Matthias Gierth: Herr Thönissen, Sie haben kürzlich davon gesprochen, dass es im ökumenischen Gespräch mehr Geduld brauche: Gemeinsamkeiten müssten erarbeitet werden, sie fielen einem nicht in den Schoß. Wie beurteilen Sie den Ist-Zustand des evangelisch-katholischen Dialogs?
Wolfgang Thönissen: Ich blicke natürlich als Experte für ökumenische Fragen auf eine Vielzahl von Gesprächen, die die katholische Kirche aber auch alle anderen miteinander führen, untereinander. Das ist ein riesiges Dialognetzwerk, nicht nur hier in Deutschland, sondern weltweit. Und in diesen Zusammenhang sehe ich einfach sehr deutlich, dass wir in den letzten Jahrzehnten eine Fülle von Themen aufgenommen und bearbeitet haben. Aber es ist uns nicht in allen Dingen gelungen, wirklich zu einer überzeugenden Verständigung zu gelangen. Aber das ist nur das eine. Das andere ist, was wir dabei auch gewonnen haben. Dass wir gewonnen haben zu sehen, wir gehören zueinander. Wir lassen uns nicht mehr voneinander trennen. Wir arbeiten an den schwierigen Fragen weiter. Und dabei zeigt sich, wir haben ein gemeinsames Potenzial. Aber es fällt uns schwer, dieses gemeinsame Potenzial zu Wort zu bringen. Das ist ein Spezifikum unserer Zeit. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass die Emphase der ersten Jahre der ökumenischen Annäherung vielleicht verloren gegangen ist. Aber ich kann auch der anderen Seite sagen, sowohl kirchenleitende Persönlichkeiten wie Theologen unterstreichen, wir wollen, wir können und wir müssen etwas Gemeinsames tun. Und das werden wir auch tun.
Gierth: Sie, Herr Schorlemmer, kritisieren ja immer wieder den mangelnden Fortschritt in der Ökumene. Was geht Ihnen zu langsam?
Friedrich Schorlemmer: Was mir ganz und gar nicht passt, ist, dass wir immer noch nicht, - oder unsere katholischen Geschwister, vor allem die Kirchenleitung – ihren eigenen Christen immer noch nicht frei gestatten, die Einladung zur heiligen Eucharistie oder zum heiligen Abendmahl anzunehmen, wechselseitig, ohne dass wir die Unterschiede alle schon ausdiskutiert haben, jedenfalls teilhaben miteinander am Tisch des Herrn. Das sind wir auch der Welt schuldig, und uns nicht am Tisch des Herrn ausschließen. Ich wünsche mir mündige Mitchristen, die selber entscheiden, welche Riten sie, oder welche spirituellen Vollzüge sie bei den anderen annehmen wollen. Und dass wir uns gegenseitig frei einladen und nicht noch 100 Jahre oder 200 Jahre warten, bis die Fragen des Amtsverständnisses geklärt sind.
Wolfgang Thönissen: Ich blicke natürlich als Experte für ökumenische Fragen auf eine Vielzahl von Gesprächen, die die katholische Kirche aber auch alle anderen miteinander führen, untereinander. Das ist ein riesiges Dialognetzwerk, nicht nur hier in Deutschland, sondern weltweit. Und in diesen Zusammenhang sehe ich einfach sehr deutlich, dass wir in den letzten Jahrzehnten eine Fülle von Themen aufgenommen und bearbeitet haben. Aber es ist uns nicht in allen Dingen gelungen, wirklich zu einer überzeugenden Verständigung zu gelangen. Aber das ist nur das eine. Das andere ist, was wir dabei auch gewonnen haben. Dass wir gewonnen haben zu sehen, wir gehören zueinander. Wir lassen uns nicht mehr voneinander trennen. Wir arbeiten an den schwierigen Fragen weiter. Und dabei zeigt sich, wir haben ein gemeinsames Potenzial. Aber es fällt uns schwer, dieses gemeinsame Potenzial zu Wort zu bringen. Das ist ein Spezifikum unserer Zeit. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass die Emphase der ersten Jahre der ökumenischen Annäherung vielleicht verloren gegangen ist. Aber ich kann auch der anderen Seite sagen, sowohl kirchenleitende Persönlichkeiten wie Theologen unterstreichen, wir wollen, wir können und wir müssen etwas Gemeinsames tun. Und das werden wir auch tun.
