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Keine Geisteswissenschaft ohne Geld

Die Angst geht um unter den Geisteswissenschaftlern der Uni Bonn. Denn die Uni muss sparen: bis zu 39 Stellen an der Philosophischen Fakultät. Wenn in einer solch kleinen Abteilung gekürzt wird, kann es die einzige Professorenstelle sein – und das kann das Aus für dieses Fach bedeuten.

Von Esther Körfgen |
    Vor einem Jahr haben sie hier an der Hofgartenwiese noch Jubiläum gefeiert: 50 Jahre Abteilung für Osteuropäische Geschichte. Heute ist in dem Haus mit dem Charme der 60er jegliche Feierlaune erloschen: Zwischen Regalen voller Bücher sinniert Dozentin Diana Ordubadi über ein mögliches Aus ihres Fachbereichs:

    "Würde dieser wegfallen, würde das bedeuten, dass die Beschäftigung mit Geschichte sich nur auf Mitteleuropa konzentrieren würde. Und in den Zeiten der offenen Grenzen, der Integrationspolitik und der strategischen Partnerschaft mit osteuropäischen Ländern wäre das irgendwie undenkbar."

    Endet Europa an der Oder? So nennt sich denn auch ein breites Aktionsbündnis aus Studierenden und Lehrenden – sie kämpfen mit Petitionen und Unterschriftensammlungen für den Erhalt der Abteilung, auch über Demos und Streiks wird nachgedacht. Mit dabei: Matthias Schug, er studiert seit vier Jahren Geschichte mit Schwerpunkt Osteuropa.

    "Die Fakultät wird jetzt aufgerufen, vonseiten der Studierenden, vonseiten aber auch des Mittelbaus, und auch aus der Professorenschaft, keine weiteren Kürzungen zu akzeptieren, unsere Forderung geht auch ganz klar an das Land, die Uni hat viel zu wenig Geld, es kann und darf nicht weiter gekürzt werden. Gerade wenn jetzt viel mehr Studierende durch Doppeljahrgänge kommen werden."

    Noch weiß keiner, wie viel genau das Geschichtsinstitut einsparen muss. Es ist eines von zehn Instituten der Philosophischen Fakultät. Alle zehn müssen sparen, das steht fest. Dekan Paul Geyer kann nur eine ungefähre Summe nennen:

    "Mindestens eine Million muss es schon sein. Eine bis anderthalb Millionen, das ist dann das negativste Szenario."

    Und das heißt: Möglicherweise müssen 39 Stellen gestrichen werden. Stellen von Professoren, die in Pension gehen, sollen in den nächsten Jahren nicht mehr besetzt werden. Und Sekretärinnenstellen umverteilt, halbiert, geviertelt werden. Ab 2013 soll das geschehen, in einem Zeitraum von fünf Jahren. Was aber, wenn ausgerechnet die einzige Lehrstelle eines Fachs damit wegfällt? Ist dann nicht auch das Fach tot? Der Dekan will beruhigen.

    "Wir bemühen uns, da möglichst keine kleinen Fächer zu beschädigen."

    Möglichst. De facto aber denkt die Uni langfristig über Kooperationen mit Hochschulen aus Nachbarstädten nach, bestätigt der Rektor. Und das könnte dann eben doch das Ende eines kleinen Fachs in Bonn bedeuten. Die Slavistik ist den Kürzungen bereits zum Opfer gefallen – sie schließt nächstes Jahr. Nun rechnen auch die anderen kleinen Fächer damit, weiß der Student Matthias Schug:

    "Altamerikanistik, Asienwissenschaften, Anglistik, in den Asienwissenschaften ist bereits gespart worden, der Master chinesisch übersetzen, den soll es nicht mehr geben, die Mongolistik ist konkret bedroht."

    Der einzige Professor für Osteuropäische Geschichte geht 2014 in Pension. Soll seine Stelle neu besetzt werden? Das muss nun das Institut entscheiden. Irgendwo muss gekürzt werden. In allen Fakultäten - nur nicht in denen, die gerade bei der Exzellenzinitiative mitwirken. Anlass zu Spekulationen darüber, dass nun die Philosophische Fakultät für die Folgekosten der Exzellenzteilnehmer anderer Fakultäten aufkommen muss. Nein, begütigt der Rektor, die Einsparungen hätten nur etwas mit dem nicht gedeckten Haushalt zu tun, nichts mit der Exzellenzinitiative. Aber, sagt Dekan Paul Geyer:

    "Es gibt natürlich die Fakultäten, in den denen Exzellenzcluster und Graduiertenschulen nach dem Exzellenzwettbewerb vorhanden sind in Bonn, und das ist die mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät und die Ökonomie und ein Teil der Medizin, und da kann man natürlich, wenn jetzt irgendwelche Kürzungen anfallen, nicht kürzen. Weil man die auch nicht beschädigen kann."

    Die kleinen Fächer sind nicht exzellent, erfreuen sich aber großer Beliebtheit unter Studierenden. Schon jetzt müssen überall Seminare geteilt und Studierwillige abgewiesen werden. Im Frühjahr soll entschieden sein, wie viele Stellen wo gekürzt werden – erst dann werden die Mitarbeiter erfahren, ob es für sie und ihr Fach an der Bonner Uni eine Zukunft gibt oder nicht.