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Kein Strompreisanstieg durch Atomausstieg erwartet

Werden Kernkraftwerke abgeschaltet, gibt es weniger Strom, das wird nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage den Strompreis nach oben treiben. Nicht zwangsläufig, sagt Verbraucherschützer Holger Krawinkel - die Regierung müsse nur ein klares Konzept vorlegen.

    Tobias Armbrüster: In Deutschland wird zurzeit nicht nur über den Ausstieg aus der Kernenergie diskutiert; es geht immer mehr auch um die Frage, wer dafür eigentlich bezahlen soll, denn dass diese Umstellung eine Menge Geld kostet, daran besteht kaum Zweifel. In der Regierungskoalition ist über die Frage der Finanzierung ein regelrechter Streit zwischen Haushalts- und Finanzexperten ausgebrochen. Meine Kollegin Silvia Engels hat gestern Abend mit Holger Krawinkel gesprochen, er ist Energieexperte der Verbraucherzentrale Bundesverband, und sie wollte von ihm zunächst wissen, ob er mit Blick auf die zurzeit abgeschalteten Atommeiler mit kurzfristig steigenden Strompreisen für die Verbraucher rechnet.

    Holger Krawinkel: Nein, das muss nicht sein, hängt natürlich sehr davon ab, welche Entscheidungen die Bundesregierung trifft und ob diese Entscheidungen wirklich auch vom Markt als verbindlich angesehen werden. Das Einzige, was meines Erachtens passieren kann, ist, dass es an der Strombörse zu Spekulationen, also zu Wetten auf höhere Strompreise kommt. Das kann die Bundesregierung aber verhindern, indem sie ein klares Konzept vorgibt.

    Silvia Engels: Sie sprechen es an: Strommengen und Angebote regeln sich über die Energiebörse in Leipzig. Haben Sie denn in den letzten Tagen dort schon steigende Preise beobachtet?

    Krawinkel: Ja. Es gibt leicht ansteigende Preise am Großhandelsmarkt, aber das ist immer noch weit unter dem, was wir 2008 erlebt haben. Also von daher ist das noch nicht sehr dramatisch.

    Engels: Ist es denn so, dass Deutschland nun an dieser Börse vor allem Atomstrom auch aus unsicheren Anlagen in Europa in großem Stil zukaufen muss, oder hat sich letztlich gar nichts daran geändert, der kleinste Preis entscheidet?

    Krawinkel: Ja. Es ist natürlich immer noch so, dass innerhalb des europäischen Verbundraumes natürlich die kostengünstigsten Kraftwerke zum Zuge kommen, und das können im Zweifelsfall natürlich auch Kernkraftwerke, Atomkraftwerke aus Tschechien oder aus Frankreich sein.

    Engels: Wie sieht es denn Ihrer Einschätzung nach mittelfristig aus? Nehmen wir an, dass nach dem Moratorium, diesem dreimonatigen Stopp für die älteren Meiler, diese älteren Meiler eben nicht wieder ans Netz gehen?

    Krawinkel: Das ist natürlich jetzt eine politische Entscheidung. Ich denke schon, dass von diesen Meilern einschließlich Krümmel keiner mehr ans Netz gehen wird und dass es dann einen Ausstieg geben wird, der etwa dem entspricht, was Rot-Grün 2002 beschlossen hat.

    Engels: Und dann werden auch, nehmen wir an, dass es diese Festlegung geben wird, die Strompreise steigen müssen, weil einfach dann dauerhaft Bedarf angemeldet wird, der nicht befriedigt werden kann?

    Krawinkel: Nein, das muss nicht unbedingt sein. Es ist immer noch so, dass natürlich das teuerste Kraftwerk, das gerade noch gebraucht wird, um den Bedarf zu decken, den Strompreis bestimmt. Das sind in der Regel Gaskraftwerke, die kosten zurzeit etwa sechs Cent die Kilowatt-Stunde. Und wie gesagt, wenn es nicht zu Spekulationen im Strommarkt kommt, weil die Bedingungen unsicher sind, wird der Strompreis auch nicht erheblich darüber hinausgehen.

    Engels: Arbeitsministerin von der Leyen hat angekündigt, darauf zu achten, dass die kleinsten Einkommen nicht die größte Last tragen, wenn es jetzt um den Umbau des Energiemarktes geht, und auch Umweltminister Röttgen wies schon einmal auf die soziale Komponente des Strompreises hin. Das klingt ja schon so, als ob man dort fürchtet, dass der Strompreis sprunghaft steigen wird?

    Krawinkel: Es gibt ja eine Menge andere Belastungen. Die Bundesregierung muss ja natürlich auch dafür sorgen, dass ihre Klimaschutz-Ziele eingehalten werden, und da wird es natürlich darum gehen, auch in anderen Sektoren dafür zu sorgen, dass CO2-Reduktionsmaßnahmen ergriffen werden, und das kann natürlich dann insbesondere auch die einkommensschwächeren Schichten treffen. Ich denke da vor allen Dingen an die Gebäudesanierung oder den Verkehrsbereich, und da muss dafür Sorge getragen werden, dass dort vor allem durch entsprechende Gebäudesanierungsprogramme die hohen Investitionskosten so ausgeglichen werden, dass es eben nicht zum Beispiel zu steigenden Mieten kommt.

    Engels: Das ist ja das, was die Opposition zurzeit auch bemängelt, dass man aus vielen Förderprogrammen unter Schwarz-Gelb ausgestiegen sei. Dann schauen wir direkt auf die bessere Dämmung von Häusern. Müssten da mehr Zuschüsse fließen und was muss noch dazukommen, damit es bezahlbar bleibt für den Verbraucher?

    Krawinkel: Es ist so, dass erheblicher Sanierungsbedarf besteht, vor allen Dingen wenn eben diese Sanierungsquote deutlich erhöht werden soll. Das Gebäudesanierungsprogramm, dieses KfW-Darlehensprogramm, ist ja deutlich zurückgefahren worden. Das muss jetzt wieder aufgestockt werden und zusätzlich muss es für selbst nutzende Eigentümer Steuererleichterungen geben, damit sie ihre Investitionen in Wärmedämmung, in neue Heizungen auch tatsächlich von der Steuer absetzen können, wie das ja bereits in den 80er-, 90er-Jahren der Fall gewesen ist.

    Armbrüster: So weit Holger Krawinkel, Energieexperte der Verbraucherzentrale Bundesverband, im Gespräch mit meiner Kollegin Silvia Engels.

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