Gierth: Sie, Herr Schorlemmer, kritisieren ja immer wieder den mangelnden Fortschritt in der Ökumene. Was geht Ihnen zu langsam?
Friedrich Schorlemmer: Was mir ganz und gar nicht passt, ist, dass wir immer noch nicht, - oder unsere katholischen Geschwister, vor allem die Kirchenleitung – ihren eigenen Christen immer noch nicht frei gestatten, die Einladung zur heiligen Eucharistie oder zum heiligen Abendmahl anzunehmen, wechselseitig, ohne dass wir die Unterschiede alle schon ausdiskutiert haben, jedenfalls teilhaben miteinander am Tisch des Herrn. Das sind wir auch der Welt schuldig, und uns nicht am Tisch des Herrn ausschließen. Ich wünsche mir mündige Mitchristen, die selber entscheiden, welche Riten sie, oder welche spirituellen Vollzüge sie bei den anderen annehmen wollen. Und dass wir uns gegenseitig frei einladen und nicht noch 100 Jahre oder 200 Jahre warten, bis die Fragen des Amtsverständnisses geklärt sind.
"Wir brauchen theologische Klarheit aber auch menschliche Weite
Gierth: Damit sind wir eben bei diesen doch sehr unterschiedlichen Fragen des Amts- und Kirchenverständnisses. Herr Thönissen, sind das die wesentlichen inhaltlichen, dogmatischen Klippen, über die man einfach nicht hinüberkommt?
Thönissen: Im Augenblick sieht es so aus, ja. Wir diskutieren, das gebe ich auch gerne zu, da schon seit einigen Jahrzehnten. Aber ich denke auch, dass wir inzwischen durchaus auch Ergebnisse haben. Walter Kardinal Kasper, der frühere Präsident des päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, hat mit seinen Mitarbeitern im päpstlichen Rat zusammen einmal einen Ertrag gemacht. Also, was hat der Dialog wirklich erzielt? "Harvesting the fruits" nennen wir das, also "Früchte ernten". Und ich meine, wenn man das liest, dann ist das doch schon erheblich. Die Selbstverständlichkeit, über die Taufe zu reden, müssen wir nicht wiederholen. Aber wir sind auch im Blick auf Eucharistie- und Abendmahlsgemeinschaft, denke ich, hoffe ich doch auch, ein Stück weiter, ohne dass wir sagen können, wir sind jetzt bereit, das gemeinsam zu vollziehen. Da sehen wir von katholischer Seite durchaus noch Fragen, die nicht geklärt sind. Aber wichtig ist, wir müssen den Zusammenhang all dieser Fragen genauer diskutieren und erforschen. Ich glaube, wenn wir das tun, sehen wir auch stärker, wo unsere Gemeinsamkeiten liegen.
Schorlemmer: Ja, aber ich kann Sie da nicht entlassen aus meiner Not, die ich erfahre bei Mitchristen, katholischen Christen, deren Ehe gescheitert ist und die neu verheiratet sind, wie die behandelt werden. Das geht mich auch was an. Oder ich kenne konfessionsverschiedene Paare, wo beide tief verwurzelt sind in ihrer Tradition und wechselseitig in die Gottesdienste gehen, selbstverständlich, ohne dass das jemand hören muss oder es an die große Glocke gehängt wird, nehmen die auch an der Eucharistie oder Abendmahlsfeier der je anderen teil. Das muss doch ganz und gar wirklich so geöffnet werden, dass das nicht geduldet wird, sondern dass das zu unserem Christsein gehört. Wir brauchen theologische Klarheit aber auch menschliche Weite.
