Gerd Breker: Erinnern Sie sich noch an die Dürre am Horn von Afrika, an das Flüchtlingslager Dadaab in Kenia, das in kürzester Zeit zur Stadt mit über 400.000 Einwohnern wurde, an die Bilder von Menschen, die Haus und Hof verlassen mussten, um für sich und ihre Kinder etwas Essbares und Trinkbares zu finden? Millionen waren doch betroffen. Meldungen dazu sind offenbar im Sog der Griechenland- und Euro-Krise verschluckt worden. Wir wollen nachfragen, was daraus geworden ist, und zwar bei Heribert Scharrenbroich. Der ehemalige CDU-Sozialpolitiker ist heute Präsident der internationalen Hilfsorganisation Care Deutschland-Luxemburg. Guten Tag, Herr Scharrenbroich.
Heribert Scharrenbroich: Guten Tag, Herr Breker.
Breker: Herr Scharrenbroich, dass wir so gut wie nichts mehr über die Hungersnot in Ostafrika hören, muss uns das, kann uns das beruhigen? Heißt das, alles im Griff, Gefahr gebannt?
Scharrenbroich: Nein, überhaupt nicht, und ich danke dem Deutschlandfunk, dass er das Thema jetzt wieder aufgreift. In Dadaab leben inzwischen über 520.000 Flüchtlinge, überwiegend aus Somalia, und die Lage ist teilweise für die Viehzüchter entschärft, weil es jetzt geregnet hat, aber für die übrigen, für den Rest der Bevölkerung kann man das überhaupt nicht sagen. Sie hat sich verschlimmert, und zwar kann man das ablesen zum Beispiel, dass im Oktober nach Äthiopien 8000 Flüchtlinge aus Somalia kamen, während es im September noch "nur" 5000 waren. Die Lage hat sich verschlimmert - deswegen, weil die Sicherheitslage sich nach dem Angriff der kenianischen Truppen auf Bereiche Südsomalias verschlechtert hat.
Breker: Es hieß damals, dass insgesamt zwölf Millionen Menschen am Horn von Afrika betroffen waren. Kann man das absehen, wie viele es jetzt noch sind, die von der Hungersnot betroffen sind?
Scharrenbroich: Das hat sich nicht wesentlich geändert. Ich sagte, den Viehzüchtern geht es etwas besser, aber dafür gibt es jetzt neue Flüchtlingsbewegungen. Menschen fliehen aus den von der kenianischen Armee angegriffenen Regionen. Die Hilfsorganisationen können dort nicht mehr arbeiten und es regnet auch nicht überall. Zum Beispiel in Äthiopien an der Grenze zu Somalia herrscht nach wie vor Trockenheit und die Menschen sind dort angewiesen auf Lieferungen der Hilfsorganisationen. Also überhaupt keine Entwarnung, und die Trockenheit dehnt sich ja noch weiter aus, jetzt auch in die Sahelzone. Das Land Niger ruft dringend um Hilfe.
Breker: Sie haben gesagt, die Menschen sind angewiesen auf Hilfe von außen, auf Hilfslieferungen. Wie sieht es denn, da man so wenig darüber gehört hat in letzter Zeit, mit der Spendenbereitschaft der Menschen aus?
Scharrenbroich: Das ist natürlich klar, dass die Spendenbereitschaft der Menschen jetzt nicht mehr so gefordert wird, weil die Medien jetzt andere Themen haben. Aber wir brauchen nach wie vor sehr viel Geld und vor allen Dingen, wenn wir jetzt versuchen wollen, die Strukturen zu verbessern. Care hat alleine Pläne aufgestellt für 350 Millionen US-Dollar, die wir brauchen in verschiedensten Ländern, damit man künftig bei solchen Dürrekatastrophen besser gewappnet ist, das heißt Getreidebanken anlegt, damit man die Wasserversorgung besser organisiert. Care konnte mit Hilfe des Nothilfeprogramms der Europäischen Union in den letzten Jahren sehr viele Brunnen wiederherstellen, was den Menschen jetzt sehr geholfen hat. Also es braucht dringend weitere Hilfen, sowohl für Ostafrika, als auch jetzt für den Staat Niger, wo drei Millionen Menschen bedroht sind.
Ich darf das noch mal in Erinnerung rufen: Ich war im Jahr 2005 bei der Dürrezeit in Niger. Wenn man da rechtzeitig den Menschen, den Kindern geholfen hätte mit einem Euro, hätte man Kinder retten können, wofür man dann später 60 Euro brauchte. Also Hilfe vorher ist viel wirkungsvoller und vor allen Dingen sehr viel humaner.
