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Keine gute Stimmung bei der Bundeswehr

Ein Jahr nach Startschuss der Reform ist klar: Unterm Strich eckt die Umsetzung an vielen Punkten konzeptionell an. Obwohl zukünftige Rekrutierung und momentane Finanzlage Zweifel schüren, muss Verteidigungsminister Thomas de Maizière die Reform umsetzen und zusätzlich noch Personal sparen.

Von Rolf Clement | 11.05.2012
    Noch drehen sich die Rotoren der Hubschrauber auf dem Flugplatz der Heeresflieger im westfälischen Rheine. In der Garnisonsstadt, deren Bild die Bundeswehr bis heute prägt, waren einmal 9.000 Soldaten stationiert. Zum dritten Mal ist die Stadt nun von Reduzierungen betroffen. Entgegen aller vorherigen Signale verkündete Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière im Oktober vergangenen Jahres, die Truppen aus Rheine abzuziehen. Protest regte und hielt sich. Ein Hauch von Stuttgart 21 wehte im Januar durch die Stadt. Die Stadthalle platze aus allen Nähten, als Kreisdirektor Martin Sommer in das Publikum rief:

    "Es geht nicht darum, dass der Minister noch mal seinen Sack aufmacht und alle Standorte infrage stellt. Das ist auch gar nicht erforderlich, denn nur in Rheine war die Entscheidung bis zum Schluss kritisch, und deshalb erwarten wir, dass auch nur in Bezug auf Rheine der Sack nochmals aufgemacht wird und Rheine herausgenommen wird, denn Rheine gehört da nicht rein."

    Die Verantwortlichen aus Stadt und Kreis haben eine dicke Broschüre mit ihren Argumenten zusammengestellt. Darin haben sie nach eigener Überzeugung nachgewiesen, dass alle Kriterien der Bundeswehr für Rheine gesprochen hätten. Und sie haben errechnet, dass die gegenwärtig hier stationierten Soldaten eine Wirtschaftskraft von 51 Millionen Euro erbringen. Der Leiter der Abteilung Führung der Streitkräfte im Verteidigungsministerium, Generalleutnant Norbert Finster, hält nüchterne Argumente dagegen. Die reduzierte Bundeswehr könne nicht alle Flugplätze erhalten:

    "Die wenigen, die wir noch aufrecht erhalten können, müssen flexibel nutzbar sein, möglichst für alles fliegende Gerät, das die Bundeswehr betreibt, für Hubschrauber, für Transportflugzeuge, für Jets. Das ist leider in Rheine nicht möglich."

    Rheine ist kein Einzelfall: Von den bisher 328 Standorten werden noch 264 übrig bleiben. 31 Bundeswehrstandorte werden komplett geschlossen, darunter auch so traditionsreiche wie Sigmaringen und Fürstenfeldbruck. Andere werden zusammengelegt, und an zahlreichen Orten wird die Truppe deutlich reduziert werden.

    Die Stadt Rheine wehrte sich: Eine zweite Großfläche von 300 Hektar würde künftig leer stehen. Auf der ersten verlassenen Bundeswehr-Liegenschaft sprießt nur Unkraut. Es gibt keine Interessenten. Beim Besuch des Verteidigungsministers im April gab es ein kleines Trostpflaster: Hieß es zunächst, der Standort solle bereits 2012 geschlossen werden, ist nun von 2017 die Rede. Aber nach wie vor gilt der Satz, den Thomas de Maizière bei der Vorstellung der Stationierungsplanung gelassen ausgesprochen hat: Der Sack ist zu.

    Das gilt allerdings nicht für alle Maßnahmen, die beschlossen wurden, um die Bundeswehr fit für die Zukunft zu machen. Der Minister nannte vor etwa einem Jahr, am 18. Mai, die Hauptziele für die Reform:

    "Die Neuausrichtung der Bundeswehr muss sicherheitspolitisch begründet sein, sie muss fähigkeits- und einsatzorientiert erfolgen, sie muss nachhaltig finanziert sein und sie muss demografiefest sein."

    Darauf ausgerichtet traf der Verteidigungsminister die Grundentscheidungen. De Maizière blickt zurück:

    "Das vergangene Jahr 2011 war das Jahr der Entscheidungen: Aussetzung der Wehrpflicht, Entscheidung über die Gesamtzahl der Soldaten und der zivilen Mitarbeiter, Absicherung der finanziellen Grundlagen, die Entscheidung über die Grobstrukturen und die grobe Einteilung der Teilstreitkräfte, die Entscheidung über die Ausrüstungsgüter, die Entscheidung über ein neues Rüstungsbeschaffensverfahren und letztlich die Stationierungsentscheidungen."