Gierth: Das heißt doch, dass Ökumene von unten sozusagen schlichtweg gelebt wird.
Schorlemmer: Ja.
Thönissen: Das kann ich durchaus sagen. Ich bestreite überhaupt nicht, dass die Menschen Wege gefunden haben. Aber ich sage eben auch noch einmal ganz deutlich, dass es auch von der katholischen Theologie her aus in die Richtung ja geht. Die katholische Kirche sagt ja nicht prinzipiell, dass es überhaupt keine Möglichkeit gibt. Es gibt bestimmte Voraussetzungen, die bedacht werden müssen: die Ernsthaftigkeit, die Glaubwürdigkeit des Einzelnen, der etwa zur katholischen Eucharistie hinzutritt. Es ist nicht die Regel. Aber wir reden auch nicht nur von Ausnahmen. Ich möchte, dass wir das wirklich ganz bewusst sagen, wir reden nicht von Ausnahmeregelungen, sondern wir reden von einer bewussten Teilhabe in besonderen Fällen. Kardinal Schönborn in Wien hat so eine Handregel in die Diskussion gebracht, die ich ganz hilfreich finde. Also, wer zur Stiftung Jesu, also zu den Abendmahlsworten, wirklich Ja und Amen sagen kann, in der Tiefe und in der Fülle und in seiner vollen Glaubwürdigkeit und das als Gewissensentscheidung mitträgt, der tritt hinzu. Ich denke, das ist eine gute Regel, die zeigt, wir setzen uns nicht über alles hinweg, theologische Fragen interessieren uns nicht, sondern wir nehmen das ernst und trotzdem reagieren wir auf die Lebenssituationen der einzelnen Menschen.
Schorlemmer: Aber könnten wir da nicht noch ein Stückchen weiter gehen und auch anerkennen, dass ein katholischer Christ, der an einem Sonntag zu einem evangelischen Gottesdienst geht, vielleicht auch zu einem großen Fest geht, dass das in voller Weise anerkannt wird als die Erfüllung des Sonntagsgebots? Also sonst haben wir nie Gleichheit, wenn es dahin geht: Das ist noch nicht das Richtige. Ich sage Ihnen, wir haben nicht einen anderen Glauben, sondern wir haben den Glauben anders. Und wir respektieren das und erleben den anderen und die andere als Bereicherung. Wir haben jeweils andere Adressaten, wir haben andere Traditionen, wir setzen andere Akzente. Aber es bleibt wiedererkennbar unter uns: Wir beten das "Vater unser" in derselben Weise und Tiefen – nur die Katholiken etwas schneller. Und die Grundaussage bleibt doch für uns alle: Jesus ist der Christus. Wenn wir dies auf dies Wesentliche konzentrieren, dann muss doch das Einzelne nicht dann trennend sein. Ich finde, das Schönste, was an Ökumene mich besticht, ist, wenn ich von der Spiritualität anderer lerne.
Thönissen: Im Augenblick sieht es so aus, ja. Wir diskutieren, das gebe ich auch gerne zu, da schon seit einigen Jahrzehnten. Aber ich denke auch, dass wir inzwischen durchaus auch Ergebnisse haben. Walter Kardinal Kasper, der frühere Präsident des päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, hat mit seinen Mitarbeitern im päpstlichen Rat zusammen einmal einen Ertrag gemacht. Also, was hat der Dialog wirklich erzielt? "Harvesting the fruits" nennen wir das, also "Früchte ernten". Und ich meine, wenn man das liest, dann ist das doch schon erheblich. Die Selbstverständlichkeit, über die Taufe zu reden, müssen wir nicht wiederholen. Aber wir sind auch im Blick auf Eucharistie- und Abendmahlsgemeinschaft, denke ich, hoffe ich doch auch, ein Stück weiter, ohne dass wir sagen können, wir sind jetzt bereit, das gemeinsam zu vollziehen. Da sehen wir von katholischer Seite durchaus noch Fragen, die nicht geklärt sind. Aber wichtig ist, wir müssen den Zusammenhang all dieser Fragen genauer diskutieren und erforschen. Ich glaube, wenn wir das tun, sehen wir auch stärker, wo unsere Gemeinsamkeiten liegen.