Breker: Sie haben gerade, Herr Scharrenbroich, unterschieden zwischen der Nothilfe, also den Dingen, die man akut dahin liefern muss, damit die Menschen überleben, und der Vorsorge, die man betreiben kann, dass künftige Dürreperioden nicht solche Schäden unter Natur und Menschen anrichten. Erzählen Sie uns doch einfach mal von der Logistik. Was muss man denn da täglich hintransportieren, damit die Menschen überleben?
Scharrenbroich: Wenn ich mal das Flüchtlingslager Dadaab mit seinen 520.000 Menschen nehme und den 30.000 Menschen, die noch auf Aufnahme warten, dann ist klar, dass man die Lebensmittel verteilen muss. Care ist für die gesamte Verteilung der Lebensmittel in diesem Riesenland zuständig. Das Welternährungsprogramm bringt die Nahrungsmittel dorthin, Care verteilt sie. Alle 14 Tage werden dort große Mengen verteilt, die Menschen haben praktisch Lebensmittelkarten, damit auch nicht eine Familie doppelt bekommt und die andere leer ausgeht. Wir müssen so viel Wasser zur Verfügung stellen - das ist ja das wichtigste Lebensmittel -, dass die Menschen nicht verdursten. Hinzu kommt dann, was wir auch Hygiene nennen. Es ist ja darauf hinzuweisen, dass jetzt gerade durch die starken Regenfälle im Süden Somalias die Gefahr besteht, dass dort Seuchen ausbrechen. Also es gibt bereits Fälle von Malaria und natürlich auch von Denguefieber. Das ist also generalstabsmäßig vorbereitet und ich möchte auch noch mal sagen, dass die großen Hilfsorganisationen sich koordinieren innerhalb der Nothilfeorganisationen der Vereinten Nationen "Ocha". Also wir fahren nicht einfach drauf los, sondern das ist ein generalstabsmäßig vorbereitetes und geplantes und betreutes Hilfswerk der verschiedensten Hilfsorganisationen, die zusammenarbeiten.
Breker: Am Horn von Afrika gibt es immer noch eine Hungersnot. Wir sprachen im Deutschlandfunk mit dem Präsidenten der internationalen Hilfsorganisation Care Deutschland-Luxemburg, mit Heribert Scharrenbroich. Herr Scharrenbroich, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
Scharrenbroich: Ich danke Ihnen, Herr Breker, dass Sie das Thema aufgegriffen haben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Heribert Scharrenbroich: Guten Tag, Herr Breker.
Breker: Herr Scharrenbroich, dass wir so gut wie nichts mehr über die Hungersnot in Ostafrika hören, muss uns das, kann uns das beruhigen? Heißt das, alles im Griff, Gefahr gebannt?
Scharrenbroich: Nein, überhaupt nicht, und ich danke dem Deutschlandfunk, dass er das Thema jetzt wieder aufgreift. In Dadaab leben inzwischen über 520.000 Flüchtlinge, überwiegend aus Somalia, und die Lage ist teilweise für die Viehzüchter entschärft, weil es jetzt geregnet hat, aber für die übrigen, für den Rest der Bevölkerung kann man das überhaupt nicht sagen. Sie hat sich verschlimmert, und zwar kann man das ablesen zum Beispiel, dass im Oktober nach Äthiopien 8000 Flüchtlinge aus Somalia kamen, während es im September noch "nur" 5000 waren. Die Lage hat sich verschlimmert - deswegen, weil die Sicherheitslage sich nach dem Angriff der kenianischen Truppen auf Bereiche Südsomalias verschlechtert hat.
Breker: Es hieß damals, dass insgesamt zwölf Millionen Menschen am Horn von Afrika betroffen waren. Kann man das absehen, wie viele es jetzt noch sind, die von der Hungersnot betroffen sind?
Scharrenbroich: Das hat sich nicht wesentlich geändert. Ich sagte, den Viehzüchtern geht es etwas besser, aber dafür gibt es jetzt neue Flüchtlingsbewegungen. Menschen fliehen aus den von der kenianischen Armee angegriffenen Regionen. Die Hilfsorganisationen können dort nicht mehr arbeiten und es regnet auch nicht überall. Zum Beispiel in Äthiopien an der Grenze zu Somalia herrscht nach wie vor Trockenheit und die Menschen sind dort angewiesen auf Lieferungen der Hilfsorganisationen. Also überhaupt keine Entwarnung, und die Trockenheit dehnt sich ja noch weiter aus, jetzt auch in die Sahelzone. Das Land Niger ruft dringend um Hilfe.
