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Kein Halten

Der Rauswurf von Doping-Drahtzieher Johan Bruyneel signalisiert, dass Amerikas Firmen im Krisenfall rasch die Reißleine ziehen. Erst recht wenn die demoskopisch ermittelten Sympathiewerte der Stars in den Keller sacken - wie bei Lance Armstrong.

Von Jürgen Kalwa | 13.10.2012
    Die Einstimmung auf dieses Jahr begann mit einem dieser klassischen "Wir sind so stolz”-Videos.

    "At RadioShack we are extremely proud of our partnership with this team."

    So sagte es Lee Applbaum, Marketing-Chef von RadioShack, einer großen amerikanischen Ladenkette, die Telefone, Computer und elektrotechnisches Zubehör verkauft und sich aus Werbezwecken im Radsport engagiert hat.

    "We look forward to a fantastic 2012."

    Ein fantastisches 2012 sollte es werden. Das meinte auch Jay Schaffer vom Automobilhersteller Nissan, der seit einiger Zeit mit RadioShack zusammenarbeitet.

    "Johan Bruyneel and our management partners at Leopard and Capital Sports have put together 30 of the world’s best riders representing 14 countries."
    Optimismus gehört zum Geschäft. Aber irgendwann ist dann doch Schluss mit lustig. Johan Bruyneel etwa, der seit dem Ende einer mittelmäßigen Karriere als Radrennfahrer eine erstaunliche Bilanz als sportlicher Direktor auf die Beine stellte, musste am Freitag gehen. Angeblich in beiderseitigem Einvernehmen. Seine Geschäftspartner hatten das tausendseitige Dossier der amerikanischen Anti-Doping-Agentur gelesen, in dem der Belgier als ziemlich unsportlicher Direktor bloß gestellt wurde. Er war der Drahtzieher einer systematischen Betrugskampagne in Lance Armstrongs US Postal Team. Warnte Fahrer, wenn Dopingtester auftauchten. Kommunizierte mit dem Dopingdoktor Michele Ferrari über die Feinheiten der Manipulationsmaßnahmen. Er war da, wenn Radprofis Blutransfusionen erhielten und steckte ihnen gelegentlich das eine oder andere Mittel zu.

    Der Rauswurf kam schnell. Was zum Standardrepertoire von Unternehmen gehört, die nervös werden, wenn ihr Image auf dem Spiel steht. Bei den Stars selbst reagieren sie meistens etwas langsamer. Als ob sie den Eindruck vermeiden wollten, sie seien zu voreilig mit ihrem Urteil. Man konnte das zuletzt am Beispiel Tiger Woods studieren. Dem kündigten die Partnerfirmen erst nach zähen Wochen permanenter Skandalschlagzeilen.

    Die Zurückhaltung bringt am Ende wenig. Auch diesmal nicht. Denn die Enthüllungen der Usada sind längst nicht alles, was Armstrong, dem Werbepartner von Firmen wie dem Sportausrüster Nike, der Fahrradfirma Trek oder der Biermarke Michelob droht.

    ""November 30, 2005. You may swear in the witness.”"

    November 2005 in einem Anwaltsbüro in Austin. Eine Anwaltsgehilfin nimmt Lance Armstrong den Eid ab, mit dem er den Wahrheitsgehalt seiner Aussage beschwört.

    ""You solemnly swear the testimony we will about to hear will be the truth and nothing but the truth.”
    "Yeah.”
    "If you state your name for us, please.”
    "Lance Armstrong.”"

    Die Aussagen, die er damals in einem Schiedsgerichtsverfahren gemacht hat, könnten den 41-jährigen noch in erhebliche Schwierigkeiten bringen. Denn die Usada hat im Rahmen ihrer Ermittlungen festgestellt, dass Armstrong bei seiner Vernehmung eine Reihe von entscheidenden Dingen gesagt hatte, die nicht wahr sein können. Das betrifft vor allem die Zusammenarbeit mit Michele Ferrari.

    Sein Gegner im Streit von damals, die texanische Versicherungsfirma SCA, die sich damals geweigert hatte, wegen aufgekommener Dopinggerüchte dem Radprofi eine ausgehandelte Millionenprämie auszuschütten, ließ sich bluffen und zahlte dann doch. Am Donnerstag gab die Firma bekannt, dass sie die Entscheidung des Weltradsportverbandes UCI abwarten will. Aber man behält sich rechtliche Schritte vor. Kein Wunder, es geht um Meineid. Eine Straftat, für die eine Sportlerin wie Marion Jones ins Gefängnis musste.

    Doch davon einmal abgesehen. Skandale von Prominenten haben eine eigene Dynamik. Sie produzieren vor allem eines: wachsende Antipathien quer durch alle Teile der Öffentlichkeit. Weswegen die Firma RadioShack in dieser Woche bereits auf Distanz zu Armstrong ging. Man will die Entwicklungen beobachten, so hieß es in einer Erklärung.

    Dabei ist ziemlich klar, wohin die Reise geht, sagt Henry Schafer. Er ist Spezialist für die Popularität und den Imagewert von Prominenten und berät Unternehmen mit den Daten aus detaillierten demoskopischen Untersuchungen. Er fasst seine wichtigsten Zahlen in sogenannten QScores zusammen.
    ""Seit die Dopinganschuldigungen einsetzten, also seit 2006, sehen wir einen beständigen Abschwung in den Sympathiewerten. Der lag auf seinem höchsten Punkt 2005 bei einem QScore von 30. Im Vergleich dazu: Bekannte Durchschnittssportler kommen auf 15. Armstrongs QScore liegt jetzt – und das war vor den jüngsten Nachrichten – bei elf. Damit ist er in fünf, sechs Jahren bis unter den Durchschnitt gesunken.”"

    Schafer geht davon aus, dass diese Zahlen noch schlechter werden. Die nächste Umfrage ist für Januar geplant.