Schorlemmer: Ja, aber ich kann Sie da nicht entlassen aus meiner Not, die ich erfahre bei Mitchristen, katholischen Christen, deren Ehe gescheitert ist und die neu verheiratet sind, wie die behandelt werden. Das geht mich auch was an. Oder ich kenne konfessionsverschiedene Paare, wo beide tief verwurzelt sind in ihrer Tradition und wechselseitig in die Gottesdienste gehen, selbstverständlich, ohne dass das jemand hören muss oder es an die große Glocke gehängt wird, nehmen die auch an der Eucharistie oder Abendmahlsfeier der je anderen teil. Das muss doch ganz und gar wirklich so geöffnet werden, dass das nicht geduldet wird, sondern dass das zu unserem Christsein gehört. Wir brauchen theologische Klarheit aber auch menschliche Weite.
Gierth: Das heißt doch, dass Ökumene von unten sozusagen schlichtweg gelebt wird.
Schorlemmer: Ja.
Thönissen: Das kann ich durchaus sagen. Ich bestreite überhaupt nicht, dass die Menschen Wege gefunden haben. Aber ich sage eben auch noch einmal ganz deutlich, dass es auch von der katholischen Theologie her aus in die Richtung ja geht. Die katholische Kirche sagt ja nicht prinzipiell, dass es überhaupt keine Möglichkeit gibt. Es gibt bestimmte Voraussetzungen, die bedacht werden müssen: die Ernsthaftigkeit, die Glaubwürdigkeit des Einzelnen, der etwa zur katholischen Eucharistie hinzutritt. Es ist nicht die Regel. Aber wir reden auch nicht nur von Ausnahmen. Ich möchte, dass wir das wirklich ganz bewusst sagen, wir reden nicht von Ausnahmeregelungen, sondern wir reden von einer bewussten Teilhabe in besonderen Fällen. Kardinal Schönborn in Wien hat so eine Handregel in die Diskussion gebracht, die ich ganz hilfreich finde. Also, wer zur Stiftung Jesu, also zu den Abendmahlsworten, wirklich Ja und Amen sagen kann, in der Tiefe und in der Fülle und in seiner vollen Glaubwürdigkeit und das als Gewissensentscheidung mitträgt, der tritt hinzu. Ich denke, das ist eine gute Regel, die zeigt, wir setzen uns nicht über alles hinweg, theologische Fragen interessieren uns nicht, sondern wir nehmen das ernst und trotzdem reagieren wir auf die Lebenssituationen der einzelnen Menschen.
Schorlemmer: Aber könnten wir da nicht noch ein Stückchen weiter gehen und auch anerkennen, dass ein katholischer Christ, der an einem Sonntag zu einem evangelischen Gottesdienst geht, vielleicht auch zu einem großen Fest geht, dass das in voller Weise anerkannt wird als die Erfüllung des Sonntagsgebots? Also sonst haben wir nie Gleichheit, wenn es dahin geht: Das ist noch nicht das Richtige. Ich sage Ihnen, wir haben nicht einen anderen Glauben, sondern wir haben den Glauben anders. Und wir respektieren das und erleben den anderen und die andere als Bereicherung. Wir haben jeweils andere Adressaten, wir haben andere Traditionen, wir setzen andere Akzente. Aber es bleibt wiedererkennbar unter uns: Wir beten das "Vater unser" in derselben Weise und Tiefen – nur die Katholiken etwas schneller. Und die Grundaussage bleibt doch für uns alle: Jesus ist der Christus. Wenn wir dies auf dies Wesentliche konzentrieren, dann muss doch das Einzelne nicht dann trennend sein. Ich finde, das Schönste, was an Ökumene mich besticht, ist, wenn ich von der Spiritualität anderer lerne.
