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Keine Schiffe mehr für Mission "Sophia"
"Solidarität bei der Aufnahme von Flüchtlingen zeigen"

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter wirft der italienischen Regierung vor, die EU-Mission "Sophia" aus "populistischen" Motiven eingeschränkt zu haben. Deswegen sei es richtig, dass die Bundeswehr vorerst keine Schiffe für die Mission zur Verfügung stelle, sagte er im Dlf. Damit sende man ein politisches Signal Richtung Rom.

Roderich Kiesewetter im Gespräch mit Sandra Schulz |
    CDU-Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags Roderich Kiesewetter
    CDU-Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags Roderich Kiesewetter (picture alliance / Stephanie Pilick)
    Sandra Schulz: Eine Geburt unter turbulenten Umständen war das. Im August 2015 bringt eine geflüchtete Frau aus Somalia ihr Baby zur Welt, auf dem Mittelmeer, an Bord der Bundeswehr-Fregatte Schleswig-Holstein: die kleine Sophia. Nach diesem Mädchen wurde im selben Jahr die EU-Mission benannt, die Schleusernetzwerke und illegale Schlepperbanden im Mittelmeer bekämpfen soll. Aus dieser Mission will sich die Bundeswehr jetzt Medienberichten zufolge offenbar zurückziehen.
    Mitgehört hat Roderich Kiesewetter, für die CDU Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. Schönen guten Tag.
    Roderich Kiesewetter: Guten Tag, Frau Schulz.
    Deutschland bleibt in der Mission engagiert
    Schulz: Im Moment ist das Bild ein bisschen unklar. Was ist geplant? Bleibt es jetzt beim deutschen Engagement in der Mission Sophia oder nicht?
    Kiesewetter: Ja, klar! Das bleibt schon. Die Mission läuft ja bis 31. März und die Bundesrepublik ist neben Italien das einzige Land, das seit 2015 durchgehend mit Schiffen sich an der Mission beteiligt hat. Und wenn wir jetzt als Land es so machen wie auch andere, ist das nichts Besonderes. Entscheidend ist vielmehr, dass Italien die Operation Sophia erheblich eingeschränkt hat. Statt Schleuserbekämpfung und Ausbildung der libyschen Küstenwache, haben sich die Italiener als Leitnation mit den Schiffen an die italienischen Küstengewässer zurückgezogen, so dass wir den Kernauftrag Schleuserbekämpfung gar nicht mehr erfüllen können. Deswegen ist es ein gutes Zeichen, dass wir auch etwas Druck auf Italien ausüben und uns für einige Zeit zumindest mit Schiffen zurückziehen. Wir sind aber weiter im Hauptquartier aktiv.
    Schulz: Sie wollen Druck auf Italien machen. Tatsächlich könnte es aber eine Entscheidung sein, die Menschenleben kostet.
    Kiesewetter: Zunächst einmal ist der Kernauftrag der Mission nicht die Seenotrettung. Die gehört dazu. Das ist eine Pflichtaufgabe. Die Mission wurde nicht eingerichtet, um Menschenleben zu retten, sondern die Schleuserbekämpfung durchzuführen. Das heißt, dass ein Milliarden-Geschäft eingedämmt wird, wo Menschen hohe Preise zahlen, bis hin zu ihrem Leben und ihrer Gesundheit, Geld an Schleuser übergeben, die diese nach Europa schleusen. Das ist der eine Kernpunkt und die andere ist die Ausbildung der libyschen Küstenwache. Beides ist im Moment in der Weise nicht möglich und deswegen ist die deutsche Entscheidung wirklich angemessen und folgerichtig. Ich hoffe aber, dass wir europäisch eine Einigung erreichen, damit wieder ganz klar an den libyschen Küstengewässern, unmittelbar vor der Zwölf-Meilen-Zone, wirksam gehandelt werden kann.
