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Keine Götter in Weiß

Ärztliche Behandlungsfehler haben oft schlimme Folgen für Patienten. Opfer sind aber nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Mediziner. Wie ihnen geholfen werden kann, wurde bei einem Kolloquium an der Uniklinik Köln diskutiert.

Von Jochen Steiner |
    "Reden, reden, reden. Da müssen wir Ärzte sowohl mit den Patienten als auch innerhalb unserer Gruppe der Berufskollegen uns noch weiter entwickeln."

    Dr. Stephan Padosch ist Leitender Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin an der Uniklinik Köln. Ein Gespräch ist nicht nur dann angebracht, wenn der Eingriff erfolgreich verlaufen ist, sondern vor allem dann, wenn Ärzte, Krankenschwestern oder Pflegepersonal einen Fehler begangen haben.

    Der Patient ist dann das erste Opfer, der Mediziner aber das zweite.
    Mit diesem Phänomen des "Second Victim" beschäftigt sich Padosch seit ein paar Jahren und stellt fest...

    " ...dass wir gerade erst dabei sind, das Phänomen zu enttabuisieren. Wenn Sie überlegen, 30 Jahre ist in der Medizin keine lange Zeit, 84 erstmals beschrieben."

    Wissenschaftliche Daten über die Folgen für die Mediziner gebe es bislang nur wenige, so Padosch. Aber die, die es gibt belegen, dass Ärzte einen Fehler nicht auf die leichte Schulter nehmen, denn es gehe schließlich um die Gesundheit von Menschen.

    "Das ist nicht eine Autowerkstatt, wo ein Auspuff runterfällt. Das ist dann auch die menschliche Betroffenheit, jemandem da gar vielleicht Leid oder Schaden zugefügt zu haben ist für den Betroffenen initial ein Schock und eine Katastrophe. Und so geht es ihm dann auch, von der akuten bis hin zur chronischen Belastungsreaktion also sicherlich am Anfang ein riesen Schreck, Schwitzen, Schweißausbruch, Schlafstörungen. Und wenn man Pech hat, Monate später bis hin zur Abhängigkeit oder Depression, wenn eben hier keine Hilfe erfolgt."

    Oft fällt es dabei demjenigen, der den Fehler gemacht hat schwer, diesen einzugestehen.

    "Ich glaube das ist sicherlich historisch bedingt und kommt auch von Klischees, die lange Zeit genährt wurde, der Arzt als (Halb-)Gott in Weiß und sicherlich auch ein bisschen ein privilegiertes Self-Understatement der Berufsgruppe, dass man auch eine gewisse Macht besitzt, heilen zu können. Ich glaube, dass ist eine antiquierte Einstellung und dieses Self-Understatement ändert sich ja in modernen Gesundheitsberufen, beginnen wir jetzt eben auch darüber zu sprechen, dass welche passieren können. Ich glaube, dass ist auch Ausdruck einer Modernisierung des Selbstverständnisses des ärztlichen Berufsbildes."

    "Ja ich glaube, dass wir tatsächlich an unserer Fehlerkultur noch arbeiten müssen. Da ist in den letzten Jahren viel passiert, aber da gibt es sicherlich noch Defizite, an denen wir arbeiten können."

    Sagt Professor Hinnerk Wulf von der Uniklinik Marburg. Die Betreuung der Patienten nach einem Behandlungsfehler stehe natürlich im Vordergrund, man dürfe aber nicht die betroffenen Mediziner alleine lassen – so die Quintessenz der Veranstaltung.

    "Zunächst mal gibt es natürlich das Gespräch mit Kollegen, mit den Vorgesetzten, also das fachliche Gespräch, was aber gleichzeitig auch eine emotionale Unterstützung bietet, wobei man sagen muss, dass neben der Betreuung des betroffenen Kollegen in allererster Linie die Betreuung des Patienten im Vordergrund steht zunächst. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass auch das behandelnde Team, es geht ja nicht nur um die Ärzte, tatsächlich von solch einem Behandlungszwischenfall im wahrsten Sinn des Wortes eben auch betroffen ist."

    An der Uniklinik Köln zum Beispiel wurde in der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie eine entsprechende Hilfestelle eingerichtet. Generell sei es nötig, so Stephan Padosch, dass in den einzelnen Abteilungen eine Fehlerkultur etabliert werde, in der Fehler offen mit allen Beteiligten fair besprochen werden.

    "Eine Vision wäre sicherlich ein flächendeckendes Netz von Anlaufstellen für alle Betroffenen, nämlich das erste und das zweite Opfer, den Patienten und seinen Arzt…"

    ... damit in Zukunft keiner nach einem Behandlungsfehler allein gelassen wird.