Für den Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Link, ist keiner der beiden Kandidaten als klarer Sieger aus dem Duell hervorgegangen. Der FDP-Politiker sagte im Deutschlandfunk, Harris habe einen optimistischen Ton angeschlagen und dabei versucht, für die Zukunft zu stehen und Trump als Person der Vergangenheit darzustellen. Trump sei dagegen sehr grimmig aufgetreten, er habe Gefahren für Amerika heraufbeschworen und mit Feindbildern gearbeitet. Link attestierte Harris "vielleicht ein kleines Plus", weil sie versucht habe, in der Mitte bei den unentschlossenen Wählern zu punkten. Trump sei aber gut darin, seine Wählerschaft zu mobilisieren. Link betonte, es sei zu früh, einzuschätzen, wie die Wahl im November ausgehen werde: "Dafür ist es viel zu eng."
"Trumps stärkster Moment nach 105 Minuten"
Nach Ansicht von Deutschlandfunk-Korrespondentin Doris Simon hat Trump es nicht oft geschafft, Harris unter Druck zu setzen. Sein stärkster Moment sei erst nach 105 Minuten gekommen, als er ihr vorwarf, Versprechungen zu machen und fragte, warum sie diese nicht in den drei Jahren ihrer Vizepräsidentschaft angegangen sei. Er habe Harris nicht so festnageln können, wie seine Wahlkampfmanager es vermutlich gerne gesehen hätten, sagte Simon. Stattdessen habe es Harris geschafft, Trump aus der Fassung zu bringen, etwa mit Äußerungen über Trumps Wahlkampfveranstaltungen, die Besucher offenbar aus Langeweile frühzeitig verlassen hätten.
Reuters: Trump mehrfach in der Defensive
Zu einer ähnlichen Bewertung kommen die Korrespondenten der Nachrichtenagentur Reuters. Der Vizepräsidentin sei es bei dem Schlagabtausch gelungen, Trump mehrfach in die Defensive zu zwingen, schreiben diese. Der Ex-Präsident habe teils sichtlich wütend reagiert und seiner Kontrahentin wiederholt vorgeworfen, die USA insbesondere durch eine verfehlte Wirtschafts- und Einwanderungspolitik zugrunde zu richten.
Die 59-Jährige sei deutlich schlagfertiger und gewappneter aufgetreten als zuletzt Präsident Biden, der nach einer verheerenden Fernsehdebatte gegen Trump im Juni letztlich auf eine erneute Kandidatur zugunsten seiner Stellvertreterin verzichtet hatte. Die ehemalige Staatsanwältin Harris sei Trump in einer ganzen Reihe von Punkten scharf angegangen, etwa wegen seiner zahlreichen Strafverfahren oder seines Verhaltens während des Sturms wütender Trump-Anhänger auf das Kapitol im Januar 2021, schreiben die Reuters-Korrespondenten: "Sie lockte den 78-Jährigen ein um das andere Mal aus der Reserve und brachte ihn dazu, sich für Handlungen während seiner Präsidentschaft zu rechtfertigen."
"New York Times" und "Washington Post" sehen Harris vorne
Die "New York Times" sieht die Debatte sogar als einen "uneingeschränkten Erfolg für Harris", nicht nur, "weil sie sich selbst und ihre Pläne definieren konnte", sondern auch, weil es ihr gelungen sei, ihn aus der Reserve zu locken und Trump dadurch sein wahres Gesicht gezeigt habe. Die zweite große US-Zeitung, die "Washington Post", analysierte: "Harris präsentierte eine positive Vision für ein Land, das sich trotz Mängeln in einer bemerkenswert guten Verfassung befindet. Im Gegensatz dazu zeichnete Trump ein düsteres Bild der Vereinigten Staaten als Nation, die scheitern wird und sich einer rasant steigenden Kriminalität ausgesetzt sieht." Trumps Geniestreich in früheren Debatten habe darin bestanden, seine Gegner in die Defensive zu treiben. Harris habe den Spieß umgedreht und ihn über nahezu die gesamte Zeit in die Defensive gebracht, urteilte die "Washington Post".
Umfrage: Zuschauer bewerten Harris positiver
Der Nachrichtensender CNN und andere US-Medien ließen nach der Debatte eine Zuschauerbefragung unter registrierten Wählern durchführen. Demnach wurde Harris positiver wahrgenommen als ihr republikanischer Kontrahent Trump. 45 Prozent der Befragten äußerten eine wohlwollende Meinung von Harris, Donald Trump kommt auf 39 Prozent.
Bei einem Einzelaspekt lag Trump allerdings deutlich vorn: 55 Prozent der Befragten denken, dass Trump mehr Wirtschaftskompetenz hat als Harris, die auf 35 Prozentpunkte kommt. 82 Prozent der Befragten gaben allerdings auch an, dass das TV-Duell keinen Einfluss auf ihre Wahlentscheidung im November haben werde.
Diese Nachricht wurde am 11.09.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.