    Diese Entscheidungen müssten nun umgesetzt werden.

    "Und so ist insbesondere das erste Halbjahr 2012 das Jahr der Feinausplanung, des Zusammensetzens des Puzzles. Und dann beginnt die eigentliche Phase der Umsetzung. Das ist mühsam, das sind die Mühen der Ebene. Da gibt es Unsicherheiten und Erwartungsdruck, dass schnell die Entscheidungen kommen. Aber das ist ein unvermeidliches Zwischenstadium zur Umsetzung der Reform."

    De Maizière hatte sein Amt angetreten, nachdem entschieden worden war, die Wehrpflicht de facto abzuschaffen. Nun musste er diese Reform umsetzen und zusätzlich noch Personal einsparen:

    Insgesamt wird der Umfang der Streitkräfte auf eine Zahl von bis zu 185.000 Soldatinnen und Soldaten festgelegt. Die Streitkräfte unterteilen sich künftig in 170.000 Berufs- und Zeitsoldaten einschließlich Reservisten. Zusätzlich planen wir 5.000 freiwillig Wehrdienstleistende fest ein und bieten darüber hinaus Platz und Ausbildung für weitere bis zu 10.000 freiwillig Wehrdienstleistende pro Jahr. Die Zahl der zivilen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wird auf rund 55.000 festgelegt.

    Die Bundeswehr wird damit rund 34.000 ihrer bisherigen militärischen und zivilen Dienstposten verlieren. Allein bei den Berufs- und Zeitsoldaten müssten 6.300 vorzeitig nach Hause gehen. Das hat das Bundeskabinett beschlossen.

    Der Verteidigungsminister wollte rund 4.500 Soldaten anbieten, aus dem lebenslangen Vertrag mit dem Bund auszusteigen. Damit stieß er jedoch auf den Widerstand der Kollegen Friedrich, Schäuble und von der Leyen, die darin eine Besserstellung der Soldaten und der Zivilbediensteten der Bundeswehr gegenüber anderen Berufsgruppen sehen.

    Auf Betreiben der Kabinettskollegen beschloss die Bundesregierung, dass nur 2.100 Soldaten auf diese Weise ausscheiden dürfen. Auch die Altersgrenze für eine Vorruhestandsregelung wurde nicht – wie von de Maizière vorgeschlagen – bei 50 Jahren gezogen, sondern erst bei 52. Bei den Beamten wollte de Maizière eine Pensionierung mit 55 Jahren ermöglichen, der Einspruch von den Kabinettskollegen führt nun dazu, dass das erst mit 60 Jahren möglich ist.

    Das alles verzögert die Reform und kostet Geld. Vor allem: Mitarbeiter, die keine Perspektive mehr haben, belasten das Betriebsklima – und das in einer Zeit, in der der Umbruch gemeinsam angepackt werden müsste. Die Bundesregierung hat die Bundeswehrreform gemeinsam beschlossen. Nun stellt sich die Frage, ob sie nach wie vor an der Seite des Verteidigungsministers steht. Ulrich Kirsch, Vorsitzender des Bundeswehrverbandes, der Interessenvertretung der Soldaten, sagt: Nein

    "Ich habe den Eindruck, dass der Wille der gesamten Bundesregierung, diese Reform zum Erfolg zu führen, nicht sehr ausgeprägt ist. Das wird insbesondere daran deutlich, dass das Bundesministerium der Verteidigung etwas vorgelegt hat und dass dann nach der sogenannten Ressortabstimmung nicht mehr ganz so viel übrig geblieben ist."

    Der Konflikt, der da in der Koalition zwischen den Wehrpolitikern, die der Konzeption de Maizières anhängen, und den Politikern aus anderen Fachbereichen besteht, zieht sich durch den ganzen Bundestag. Auch in der Opposition sind die Innen-, Sozial- und Finanzpolitiker gegen das Modell des Verteidigungsministeriums. Die Wehrpolitiker der Opposition halten sich taktisch bedeckt: In der Sache sind sie nahe beim Verteidigungsminister, aber öffentlich unterstützen wollen sie ihn nicht.