Der Präsident des päpstlichen Einheitsrates schafft neue Hürden
Gierth: Wenn ich das noch mal aufgreifen darf, weil in Ihrer Frage, beziehungsweise in Ihrem Statement, ja eine andere Frage mit anklingt. Das ist doch die Frage nach der Zielvorstellung von Ökumene. Was ist eigentlich das, was wir am Ende von ökumenischen Gesprächen sehen? Ist es eine Rückkehr-Ökumene? Oder kann das Ziel von Kircheneinheit eigentlich nur sein festzuhalten, dass die je andere Tradition dem eigenen Bekenntnis nicht so zuwiderläuft, das es kirchentrennend sein muss?
Schorlemmer: Ja. Das setzt aber eines voraus: dass wir uns auf allen Ebenen uns auch auf Augenhöhe miteinander empfinden und das zulassen und das Einende gestalten und nicht das Trennende beschwören. Und ich glaube, auch im Blick auf das Reformationsjubiläum sollten wir das feiern, was uns als Christen verbindet und wir sollten das wirklich zurücklassen, was wir uns gegenseitig auch angetan haben.
Gierth: Herr Thönissen, Kirchengemeinschaft trotz bleibender Lehrunterschiede – das Modell der Leuenberger Konkordie, die gerade 40 Jahre alt geworden ist. Inwieweit ist das für Sie ein zielführendes Einheitsmodell?
Thönissen: Zunächst einmal kann ich sagen, die Leuenberger Konkordie war mit Sicherheit der Impuls für den Gesprächsprozess, der vor Jahrzehnten eingesetzt hatte, gerade über die Fragen der Lehrverurteilungen nachzudenken. Wir haben die Fragen aufgenommen und ich denke auch im evangelisch-katholischen Gespräch ist herausgekommen, dass Einheit nicht sozusagen die letzte Uniformität meint, sondern eine dynamische Gemeinschaft. In dieser dynamischen Gemeinschaft haben wir Kernpunkte, Grundüberzeugungen – oder nennen wir das Mal Grundwahrheiten, die wir miteinander teilen. Aber wir haben dazu gelernt, dass wir das, was sozusagen an eigenen Profilen oder Herkünften uns besonders wichtig ist, nicht mehr so verstehen, dass wir uns darin trennen müssten. Aber diese Frage muss theologisch sauber und auch historisch sauber geklärt und aufgearbeitet werden. Und das ist, denke ich, ein Hinweis auf diesen dynamischen Prozess, in dem wir stehen, dass wir lernen, wie gehen wir mit diesen Unterschieden um, von denen wir meinen, dass sie uns nicht mehr gegenseitig abgrenzen. Das ist ein wichtiger Prozess.
Gierth: Aber wenn man sagt, wie das der Präsident des päpstlichen Einheitsrates, Kurt Koch, kürzlich getan hat, dass zu einer Einheit eine tiefe Glaubens-, Sakramenten- und Jurisdiktionseinheit gehört, dann ist das doch ein Einheitsmodell, das für die evangelischen Kirchen kaum akzeptabel sein kann.
