhang?

    Gaida: Also, das war wohl purer Zufall. Wenn man die Bahnen, soweit ich das aus der Ferne verfolgt habe, analysiert, dann besteht da kein Zusammenhang. Die Bahnen sind zum Teil konträr verlaufen, sodass man also davon ausgehen kann, dass diese Körper nicht irgendwie gemeinsam, zeitversetzt, auf der gleichen Bahn entlanggelaufen sind, sondern dass es wirklich zwei unabhängige Ereignisse waren.

    Zurheide: Auf der anderen Seite, das, was in Russland passiert ist, hat niemand vorhergesagt, auch sie nicht, also "sie" jetzt kleingeschrieben, also sie als Wissenschaftler, die das ja eigentlich beobachten. Wie kann das passieren, fragt der Laie?

    Gaida: Ja, diese Körper im Meterbereich sind so klein, dass man sie nicht schon langfristig vorher entdecken kann. Und das ist eben Schicksal der Natur, dass die dann ganz plötzlich am Himmel auftauchen und, wenn sie dann über bewohntes Gebiet niedergehen, dann auch zu solchen verheerenden Katastrophen führen können.

    Zurheide: Also, wenn ich die Größenangaben jetzt richtig im Kopf habe, war das, was niedergegangen ist, hatte einen Umfang von 30 Metern. Und der andere, der vorbeigeflogen ist, der Asteroid, 50 Meter Durchmesser. Sind das die Größenordnungen, die ich mir da vorstellen muss?

    Gaida: Ja, also, für die Meteoriten werden auch kleinere Zahlen, so im Meter- bis Zehn-Meter-Bereich gehandelt. Es ist natürlich im Nachhinein schwierig nachzuweisen, weil man den Körper ja selber nicht gesehen hat, aber von den Ausmaßen her denke ich, ist 30 Meter einfach zu hoch gegriffen.

    Zurheide: Okay, also ist das kleiner. Was haben Sie denn persönlich zum Beispiel gesehen? Von Deutschland, hieß es, konnte man den Asteroiden, also das, was vorbeigeflogen ist, der 50 Meter Durchmesser haben soll, konnte man nicht sehen. Haben Sie irgendwas sehen können oder wie haben Sie den Tag gestern da verbracht?

    Gaida: Also, ich habe nichts sehen können, weil das Wetter einfach zu schlecht war. Und wenn man etwas hätte sehen wollen, dann bräuchte man ein etwas lichtstärkeres Fernglas, um diesen Körper, diesen Asteroiden, dann mit einer Magnitude, also einer Größenklasse von 7,3 – das ist also jenseits dessen, was das menschliche Auge erkennen kann – wahrzunehmen. Aber ich werde mir heute Morgen noch mal das Internet anschauen, Bilder von anderen Stellen der Erde, da wird dieses Objekt sicherlich in voller Pracht dann zu sehen sein.

    Zurheide: Jetzt geht ja die Frage um, was kann man denn tun, um solche Ereignisse besser vorherzusagen? Der russische Präsident hat sich da geäußert und natürlich wie immer sehr entschlossen gesagt, wir müssen da irgendetwas tun, um uns besser vorzubereiten. Sind das, um es klar zu sagen, die üblichen Reden von Politikern. Oder kann oder sollte man wirklich etwas tun?

    Gaida: Ja, es ist natürlich naheliegend, dass man jetzt die Bevölkerung vor so etwas schützen möchte. Aber in diesem Bereich, wie ich eben schon andeutete, in diesem Meterbereich ist es ungemein schwierig, solche kleinen Objekte schon im Vorfeld relativ schnell zu entdecken. Ich las heute in der Zeitung, ein Hund habe gebellt zehn Minuten vorher. Ich kann das nicht so richtig nachvollziehen – bei der Geschwindigkeit müsste das Objekt dann noch praktisch 6000 Kilometer weit entfernt gewesen sein –, dass der Hund so eine Fernwirkung haben sollte. Also, kurzum: Ich rechne nicht in nächster Zukunft, dass es gelingen wird, ein flächendeckendes, rund um die Uhr, mit dieser Auflösung ausgerüstetes Überwachungssystem auf der Welt zu installieren, um vor solchen Katastrophen, vor solchen Körpern zu warnen.

    Zurheide: Wir haben zu Beginn dieser Sendestunde einen Bericht aus den Vereinigten Staaten gehabt, da gibt es fast ein neues Geschäftsfeld von Menschen, die sagen, wir müssen die Vorhersagen da verbessern. Und die wollen natürlich auch Geld damit verdienen. Also ist das wohl eher dann ins Reich der Fabel zu verweisen?

    Gaida: Ja, es wird ja schon einiges gemacht. Es werden ja schon, es gibt ja schon Überwachungssysteme für Asteroiden, also insbesondere für die größeren, die dann auch, sollten sie die Erde treffen, dann eben globale Verwüstungen hervorrufen können, denken Sie an das Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren. Aber man wird eigentlich immer nur schrittweise dann zu kleineren Körpern herunterkommen. Und das bleibt der Zukunft überlassen, vielleicht 100, in den nächsten 100 oder 200 Jahren, inwieweit man dort Fortschritte macht, dass man auch die kleineren Körper möglichst lückenlos erfassen kann.

    Zurheide: Und dass man bei größeren Ereignissen irgendetwas tun kann, das ist dann wirklich Science-Fiction, das sind Filme, das ist dann eher die Abteilung Bruce Willis, oder?

    Gaida: Das will ich nicht für die Zukunft völlig ausschließen. Wenn man ein Objekt relativ früh, also noch in weiter Erddistanz entdeckt und dann dort diesem Objekt, sollte es sich als ein Körper herausstellen, der mit der Erde kollidiert, dann einen Impuls, einen geringen Impuls versetzt, dann könnte man ihn in seiner Bahn ablenken und dann wäre die Erde noch mal mit dem blauen Auge davongekommen.

    Zurheide: Das ist jetzt Zukunftsmusik gewesen, aber ich bedanke mich trotzdem. Das war Manfred Gaida vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Ich bedanke mich für das Gespräch, auf Wiederhören!

    Gaida: Auf Wiederhören, Herr Zurheide!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.