    Ein anderes Beispiel für die mangelnde Unterstützung für den Verteidigungsminister: Nach dem Aus für die Wehrpflicht braucht die Bundeswehr junge Männer und Frauen, die sich für den freiwilligen Wehrdienst melden. Und die Zahl der Bewerber ist tatsächlich höher als zunächst erwartet. Das liegt unter anderem daran, dass der freiwillige Wehrdienst finanziell recht attraktiv ist. Aber genau dieser Punkt steht nun auf dem Spiel. Der Finanzminister lässt prüfen, ob die freiwillig Wehrdienstleistenden ihren Wehrsold versteuern müssen.

    Die Bundeswehr hat ihren Nachwuchs bisher zu einem guten Teil aus den Reihen der Grundwehrdienstleistenden rekrutiert. Diese Möglichkeit fällt nun weg. Bei der Anwerbung der Freiwilligen konkurriert die Bundeswehr nun auf dem Arbeitsmarkt mit allen anderen Arbeitgebern. So ist es zwar bemerkenswert, dass sie ihren Bedarf an Zeit- und Berufssoldaten im Jahr 2011 zufriedenstellend decken konnte, obwohl die schon nicht mehr über den Pflichtdienst zur Bundeswehr gekommen sind. Allerdings bricht ein Viertel der Freiwilligen den Dienst vorzeitig ab.

    Auch aus dem Mund der Ministeriumsführung klingen die Zahlenspiele für die Zukunft wenig optimistisch. Staatssekretär Stephane Beemelmans sprach vor Kurzem auf einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik in Bonn von dramatischen Einbrüchen bei der, wie er es formulierte, Verfügbarkeit der Ressource Mensch:

    "Anfang der 90er-Jahre waren 600.000 junge Männer 18 Jahre alt, heutzutage 600.000 junge Männer und Frauen. Wenn Sie eine Bundeswehr, wie wir sie vorgesehen haben, kommen wir nach unseren Berechnungen auf einen Regenerationsbedarf von jedes Jahr 15.000. Und wir wollen zwischen 2,5 und drei Bewerber – je nach dem, um welchen Dienstposten es geht – pro Dienstposten haben. Das heißt: Wir müssen um die 45./50.000 Personen akquirieren, die sich tatsächlich bei uns bewerben, also nicht am Stand vorbeilaufen, sondern sich bei uns bewerben. 50.000 ist ein bisschen weniger als zehn Prozent eines gesamten Jahrgangs."

    Aus bis zu drei Bewerbern auswählen will die Bundeswehr also – früher sprach man von vier Bewerbern pro Einstellung. Ist es realistisch anzunehmen, dass sich knapp zehn Prozent der jungen Menschen bei der Bundeswehr bewerben? Hier überwiegen die Zweifel – genährt von den Erfahrungen aus den NATO-Partnerländern. Staatssekretär Beemelmans glaubt …

    "… dass wir noch glücklich sind, zwei bis drei Bewerber pro Stelle zu haben, dass aber einige unserer europäischen Kollegen inzwischen bei eins zu eins angekommen sind. In Frankreich ist es eins zu eins mit Ausnahme der Fremdenlegion. Da hat man einen Treffer, und wenn der aussteigt, hat man null als Reserve."

    Das zweite zentrale Kriterium, das de Maizière nannte, war: Die Reform muss finanzierbar sein. De Maizières Vorgänger zu Guttenberg hatte sich bei der Kabinettsklausur im Juni 2010 bereit erklärt, bis zum Jahr 2014 8,3 Milliarden Euro einzusparen. Nimmt man die gegenwärtige Planung als Grundlage, dann ist der zur Verfügung gestellte Finanzrahmen auch nicht annährend ausreichend. Bis 2015 fehlen offenbar rund sechs Milliarden Euro, um Personal und Material beschaffen und unterhalten zu können.

    Da helfen auch die Mittel nicht viel, die aus dem Einzelplan 60, dem allgemeinen Haushalt, bereitgestellt werden könnten. Dort sind für den gesamten Bereich des Bundes rund 450 Millionen Euro Personalverstärkungsmittel vorgesehen, die im Besonderen dazu dienen, eine Besoldungserhöhung zu finanzieren. Der Betrag ist so gut wie aufgebraucht, wenn die bei den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst ausgehandelte Erhöhung übernommen wird.