Thönissen: Ja, ich denke, das müsste man sicher noch etwas genauer sehen, was Kardinal Koch da gesagt hat. Wichtig ist zunächst mal, die Verständigung und Einheit im Glauben an Jesus Christus. Das, glaube ich, ist das Wichtigste. Das ist das, was wir im Blick haben müssen. Von dort aus betrachtet, haben wir im Amtsverständnis sicher noch sehr weit unterschiedliche Vorstellungen. Aber die lassen sich durchaus auch klären. Inwieweit dann dazu Fragen der Jurisdiktion gehören, das ist noch mal ein ganz anderes Thema. Die würde ich aber nicht sofort in den Vordergrund stellen, sondern das Wichtige ist für mich, dass wir sozusagen aus dem Glauben an Jesus Christus heraus sehen: Das geht nicht ohne eine Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft muss gelebt werden. Diese Gemeinschaft hat auch Strukturen. Darüber müssen wir reden. Aber es kommt zuerst einmal Jesus Christus und dann die daraus folgende Gemeinschaft, die wir untereinander bilden. So ist die Reihenfolge richtig, anders wird sie falsch.
Schorlemmer: Aber ich habe ein Problem damit, wenn Kardinal Koch hier Kriterien angibt und es sieht so aus, als wenn es jemand gäbe, der das überprüft, ob das wirklich erfüllt ist. Wir müssen auch manchmal das den Menschen selber überlassen, wie tief die das – sagen wir die Spiritualität, die da erfordert wird, wie tief, die ihnen geht. Das sollten wir nicht tun. Das zweite ist, die Protestanten müssen, mussten das auch im Blick auf die Leuenberger Konkordie schmerzlich anerkennen, dass sie einander jahrhundertelang auch nicht ganz anerkannt haben. Also die Protestanten haben da ihre eigene sozusagen merkwürdige Geschichte. Aber ich wiederhole noch mal – das gilt für evangelische Kirchen wie im Verhältnis zu den orthodoxen und den katholischen Christen: Wir haben doch kein anderes Evangelium, aber wir haben mit guten Gründen jeweils das Evangelium anders. Das darf sich auch weiterhin so unterschiedlich ausprägen, muss aber durchlässig sein für die anderen. Und so denke ich, das Modell von Einheit in Vielfalt, das leuchtet mir ein. Oder in versöhnter Verschiedenheit miteinander leben. Die Päpste, auch Benedikt, hat immer wieder wiederholt, wie wichtig das ist, dass wir eins sind in der Wahrheit. Richtig - aber in welcher Wahrheit, wer bestimmt das? Und zweitens in meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Ich denke, wenn wir das für unsere Ekklesiologie durchbuchstabieren und uns in versöhnter Verschiedenheit unterschiedlich vorfinden aber doch im Wesentlichen zusammengehören, dann ist auch das Modell der Leuenberger Konkordie ein Modell für evangelisch-katholische Gemeinschaft.
Schorlemmer: Ja. Das setzt aber eines voraus: dass wir uns auf allen Ebenen uns auch auf Augenhöhe miteinander empfinden und das zulassen und das Einende gestalten und nicht das Trennende beschwören. Und ich glaube, auch im Blick auf das Reformationsjubiläum sollten wir das feiern, was uns als Christen verbindet und wir sollten das wirklich zurücklassen, was wir uns gegenseitig auch angetan haben.
Gierth: Herr Thönissen, Kirchengemeinschaft trotz bleibender Lehrunterschiede – das Modell der Leuenberger Konkordie, die gerade 40 Jahre alt geworden ist. Inwieweit ist das für Sie ein zielführendes Einheitsmodell?
Thönissen: Zunächst einmal kann ich sagen, die Leuenberger Konkordie war mit Sicherheit der Impuls für den Gesprächsprozess, der vor Jahrzehnten eingesetzt hatte, gerade über die Fragen der Lehrverurteilungen nachzudenken. Wir haben die Fragen aufgenommen und ich denke auch im evangelisch-katholischen Gespräch ist herausgekommen, dass Einheit nicht sozusagen die letzte Uniformität meint, sondern eine dynamische Gemeinschaft. In dieser dynamischen Gemeinschaft haben wir Kernpunkte, Grundüberzeugungen – oder nennen wir das Mal Grundwahrheiten, die wir miteinander teilen. Aber wir haben dazu gelernt, dass wir das, was sozusagen an eigenen Profilen oder Herkünften uns besonders wichtig ist, nicht mehr so verstehen, dass wir uns darin trennen müssten. Aber diese Frage muss theologisch sauber und auch historisch sauber geklärt und aufgearbeitet werden. Und das ist, denke ich, ein Hinweis auf diesen dynamischen Prozess, in dem wir stehen, dass wir lernen, wie gehen wir mit diesen Unterschieden um, von denen wir meinen, dass sie uns nicht mehr gegenseitig abgrenzen. Das ist ein wichtiger Prozess.