Breker: Sie haben gesagt, die Menschen sind angewiesen auf Hilfe von außen, auf Hilfslieferungen. Wie sieht es denn, da man so wenig darüber gehört hat in letzter Zeit, mit der Spendenbereitschaft der Menschen aus?
Scharrenbroich: Das ist natürlich klar, dass die Spendenbereitschaft der Menschen jetzt nicht mehr so gefordert wird, weil die Medien jetzt andere Themen haben. Aber wir brauchen nach wie vor sehr viel Geld und vor allen Dingen, wenn wir jetzt versuchen wollen, die Strukturen zu verbessern. Care hat alleine Pläne aufgestellt für 350 Millionen US-Dollar, die wir brauchen in verschiedensten Ländern, damit man künftig bei solchen Dürrekatastrophen besser gewappnet ist, das heißt Getreidebanken anlegt, damit man die Wasserversorgung besser organisiert. Care konnte mit Hilfe des Nothilfeprogramms der Europäischen Union in den letzten Jahren sehr viele Brunnen wiederherstellen, was den Menschen jetzt sehr geholfen hat. Also es braucht dringend weitere Hilfen, sowohl für Ostafrika, als auch jetzt für den Staat Niger, wo drei Millionen Menschen bedroht sind.
Ich darf das noch mal in Erinnerung rufen: Ich war im Jahr 2005 bei der Dürrezeit in Niger. Wenn man da rechtzeitig den Menschen, den Kindern geholfen hätte mit einem Euro, hätte man Kinder retten können, wofür man dann später 60 Euro brauchte. Also Hilfe vorher ist viel wirkungsvoller und vor allen Dingen sehr viel humaner.
Breker: Sie haben gerade, Herr Scharrenbroich, unterschieden zwischen der Nothilfe, also den Dingen, die man akut dahin liefern muss, damit die Menschen überleben, und der Vorsorge, die man betreiben kann, dass künftige Dürreperioden nicht solche Schäden unter Natur und Menschen anrichten. Erzählen Sie uns doch einfach mal von der Logistik. Was muss man denn da täglich hintransportieren, damit die Menschen überleben?
Scharrenbroich: Wenn ich mal das Flüchtlingslager Dadaab mit seinen 520.000 Menschen nehme und den 30.000 Menschen, die noch auf Aufnahme warten, dann ist klar, dass man die Lebensmittel verteilen muss. Care ist für die gesamte Verteilung der Lebensmittel in diesem Riesenland zuständig. Das Welternährungsprogramm bringt die Nahrungsmittel dorthin, Care verteilt sie. Alle 14 Tage werden dort große Mengen verteilt, die Menschen haben praktisch Lebensmittelkarten, damit auch nicht eine Familie doppelt bekommt und die andere leer ausgeht. Wir müssen so viel Wasser zur Verfügung stellen - das ist ja das wichtigste Lebensmittel -, dass die Menschen nicht verdursten. Hinzu kommt dann, was wir auch Hygiene nennen. Es ist ja darauf hinzuweisen, dass jetzt gerade durch die starken Regenfälle im Süden Somalias die Gefahr besteht, dass dort Seuchen ausbrechen. Also es gibt bereits Fälle von Malaria und natürlich auch von Denguefieber. Das ist also generalstabsmäßig vorbereitet und ich möchte auch noch mal sagen, dass die großen Hilfsorganisationen sich koordinieren innerhalb der Nothilfeorganisationen der Vereinten Nationen "Ocha". Also wir fahren nicht einfach drauf los, sondern das ist ein generalstabsmäßig vorbereitetes und geplantes und betreutes Hilfswerk der verschiedensten Hilfsorganisationen, die zusammenarbeiten.
Breker: Am Horn von Afrika gibt es immer noch eine Hungersnot. Wir sprachen im Deutschlandfunk mit dem Präsidenten der internationalen Hilfsorganisation Care Deutschland-Luxemburg, mit Heribert Scharrenbroich. Herr Scharrenbroich, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
Scharrenbroich: Ich danke Ihnen, Herr Breker, dass Sie das Thema aufgegriffen haben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.