    Weitere Unsicherheiten ergeben sich, weil der Personalabbau länger dauert als vorgesehen und weil die Umstationierung zusätzliche Kosten bringt. Denn an zahlreichen Standorten sind umfangreiche Umbauten nötig. Außerdem stockt die geplante Veränderung bei den Rüstungsprojekten. Unter dem Strich geht aus der Haushaltslage hervor, dass die Bundeswehr der Zukunft maximal rund 150.000 Soldatinnen und Soldaten umfassen könnte – deutlich weniger also als vorgesehen.

    Und so wird in der Bundeswehr schon heftig spekuliert, ob das die Zahl ist, auf die die Politik hinsteuert. Intern machen schon Überlegungen die Runde, wann dieser nächste Schritt kommen könnte – dann wohl wieder mit der Schließung von Verbänden, vielleicht von Standorten, wieder mit Eingriffen in die Struktur, sicher in die Lebensplanung der Soldaten und ihrer Familien.

    Auch das dritte Ziel der Reform ist schwer zu erreichen: Die neue Bundeswehr soll "einsatzorientiert" sein. Minister de Maizière hat mit den Rahmendaten für die Reform vor einem Jahr neue verteidigungspolitische Richtlinien erlassen, die die Aufgaben der deutschen Streitkräfte umfassend beschreiben.

    "Die Sicherheit Deutschlands ist heute nicht mehr geografisch zu begrenzen. Die neuen Bedrohungen machen vor nationalen Grenzen nicht mehr Halt. Machtverschiebungen zwischen Staaten, der Aufstieg neuer Regionalmächte, fragile oder zerfallene Staaten, internationaler Terrorismus, kriminelle Netzwerke und Strukturen organisierter Kriminalität kennzeichnen Risiken, die destabilisierende Wirkung haben können, ebenso wie Klima- und Umweltkatastrophen, die Proliferation von Massenvernichtungswaffen oder unsere störanfällige Informationstechnologie."

    Ziel ist es, den Politikern die Option für viele Szenarien aufzuzeigen. Als ein Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik ist die Bundeswehr nur dann geeignet, wenn sie sehr viele Fähigkeiten bereithält.

    Drei Größen sind für die Einsatzorientierung von Bedeutung: zum einen ausreichend und geeignetes Personal, dann eine gute und aufgabenorientierte Ausbildung, zum Dritten eine auf den Einsatz optimierte Stationierung der Bundeswehr.

    Blicken wir zunächst auf die Ausrüstung und die personelle Stärke. Gegenwärtig befinden sich rund 7.000 Soldaten im Einsatz. In der Vergangenheit war diese Zahl schon auf 12.000 angestiegen, aber nur für eine kurze Zeit. Das konnte nicht lange durchgehalten werden. Künftig sind 10.000 Soldaten dauerhaft für Einsätze vorgesehen. Die Bundeswehr soll sich, so Minister de Maizière, gleichzeitig an bis zu zwei größeren und mehreren kleineren Einsätzen beteiligen können.

    Für die Berechnung der Einsatzsoldaten gilt der Faktor drei: Zu den Soldaten, die sich im Einsatz befinden, kommt dieselbe Zahl für die Einsatzvorbereitung und noch mal für die Einsatznachbereitung hinzu. Und dann muss noch die Logistik und Unterstützung im Heimatland mit einberechnet werden. Es muss zudem beachtet werden, dass bestimmte Verbände besonders gefordert sind – zurzeit zum Beispiel die Marine bei der Piratenbekämpfung im Mittelmeer vor dem Libanon sowie Infanteriekräfte in Afghanistan. Die Reform soll hier durch Umstrukturierung mehr Spielraum bringen. So wurden zum Beispiel die Infantrieanteile im Heer deutlich gestärkt. Ulrich Kirsch vom Bundeswehrverband sieht da Licht und Schatten:

    "Da ist schon 'ne ganze Menge in die richtige Richtung passiert. Auf der anderen Seite bleibt uns auch gar nichts anderes übrig, als diesen Ansatz zu wählen: vom Einsatz her denken. Aber das funktioniert wiederum auch nur dann, wenn ich das finanziell so hinterlege, dass ich mir die Dinge an Fähigkeiten auch leisten kann, die ich ganz speziell brauche."

    Das zweite Kriterium ist also eine gute und aufgabenorientierte Ausrüstung. Verteidigungsminister de Maizière beschrieb die Ausrüstungslage zu Beginn seiner Amtszeit so:

    "Es gibt Material, das wir zu viel haben, aber nicht brauchen. Und es gibt Material und Ausstattung, das wir brauchen, das wir aber nicht oder zu wenig haben. Und es gibt Material, das wir vor langer Zeit bestellt haben, aber in Zahl und Ausführung so nicht mehr brauchen."

