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"Keine Abgrenzung nach rechts"

In der Deutschen Burschenschaft gibt es nach Ansicht der Gießener Politikwissenschaftlerin Alexandra Kurth rechtsextreme Positionen. Der Verband, dem Studentenverbindungen in Deutschland und Österreich angehören, habe Mitglieder aus der NPD, die er obendrein in der Verbandszeitschrift über Seiten hinweg zu Wort kommen lasse.

Alexandra Kurth im Gespräch mit Christoph Heinemann | 17.06.2011
    Christoph Heinemann: Ariernachweis, dieses Wort klingt nach einer Zeit, die Vernunft begabte und zum Mitleid fähige Menschen niemals wieder erleben oder niemals erleben möchten. Dieser Begriff ist nun aufgetaucht im Zusammenhang mit der Kritik an Zuständen in der Deutschen Burschenschaft. Es geht um eine Studentenverbindung, die zur sogenannten Deutschen Burschenschaft gehört, zu diesem Dachverband, und um den Versuch, diese Mannheimer Verbindung aus diesem Dachverband auszuschließen, weil sie einen chinesisch-stämmigen Studierenden aufgenommen hatte. Nach Angaben der Deutschen Burschenschaft ist das Bekenntnis zur deutschen Kultur, zur deutschen Staatsangehörigkeit und die Abstammung eine entscheidende Anforderung an Bewerber. Der Nachweis deutscher Eltern soll allerdings doch keine zwingende Voraussetzung für eine Mitgliedschaft sein. Das gab der Sprecher der Burschenschaft zu Beginn der Mitgliederversammlung in Eisenach bekannt.

    Am Telefon ist jetzt die Politikwissenschaftlerin Alexandra Kurth von der Universität Gießen. Sie hat über Studentenverbindungen gearbeitet. Guten Morgen!

    Alexandra Kurth: Guten Morgen!

    Heinemann: Frau Kurth, gibt es in diesem Verband extremistische Positionen?

    Kurth: Ja! Es gibt in der Deutschen Burschenschaft extremistische Positionen, zumindest wenn man die herkömmliche Definition von Extremismus zugrunde legt. Die Deutsche Burschenschaft interpretiert das anders. Die Deutsche Burschenschaft fasst ganz offenkundig die Positionen der NPD nicht als extremistisch auf. Das ist schon relativ lange so, schon Anfang der 1970er-Jahre gab es einen Antrag von liberalen Burschenschaften, die Mitgliedschaft unter anderem in der NPD für unvereinbar zu erklären mit der Mitgliedschaft in der Deutschen Burschenschaft. Dafür gab es keine Mehrheit auf dem damaligen Burschentag, ...

    Heinemann: Und da gibt es Schnittmengen?

    Kurth: ..., wohl aber eine Mehrheit für einen Antrag, der beschloss, dass die Mitgliedschaft in extremistischen Vereinigungen mit der Mitgliedschaft in der Deutschen Burschenschaft unvereinbar ist.

    Heinemann: Michael Schmidt, wir haben ihn gerade gehört, der sagt, der Name Deutsche Burschenschaft ist nicht geschützt und politisches Engagement ist Sache jedes Einzelnen.

    Kurth: Diese Aussage von Herrn Schmidt habe ich ehrlich gesagt nicht so wirklich verstanden, weil die Deutsche Burschenschaft ist ja ein Verband, und es ist ja nicht so, dass andere Organisationen unter dem Etikett Deutsche Burschenschaft extreme Positionen vertreten, sondern das sind ja Mitgliedschaften der Deutschen Burschenschaft.

    Heinemann: Wie definieren Sie Extremismus und wie legt die Deutsche Burschenschaft diesen Begriff fest?

    Kurth: Der Begriff extremistisch ist ja ein Begriff des Verfassungsschutzes und nach dem Verfassungsschutz sind extremistische Positionen solche, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten, und die NPD als Partei wird jährlich im Verfassungsschutzbericht [aufgeführt], folglich ist es eine extremistische Partei. Und wenn die Deutsche Burschenschaft Mitglieder aus der NPD hat, die sie obendrein in ihrer Verbandszeitschrift über Seiten hinweg zu Wort kommen lässt, dann werden doch selbstverständlich extremistische Positionen in der Deutschen Burschenschaft vertreten.

    Heinemann: Aber sind diese Positionen auch Zielsetzung der Deutschen Burschenschaft?

    Kurth: Die Deutsche Burschenschaft ist jetzt keine Organisation, die eine parteipolitische Festlegung hätte. Sie ist ein politischer Verband, sie ist parteipolitisch formal neutral, aber sie ist ein Verband, der eben keiner Abgrenzung nach rechts folgt.

    Heinemann: Gibt es denn einzelne Verbindungen in diesem Dachverband, einzelne Studentenverbindungen, denen man ganz klar verfassungsfeindliche Ziele nachweisen kann?

    Kurth: Wir haben ja eine ganze Reihe von Skandalen gehabt, beispielsweise in München bei der Danubia München, aber auch in Österreich, weil ja auch österreichische Burschenschaften Mitglied in der Deutschen Burschenschaft sind. Beispielsweise die Burschenschaft Olympia Wien war zeitweilig in Österreich sogar verboten wegen NS-Wiederbetätigung, wurde dann wieder zugelassen, ist Mitglied in der Deutschen Burschenschaft, hat jetzt auch quasi beim jetzigen Burschentag einen Antrag gestellt. Wenn wir in Hamburg gucken, die Burschenschaft Germania, in Köln die Burschenschaft Germania, hier in Gießen die Burschenschaft Dresdensia-Rugia. Also es gibt quasi in sehr, sehr vielen Städten entsprechende Skandale um rechtsextreme Aktivitäten von Burschenschaften. Das heißt nicht, dass es bei allen Burschenschaften der Fall ist, aber bei sehr, sehr vielen.

    Heinemann: Wir müssen aber jetzt zur Ehrenrettung sagen: Diese Deutsche Burschenschaft, das ist ein Dachverband, und es gibt viele andere, in denen wiederum andere Studentenverbindungen organisiert sind. Nicht jede Studentenverbindung ist per se irgendwie extremistisch, rechtsradikal, konservativ oder sonst was.

    Kurth: Nein! Nein, damit würde man den anderen sehr, sehr Unrecht tun, wenn man das behaupten würde. Die Deutsche Burschenschaft ist ein Verband, sie ist ein großer Verband. Aber es gibt eine ganze Reihe von anderen Verbänden, die nicht rechtsextrem sind. Von den Verbänden hört man manchmal sehr, sehr wenig, manche äußern sich sehr klar, zum Beispiel die Neue Deutsche Burschenschaft, eine Abspaltung der Deutschen Burschenschaft, die sich jetzt dieses Wochenende hier in Gießen zu ihrem Burschentag trifft und die heute eine Presseerklärung vorgelegt hat, wo sie sich ganz klar distanziert von der Deutschen Burschenschaft und dem Rechtsextremismus in der Deutschen Burschenschaft. Das würde man sich von noch mehr Verbänden wünschen. Die Corps haben das auch gemacht, sehr, sehr klar. Viele andere Verbände halten sich bedeckt und geraten dadurch ein Stück weit mit in diese Kritik, weil man sie im Prinzip nicht als eigenständig wahrnimmt.

    Alexandra Kurth ist Politikwissenschaftlerin an der Uni Gießen und Autorin des Buches "Männer - Bünde - Rituale. Studentenverbindungen seit 1800".