Was die Stadtschlosshülle ab 2019 füllen soll, lässt sich bereits jetzt in der Humboldtbox vor der Baustelle besichtigen. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz macht Appetit auf ihre außereuropäischen Sammlungen, die Humboldt-Universität zeigt, wie Wissen entsteht, in der dritten Etage gibt die Berliner Zentral- und Landesbibliothek einen Einblick in die "Welt der Sprachen".
"Die Sprache ist die Basis für alles. Nicht nur für die Vermittlungsarbeit, für das ganze Wissen, was in der Bibliothek abgelegt ist, also für uns. Auch für die Vermittlungsarbeit der Museen ist das natürlich die Grundlage. Und für die Erkenntnisgewinnung der Universität. Also die Partner Museum, Universität und Bibliothek, die sich da zusammenfinden",
erläutert der Physiker und Philosoph Michael Vogt, der zusammen mit zwei weiteren Kollegen an dem Konzept "Welt der Sprachen" arbeitet. Ein geisteswissenschaftliches Science-Center, erläutert er und macht das Konzept an einem Memory-Spiel deutlich. Sprachen erkennen ohne sie selber zu beherrschen – darum geht es. Besucher der Humboldtbox können auf einem Bildschirm Karten anklicken. Und müssen dazu die passende zweite Karte finden.
Das Konzept von einem auf den anderen Tag verworfen
"Die 'Welt der Sprachen' ist ein Gesamtkonzept aus einem geisteswissenschaftlichen Science-Center und einer Bibliothek. Wenn das im Physikalischen viel Tollerei ist und viel Anfassen und Ausprobieren, den eigenen Körper in Einsatz bringen, ist es mehr der Kopf, der hier interessiert. Auch so ein bisschen etwas lernen. Und mit den eigenen Vorurteilen, Anschauungen, Meinungen spielen. Zusammen mit einem Bibliotheksteil, der nicht als normale Bibliothek geplant war, sondern sehr innovativ kuratiert an der Stelle, passend zu den einzelnen Angeboten, so dass wir nicht nur Neugier wecken, sondern dort auch vertieft Informationen bereitstellen, die genau dazu passt zu den einzelnen Exponaten, die wir haben."
Michael Vogt nutzt bereits die Vergangenheitsform, sagt "geplant war". Hat doch der neue Regierende Bürgermeister von Berlin Michael Müller das Konzept "Welt der Sprachen" von einem auf den anderen Tag verworfen. Keiner der beteiligten Partner war informiert. Müller – der auch Kultursenator ist – will mehr Berlin im Humboldtforum.
"Es löst eine Debatte aus, wie ich finde eine wichtige kulturpolitische Debatte. Im Humboldtforum für Berlin und für das Gesamtprojekt mehr zu erreichen als bisher mit den Konzepten verbunden war. Das ist die Debatte, die angestoßen werden sollte."
Erst einmal nur ein Arbeitstitel
Ein Affront für die mit dem Konzept "Welt der Sprachen" beauftragte Zentral- und Landesbibliothek. Deren Vertreter weisen darauf hin, dass in diesem Projekt mehr als zwei Jahre Arbeit und insgesamt eine Million Euro stecken, die nun mit einem Handstreich vom Tisch gewischt werden.
Berlins Regierender Bürgermeister hat ein neues Konzept für die erste Etage des Humboldt-Forums in Auftrag gegeben. Welt. Stadt. Berlin heißt der Arbeitstitel, verantwortet wird es von der landeseigenen Kulturprojekte GmbH. Geschäftsführer Moritz van Dülmen:
"Es geht einfach um die Stadt Berlin, um die Metropolenwerdung der Stadt Berlin in den verschiedensten Bezügen, um die Namensgeber Wilhelm und Alexander von Humboldt. Also es geht um Wechselwirkungen. Das ist jetzt erst einmal ein Arbeitstitel, das ist damit auch ein Arbeitsauftrag, daraus ein Konzept zu erarbeiten, im engen Schulterschluss mit den Partnern vor Ort."
"Dialog zwischen den Kulturen der Welt" so lautet der Auftrag für das Humboldtforum. Wie sich dort eine Berlin-Ausstellung einpassen kann, ob das Ganze nicht zum Heimatmuseum mutiert, lauten die Fragen an das neue Konzept.
"Es geht nicht um eine chronologische Erzählung der mittlerweile 777-jährigen Geschichte der Stadt Berlin., sondern es geht um die Wechselwirkungen. Was hat die Stadt, was macht Berlin aus, welche Impulse sind von der Stadt ausgegangen. Wie ist die Stadt im globalen Kontext entwickelt. Berlin ist die Stadt der Zeitgeschichte, das Rom der Zeitgeschichte."
Mehr bieten als eine Bibliothek
Welt. Stadt. Berlin. Bislang liegt nicht mehr vor als ein 8-seitiges Papier. Vom "Mikrokosmos" ist da die Rede, von einer Laborausstellung. Viel hauptstädtisches Wortgeklingel.
Zitat: "Unzählige Künstlerinnen und Kulturschaffende, Visionäre und Denker haben die Stadt geprägt und von hier aus die Welt verändert. Experimentelle und alternative Lebensformen wurden erprobt und etablierten sich. Wer nach Berlin kommt, verlässt Vertrautes und muss (oder darf) sich neu erfinden. Als Techno-Queen oder Straßenmusiker, Bekenner oder Verweigerer, Sportlerin oder Vegetarier, Insider oder Outsider, über die kompletten Repertoires von Mode-, Pop-, Jugend-, oder jedweder sonstigen Kultur. Und die Stadt der Inszenierung ist vor allem eine immer wieder neu inszenierte Stadt."
Berlin will auf der Beletage mehr bieten als eine Bibliothek jemals hätte darstellen können – heißt es weiter. Dass die geplante "Welt der Sprachen" überhaupt keine Bibliothek ist, scheint am Regierenden Bürgermeister und Kultursenator vorbeigegangen zu sein.