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Keine EU-Defizitstrafen
Galgenfrist für Portugal und Spanien

Die EU-Kommission in Brüssel gibt Lissabon und Madrid mehr Zeit: Anders als geplant erhalten beide Defizitsünder keine Strafen - vorerst nicht. Kritik daran kommt aus Bayern.

Von Annette Riedel |
    Europaflaggen vor der Europäischen Kommission in Brüssel
    Gute Nachrichten aus Brüssel gab es auch. (dpa / picture alliance / Daniel Kalker)
    Portugal und Spanien bekommen eine Galgenfrist, bevor ihnen wegen ihrer regelwidrigen Haushaltsdefizite empfindliche Bußgelder blühen. Das gab EU-Kommissar Moscovici heute bekannt. "Es ist jetzt nicht der richtige Moment, den Schritt zu Sanktionen zu gehen - weder politisch noch ökonomisch. Aber wir werden uns dem Thema Anfang Juli erneut widmen."
    Also nach den Neuwahlen in Spanien Ende Juni. Erkennbar nimmt die EU-Kommission die vom amtierenden spanischen Regierungschef Rajoy von EU-Kommissionspräsident Juncker gewünschte Rücksicht auf die politische Situation im Land: "Wir schlagen neue Fristen vor, in denen Spanien und Portugal ihre Haushaltsdefizite unter die vorgegebenen drei Prozent bringen und gleichzeitig anspruchsvolle, aber realistische Strukturreformen umgesetzt haben müssen: Portugal bis 2016 und Spanien bis 2017."
    Auch ökonomische Gründe
    Neben den politischen führte die EU-Kommission auch ökonomische Gründe an, warum es erneut einen Aufschub für eine mögliche Verschärfung der Defizitverfahren gibt. Beide Länder befänden sich dank erheblicher Anstrengungen in den vergangenen Jahren wieder auf dem Wachstumspfad, der allerdings noch nicht zu ausreichend geringerer und damit regelgemäßer Neuverschuldung geführt habe. Haushaltskonsolidierung dürfe jedoch nicht auf Kosten des Wachstums gehen, sagte Moscovici. "Wir müssen eine verantwortliche Fiskalpolitik verfolgen, die die wirtschaftliche Erholung unterstützen. Wirtschaftswachstum ist unsere Priorität."
    Für das laufende Jahr geht man in Brüssel bei Spanien von einem Haushaltsdefizit von 3,9 Prozent aus, nach 5,1 Prozent in 2015. 2016 werden 3,1 Prozent erwartet. Portugal wies im vergangenen Jahr 4,4 Prozent aus, wird in diesem bei 2,7 Prozent und im kommenden unter 2,5 Prozent landen. Dass die EU-Kommission die eigentlich fälligen Bußgelder von bis zu 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung jetzt zunächst nicht verhängt, kritisiert der CSU-Finanzexperte im EU-Parlament Markus Ferber als inkonsequent und die Einhaltung von Spielregeln gefährdend. "Wenn Spanien und Portugal zum wiederholten Mal die Drei-Prozent-Neuverschuldung nicht einhalten können, dann sind hier automatisch Maßnahmen durch die Europäische Kommission zu verhängen. Eine Kommission, die dieser Aufgabe nicht gerecht wird, erfüllt ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht."
    Es geht wirtschaftlich bergauf - langsam
    Die teilweise sehr unterschiedliche Bereitschaft, Spielregeln einzuhalten und die länderspezifischen Wirtschaftsempfehlungen der EU-Kommission umzusetzen, beklagte seinerseits EU-Vizekommissionspräsident Dombrovskis: "Einige Länder haben bestenfalls eingeschränkte Anstrengungen zur Umsetzung der Empfehlungen unternommen."
    Gute Nachrichten gab es heute auch - trotz schwächelnder Weltwirtschaft geht es für die Eurozone weiter langsam wirtschaftlich bergauf und entwickelte sich der Schuldenstand in der Eurozone insgesamt positiv. Irland, Zypern und Slowenien könnten aus den laufenden Defizit-Verfahren entlassen werden. Allerdings dürfe in keinem Land bei den Reformanstrengungen nachgelassen werden. "Wir müssen unsere Anstrengungen bei der Umsetzung von Strukturreformen verdoppeln, unsere Ökonomien modernisieren und mehr Investoren anziehen", so Dombrovskis.
    Italien und Frankreich bleiben wegen ihrer Haushaltspolitik unter Beobachtung. Das gilt auch für Belgien und Finnland, Malta, die Slowakei und Nicht-Euro-Land Ungarn.