    Und so begann man, bestehende Verträge umzugestalten, Stückzahlen zu reduzieren, bestimmte Projekte auslaufen zu lassen. Die Bundesregierung versucht seitdem, die Industrie für die notwendige Flexibilität zu gewinnen. Wenn man die alten Beschaffungsverträge verändere, würden Mittel für neue Projekte frei. Davon könne dann wiederum die Industrie profitieren.

    Aber der Verlauf dieser Gespräche zwischen Staatssekretär Beemelmans und der Industrie stimmt wenig zuversichtlich: Die meisten Unternehmen sind dem Vernehmen nach nicht bereit, für die Zusage möglicher künftiger Aufträge bei den aktuellen Abstriche hinzunehmen. Schließlich gibt es keine Garantien, dass die künftigen Aufträge an die Firmen gehen, die jetzt vielleicht auf ein Teil des vereinbarten Geschäfts verzichten.

    Im Verteidigungsministerium ist man darüber nicht amüsiert. Denn in den Gesprächen werde nicht honoriert, dass die Bundesregierung sich in der Vergangenheit sehr konziliant gezeigt habe. So musste zum Beispiel EADS die eigentlich fällige Konventionalstrafe wegen der von der Firma zu verantwortenden Verzögerungen beim Transport-Airbus nicht entrichten. Da die Bundeswehr also aus den bestehenden Verträgen nicht herauskommt, ist auch im Bereich der Ausrüstung eine Steigerung der Einsatzfähigkeit nur schwer, allenfalls langfristig zu erreichen.

    Der dritte Aspekt ist eine auf den Einsatz hin optimierte Stationierung der Bundeswehr. Hier hat Minister de Maizière einen wohl brauchbaren Kompromiss gefunden. Zum einen müssen Verbände, die gemeinsam in den Einsatz gehen, so stationiert sein, dass sie auch gemeinsam ausgebildet werden können. Zum Zweiten muss bei der Stationierungsplanung beachtet werden, dass die Bundeswehr in der Fläche präsent bleibt, weil sie so auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen hat. Dies, so scheint es jetzt, könnte gelungen sein.

    Unter dem Strich eckt die Bundeswehrreform an vielen Punkten konzeptionell an. Weder der Blick auf die Finanzlage noch der auf die Rekrutierung wecken Zuversicht. In der Bundeswehr schlägt das auf die Stimmung. Bundeswehrverbandschef Ulrich Kirsch:

    "Es ist im Moment keine gute Stimmung. Das sagt ja selbst der Generalinspekteur."

    Kaum einer, der sich in Gesprächen dieser Tage äußert, rechnet mit einer langen Bestandskraft dieser Reform. Manch einer bezweifelt sogar, dass sie bis zur Bundestagswahl im Herbst kommenden Jahres hält. Und so könnte sich diese Reform in viele einreihen, die Minister de Maizière vor einem Jahr so eingeordnet hat:

    "Viele ihrer Leistungen und der Erfolge unserer Bundeswehr wären ohne die Reformschritte der vergangenen Jahre nicht möglich gewesen. Doch diese Schritte waren aus heutiger Sicht nicht ausreichend."

    Bei den Soldaten und Beamten in der Bundeswehr fehlen derzeit der nötige Elan und die Begeisterung für dieses Projekt. Denn jeder glaubt, dass nach der nächsten Bundestagswahl die Karten nochmals ganz neu gemischt werden. Das Bundeskabinett bremst an der politischen Front, die Rüstungsindustrie zieht ebenfalls nicht mit. Und die Grunddaten bei der demografischen Entwicklung und bei den Finanzen weisen eher in eine kritische Richtung.

    Bemerkenswert ist übrigens, dass kaum jemand im Bundestag und in der Fachwelt Thomas de Maizière die Verantwortung für die stockende Reform zuschreibt. Er habe im vergangenen Jahr in kurzer Zeit nach seiner Amtsübernahme das erarbeitet, was damals politisch möglich gewesen sei. In der Zwischenbilanz bleibt die Erkenntnis, die Verteidigungsminister Thomas de Maizière vor einem Jahr, beim Startschuss der Reform, selbst formulierte:

    "Sicherheitspolitik ist Politik gegen Unsicherheiten. Die Zukunft ist unsicher. Es kann deshalb niemals eine fertige Bundeswehr geben."