    "Ein folgerichtiges Vorgehen der Bundesregierung"
    Schulz: Aber es war ja anders geplant. Geplant war eine nahtlose Ablösung durch die Fregatte Berlin. Spielen Sie da Spielchen?
    Kiesewetter: Nein! Es ist Druck Deutschlands auf Italien. Es ist ein klares Signal an Italien, dass sicherheitspolitisches Engagement, also Schleuserbekämpfung, aber auch die Solidarität bei der Aufnahme von Flüchtlingen Hand in Hand gehen müssen. Italien weigert sich, Flüchtlinge aufzunehmen, und torpediert damit die gesamte Mission. Das ist der eigentliche Punkt und wir können doch nicht rechtfertigen, dass unsere Schiffe an den italienischen Küstengewässern sind. Wir unterstützen weiterhin die Mission im Stab, wo wir an der Planung mitwirken, aber nur dass die Schiffe an der Küste Italiens oder in der Zwölf-Meilen-Zone Italiens aktiv sind, aber nicht dort, wo sie eigentlich einzusetzen sind, nämlich vor den libyschen Küstengewässern zur Schleuserbekämpfung und zur Ausbildung der libyschen Küstenwache, das ist nicht vertretbar. Insofern ist das ein folgerichtiges Vorgehen der Bundesregierung.
    Schulz: Ist denn aber jetzt klar, dass nach den zwei Wochen es dann mit der Fregatte Berlin weitergeht? Oder halten Sie sich das jetzt auch noch offen?
    Kiesewetter: Ich denke - das ist ja Sache der Bundesregierung -, dass die Bundesregierung sehr stark darauf drängt, dass die Operation Sophia wieder ihrem Kernauftrag nachgeht. Und solange das nicht der Fall ist, werden wir weiterhin die Stabsarbeit unterstützen. Aber ich möchte noch mal festhalten: Die Bundesrepublik war neben Italien das einzige Land, das jetzt durchgängig dreieinhalb Jahre Schiffe zur Verfügung gestellt hat. Andere haben das wochenweise gemacht, wir durchgängig. Insofern machen wir nur das, was auch andere Länder tun. Aber unser politisches Signal an Italien ist, Solidarität bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu zeigen. Die Italiener haben hier nur aus innenpolitischen populistischen Motiven heraus die Mission zurückgeführt, und dafür stellen wir unsere Schiffe nicht zur Verfügung.
    "Es ist zu wenig Druck auf Libyen"
    Schulz: Wäre es jetzt nicht eine Option, wenn wir über Solidarität sprechen und die Verteilung von Flüchtlingen, angesichts der Asylbewerberzahlen, die Innenminister Horst Seehofer heute Vormittag vorgestellt hat, und angesichts dieses klar fallenden Trends zu sagen, dann können auch mehr nach Deutschland kommen?
    Kiesewetter: Der Punkt ist doch nicht, dass wir die Kanäle für die Schleuser öffnen und mehr Flüchtlingen den Weg nach Europa ermöglichen.
    Schulz: Es geht jetzt ja um das Binnenverhältnis Deutschland-Italien.
