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Kein Wildwuchs beim Windradbau

Ab dem Jahr 2030 will Rheinland-Pfalz seinen Energiebedarf ausschließlich aus regenerativen Quellen decken. Es droht ein Interessenkonflikt zwischen UNESCO-Welterbe und Energiepolitik. Die grüne Energie- und Klimaschutzministerin Eveline Lemke stellt dazu ein Gutachten vor.

Von Ludger Fittkau |
    Eveline Lemke ist grüne Energie- und Klimaschutzministerin sowie stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz. Sie ist zuständig für die Energiewende an Rhein und Mosel. Fast 1300 Windkraftanlagen gibt es bereits in Rheinland-Pfalz, weitere 200 sind beantragt. Rund ein Viertel der Energie, die das Vier- Millionen Einwohner-Land benötigt, kommt bereits aus regenerativen Quellen, freut sich Eveline Lemke. Doch sie will keinen Wildwuchs beim Windradbau in den insgesamt 16 besonders wertvollen historischen Kulturlandschaften, die das Land aufweist:

    "Oberes Mittelrheintal, Mosel, Ahr, Nahe, Lahn, Vulkaneifel – sehr unterschiedliche Charakteristika. Und diese, die sich unterscheiden, sind uns auch lieb und wert und wissen auch die Menschen, die in diese historischen Kulturlandschaften kommen, um sie zu erleben."

    Deshalb stellte Eveline Lemke nun in Mainz ein zweibändiges Gutachten vor, in dem es um die Vereinbarkeit der historischen Kulturlandschaften mit der Windenergienutzung geht. Eine Empfehlung: In bestimmten Bereichen des Moseltals, an der Ahr, an der Lahn oder der Nahe sollen nach Meinung der rot-grünen Landesregierung überhaupt keine Windräder aufgestellt werden. Ebenso am Rande des Pfälzer Waldes Richtung Rheintal – dem sogenannten Haardrand zwischen Grenze zum Elsass im Süden und Bad Dürkheim im Norden.
    Die Saarbrücker Raumplanerin Andrea Hartz hat das Gutachten für das Land Rheinland-Pfalz verfasst.

    "Wir sind im Prinzip gestartet mit der Aufgabe, die Erbequalitäten, die sich in der Landschaft ausdrücken, was wir gerade im Welterbegebiet Mittelrheintal besonders sehen. Wo sogar die UNESCO sagt: Das ist ein ganz besonderer Teil von weltweiter Bedeutung. So betrachten wir das im Prinzip für ganz Rheinland-Pfalz, zum Beispiel an der Mosel und im Ahrtal."

    Die UNESCO, die Kulturorganisation der UN in Paris, redet bei der Energiewende in Rheinland-Pfalz schon seit Jahren mit: Sie hat dem "Oberen Mittelrheintal" vor gut zehn Jahren den Status eines Weltkulturerbes verliehen. In der Kernzone des Welterbegebietes im Tal der Loreley dürfen keine Windräder aufgestellt werden. Eine Anlage, die bereits im Bau war, wurde auf Geheiß der UNESCO wieder abgebaut. Im Tal der Loreley dürfen auch keine Solaranlagen auf Dächer montiert werden. Konfliktpotenzial sieht die Pariser UN-Kulturorganisation auch beim Bau eines Pumpspeicherwerks im Weltkulturerbegebiet. Hier soll Rheinwasser über 500 Höhenmeter in ein riesiges Wasserbassin gepumpt werden, um dann das Gefälle für die Stromproduktion zu nutzen. Die UNESCO sieht vor allem das Wasserbecken auf den Rheinhöhen skeptisch. Mit Unterstützung der Deutschen Umwelthilfe als Moderatorin will die stellvertretende Ministerpräsidentin Eveline Lemke das Kraftwerk der UN-Kulturorganisation schmackhaft machen.

    "Aber das es ein raumeingreifendes Element ist, mit dem vorsichtig umgegangen werden muss, das ist uns selbstverständlich klar."

    Ein Bündnis von Naturschutzorganisationen in Rheinland-Pfalz sieht es auch nach wie vor kritisch, dass das Biosphärenreservat Pfälzer Wald Windräder bekommen soll - mit Ausnahme eines schmalen Streifens am Rande des Rheintals. Bei der Vorstellung des neuen Landesgutachtens in Mainz meldete sich auch Lorenz Ahrens-Botzong zu Wort. Er ist Mitglied der Bürgerinitiative "Pro Pfälzer Wald" und betont: Die UNESCO spielt auch beim Pfälzer Wald eine Rolle.

    "Er ist von der UNESCO als Biosphärenreservat anerkannt und zugleich auch Naturpark. Und unsere Forderung ist ganz klar: Biosphärenreservate und auch Naturpark sollen von Windkraftanlagen freigehalten werden."

    Doch nach der Vorstellung des neuen rheinland-pfälzischen Gutachtens ist klar: Auch im Pfälzer Wald wird es bald wohl Windräder geben – wenn auch nicht überall. Genauso wird es in vielen anderen Teilen von Rheinland-Pfalz sein. Doch das Gutachten gibt andererseits die Empfehlung, vor allem die Flusstäler nicht mit Anlagen zuzustellen. Ein Kompromiss zwischen Energiepolitik und Naturästhetik wird gesucht. Wie die historischen Kulturlandschaften am Ende aussehen werden, ist jedoch vielerorts offen.