Gierth: Aber wenn man sagt, wie das der Präsident des päpstlichen Einheitsrates, Kurt Koch, kürzlich getan hat, dass zu einer Einheit eine tiefe Glaubens-, Sakramenten- und Jurisdiktionseinheit gehört, dann ist das doch ein Einheitsmodell, das für die evangelischen Kirchen kaum akzeptabel sein kann.
Thönissen: Ja, ich denke, das müsste man sicher noch etwas genauer sehen, was Kardinal Koch da gesagt hat. Wichtig ist zunächst mal, die Verständigung und Einheit im Glauben an Jesus Christus. Das, glaube ich, ist das Wichtigste. Das ist das, was wir im Blick haben müssen. Von dort aus betrachtet, haben wir im Amtsverständnis sicher noch sehr weit unterschiedliche Vorstellungen. Aber die lassen sich durchaus auch klären. Inwieweit dann dazu Fragen der Jurisdiktion gehören, das ist noch mal ein ganz anderes Thema. Die würde ich aber nicht sofort in den Vordergrund stellen, sondern das Wichtige ist für mich, dass wir sozusagen aus dem Glauben an Jesus Christus heraus sehen: Das geht nicht ohne eine Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft muss gelebt werden. Diese Gemeinschaft hat auch Strukturen. Darüber müssen wir reden. Aber es kommt zuerst einmal Jesus Christus und dann die daraus folgende Gemeinschaft, die wir untereinander bilden. So ist die Reihenfolge richtig, anders wird sie falsch.
Schorlemmer: Aber ich habe ein Problem damit, wenn Kardinal Koch hier Kriterien angibt und es sieht so aus, als wenn es jemand gäbe, der das überprüft, ob das wirklich erfüllt ist. Wir müssen auch manchmal das den Menschen selber überlassen, wie tief die das – sagen wir die Spiritualität, die da erfordert wird, wie tief, die ihnen geht. Das sollten wir nicht tun. Das zweite ist, die Protestanten müssen, mussten das auch im Blick auf die Leuenberger Konkordie schmerzlich anerkennen, dass sie einander jahrhundertelang auch nicht ganz anerkannt haben. Also die Protestanten haben da ihre eigene sozusagen merkwürdige Geschichte. Aber ich wiederhole noch mal – das gilt für evangelische Kirchen wie im Verhältnis zu den orthodoxen und den katholischen Christen: Wir haben doch kein anderes Evangelium, aber wir haben mit guten Gründen jeweils das Evangelium anders. Das darf sich auch weiterhin so unterschiedlich ausprägen, muss aber durchlässig sein für die anderen. Und so denke ich, das Modell von Einheit in Vielfalt, das leuchtet mir ein. Oder in versöhnter Verschiedenheit miteinander leben. Die Päpste, auch Benedikt, hat immer wieder wiederholt, wie wichtig das ist, dass wir eins sind in der Wahrheit. Richtig - aber in welcher Wahrheit, wer bestimmt das? Und zweitens in meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Ich denke, wenn wir das für unsere Ekklesiologie durchbuchstabieren und uns in versöhnter Verschiedenheit unterschiedlich vorfinden aber doch im Wesentlichen zusammengehören, dann ist auch das Modell der Leuenberger Konkordie ein Modell für evangelisch-katholische Gemeinschaft.