Die Stimmung auf dem Flughafen von Gaza ist gespenstisch. Flugzeuge stehen hier schon lange nicht mehr. Vor dem ehemaligen VIP-Terminal laufen Hunde durch den Müll. In der Kuppel des Terminals – die an den Felsendom von Jerusalem erinnert – prangt ein großes Loch. Imad Al Hamms kämpft mit den Tränen. Der Palästinenser war einst für die Funk- und Radaranlagen des Flughafens zuständig.
"Ich konnte mir das damals nicht vorstellen. Dass unser Traum zerstört werden würde. Das macht mich sehr traurig. 500 Menschen haben hier gearbeitet. Ingenieure, Techniker, Piloten."
Imad Al Hamms arbeitet noch immer für die zivile Luftfahrtagentur der palästinensischen Autonomiebehörde. Sein Büro verwaltet einen Flughafen, den es seit fast 20 Jahren gar nicht mehr gibt. Vom großen Terminal ist nur noch ein Gerippe übrig. Der Asphalt vom früheren Vorfeld und der Landebahn fehlt vollständig. Er wurde abgetragen, weil Steine und Beton im Gazastreifen ein äußerst knappes Gut sind.
Der palästinensische Luftfahrtingenieur sieht aus wie ein Häufchen Elend. Aber als er die Zielflughäfen aufzählt, die man damals von Gaza aus erreichen konnte, leuchten seine Augen: "Kairo, nach Amman, Algerien. Dubai. Dschidda, Moskau. Und nach Larnaca. Istanbul. So viele Ziele."
Zerstört nach nur anderthalb Jahren Flugbetrieb
Der 24. November 1998. Bei Rafah im Süden des Gazastreifens wird der Flughafen eröffnet. Yassir Arafat ist gekommen. Der Präsident der Autonomiebehörde, erzählen Palästinenser heute, hat die Baumaßnahmen höchstpersönlich überwacht. Auch US-Präsident Bill Clinton kommt zur Eröffnung des neuen Airports.
Es war längst nicht alles gut im Nahen Osten in jener Zeit. Der Oslo-Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern war ins Stocken geraten. Und dennoch verbanden die Palästinenser große Hoffnungen mit dem neuen Flughafen.
"Wir waren so glücklich", sagt der Ingenieur Al Hamms. "Ich hatte das Gefühl, dass der Staat Palästina an jenem Tag geboren wurde."
Doch der Flughafen war nur anderthalb Jahre lang in Betrieb. Kurz nach der Eröffnung begann die zweite Intifada, die die Palästinenser mit der israelischen Besatzung des Gazastreifens und des Westjordanlandes begründeten. Radikale Palästinenser verübten Terroranschläge.
Bei einem Anschlag durch Palästinenser wurden vier israelische Soldaten getötet. Israel wollte nach diesem Anschlag ein Zeichen setzen. Und begann mit der Zerstörung des Prestigeprojektes von Jassir Arafat. Die israelische Luftwaffe bombardierte die Radarstation und den Kontrollturm. Später pflügte die Armee große Löcher in die Start- und Landebahn. Spätestens da war es für Flugzeuge unmöglich, im Gazastreifen zu landen.
Wunschziele: Amman und Bagdad
Zwei Jugendliche laufen über das Gelände des zerstörten Flughafens. Als sie gefragt werden, wohin sie gerne fliegen würden, wenn sie denn könnten, antworten sie: Amman und Bagdad.
Amman und Bagdad. Nicht New York oder Australien. Vielleicht sind solche Zielorte für Kinder im Gazastreifen einfach unvorstellbar. Der Küstenstreifen wird von Israel und Ägypten seit mehr als zehn Jahren weitgehend abgeriegelt, seitdem die Hamas die Kontrolle übernommen hat. Israel gestattet nur einer Minderheit der Palästinenser die Ausreise.
Und wer das schafft, darf in der Regel nicht vom Flughafen Tel Aviv aus in die Welt fliegen. Wenn die Menschen von Gaza ins Ausland wollen, müssen sie zum Flughafen in Amman oder in Kairo reisen.
So geht es auch Jebril El Telbany. Er lebt im Gazastreifen und ist der stellvertretende Verkehrsminister der palästinensischen Autonomiebehörde.
"Niemand auf der Welt leidet so sehr unter einer eingeschränkten Reisefreiheit wie die Menschen in Gaza. Früher, als wir noch den Flughafen hatten, brauchte ich für einen Flug nach Mekka eine Stunde und 45 Minuten. Heute brauche ich fast drei Tage."
Der Minister würde gerne so bald wie möglich einen neuen Flughafen im Gazastreifen bauen lassen.
"Praktisch jede Stadt in Europa mit 500.000 Einwohnern hat einen Flughafen. Im Gazastreifen leben zwei Millionen. Und wir haben keinen. Die Bewegungsfreiheit – das ist doch Teil der Menschenrechte."
Katar bietet seine Mithilfe an
Doch Israel lehnt einen neuen Flughafen im Gazastreifen ab. Das Land stuft die Hamas als Terrororganisation ein. Aus Sicht der Israelis wäre ein Flughafen in Gaza ein gewaltiges Sicherheitsproblem.
Nun will der Golfstaat Katar vermitteln. Die Idee: ein neuer Flughafen für Gaza. Der ausschließlich Flüge nach Katar bietet. Der Golfstaat würde sich um die Sicherheit kümmern.
Israels Regierung kommentiert diesen Vorschlag nicht. Laut Medienberichten ist man aber nicht gerade begeistert. Und dann sind da noch die Palästinenser. Die lehnen jeden Plan ab, wenn sie nicht die volle Souveränität über den Airport bekommen.
Der erbitterte Machtkampf zwischen der Fatah-Bewegung, die die Autonomiebehörde dominiert, und der Hamas, die in Gaza das Sagen hat, macht es noch unwahrscheinlicher, dass der Gazastreifen in den kommenden Jahren einen neuen Flughafen bekommt.
Mit dem Eselskarren übers Rollfeld
Imad Al Hamms, der Flughafeningenieur ohne Flughafen, erstellt seit Jahren immer wieder neue Pläne für den Bau eines neuen Airports. Auch wenn die nie umgesetzt werden.
"Wir Palästinenser arbeiten hart. Wenn wir eine Genehmigung kriegen, werden Sie einen schönen, modernen Airport sehen. Dann wird sich dieser Ort verändern."
Die humanitäre Lage im Gazastreifen hat sich in den letzten Jahren weiter verschlechtert. Dort, wo einst moderne Jets parkten, fährt ein Junge mit einem Eselskarren. Er sucht nach den letzten verbliebenen Betonstücken auf dem Vorfeld und hackt sie klein.
Der einst so stolze Flughafen ist zur Resterampe im armen Gazastreifen geworden. Wo würde dieser Junge gerne hinfliegen, wenn er denn könnte?
"Das ist mir egal", sagt der Junge. "Hauptsache raus aus dem Gazastreifen."