    Kiesewetter: …, sondern der Punkt ist ein anderer, dass wir alles tun, dass das Schleuserwesen ausgetrocknet wird. Um es mal ganz klar zu sagen: Italien hat nur 106 Flüchtlinge aufgenommen, während dem die libysche Küstenwache 14.000 Menschen an die libysche Küste zurückgebracht hat. Uns geht es darum, dass dort menschenwürdige Verhältnisse herrschen, dass politisch Druck auf Libyen ausgeübt wird, dass international Zugang der Vereinten Nationen zu den Flüchtlingen möglich ist und dass wir – und da bin ich bei Ihrem Punkt – temporäre legale Migration ermöglichen. Und das ist eine Sache, die die Innenminister aushandeln müssen. Sicherlich können wir Italien da entlasten. Aber das Signal muss doch sein, dass wir die Fluchtursachen in Afrika stärker aufs Korn nehmen, dass die Europäische Union wirksamer wird. Wir haben ja neben Sophia noch die europäische Grenzsicherungsmission für Libyen, die überhaupt nicht aktiviert ist, und so haben wir nur die eine Seite der Medaille erfüllt, nämlich die Operation Sophia, aber es wird nichts auf dem libyschen Festland gemacht. Es ist zu wenig Druck auf Libyen. Hier kann Italien viel stärker sich engagieren. Das war in der Vorgängerregierung viel deutlicher. Wenn wir da Signale sehen, dass sich Italien wieder stärker bilateral oder mit Europa in Libyen engagiert, dann können wir auch über den Ausgleich von Flüchtlingen sprechen. Aber hier ist erst mal Italien gefordert und in der Zwischenzeit …
    Keinen Keil zwischen CDU und CSU treiben
    Schulz: Vielleicht machen wir an der Stelle den Punkt, weil ich mit Ihnen auch gerne noch gucken würde auf die Asylbewerber-Zahlen und die Entwicklung, die Horst Seehofer heute Vormittag vorgestellt hat. Wir sehen jetzt diese fallende Tendenz und wir haben jetzt monate-, jahrelang über die Flüchtlingsfrage diskutiert. Diese Entwicklung, hätte die CDU das geschafft, auch ohne das ständige Drängeln und Drängen der CSU?
    Kiesewetter: Sicherlich! Wir hätten im Jahre 2015/16 vielleicht etwas früher auf die anderen Staaten der Europäischen Union zugehen müssen. Aber das, was die CSU gemacht hat - das hat sie ja glücklicherweise überwunden -, ist, dass sie das Thema Migration zum Hauptthema in Deutschland gemacht hat, statt dass wir gemeinsam Deutschland zukunftsfähig aufstellen in den Bereichen Infrastruktur, bezahlbares Wohnen, denn das bezahlbare Wohnen wirkt sich ja auch unmittelbar auf die Aufnahme von Migranten aus. Hier, glaube ich, sollten wir jetzt nicht wieder einen Keil zwischen CSU und CDU treiben. Die CSU hat die Hand gereicht und jetzt sollten wir den Blick nach vorne richten. Ich hätte mir viel mehr gewünscht, dass der Innenminister seinerzeit, statt über den Masterplan Migration zu sprechen, sich an die Bevölkerung gewandt hätte mit dem Migrationspakt. Hier gibt es viel Erklärungsbedarf und da hatten wir Abgeordnete auch viel aufzufangen.
    Schulz: Herr Kiesewetter, meine Frage wäre jetzt nach Ihrer Handreichung. Denn es war ja jetzt nicht so, dass 2015 die CDU da einen Beschluss gefasst hätte und dann wäre die Sache durch gewesen, sondern wir haben immer wieder Nachjustierungen auch auf Veranlassung der CSU gesehen. Geben Sie das zu, räumen Sie das ein?
    Kiesewetter: Nein. Die Nachjustierungen waren ja nötig, um überhaupt Mehrheiten im Bundesrat zu erzielen. CDU und CSU haben ja gemeinsam sehr stark zu den beiden Asylpakten eins und zwei, Registrierung von Flüchtlingen, Austausch der Daten unter den Bundesländern, auch, dass man Sachleistungen bei Identitätsverweigerung etc. machen kann, das sind ja alles Fortschritte, die wir gegen die Mehrheiten im Bundesrat erreicht haben. Das haben CDU und CSU gemeinsam erreicht.
    Viel wichtiger ist doch, dass wir in unserer Bevölkerung vermitteln, die Zahlen der Migranten, der illegalen Migranten haben abgenommen, die legale Migration nimmt zu. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Wir schaffen das Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz. Also: Die positive Entwicklung sollten wir unterstreichen und den Streit zwischen CSU und CDU der Geschichte zuordnen.
    Schulz: … sagt heute Mittag bei uns im Deutschlandfunk der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter. Danke für das Gespräch.
    Kiesewetter: Vielen Dank, Frau Schulz!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.