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(Keine) sibirische Kälte auf den Bahngleisen

Karl Peter Naumann, Bundesvorsitzender von "Pro Bahn", erwartet in dieser Woche ordnungsgemäßen Zugverkehr. "Problematisch wird es dann, wenn sehr, sehr viel Schnee fällt", sagt er und rät Bahnreisenden dazu, sich über Strecke und Verspätungen zu informieren.

Karl Peter Naumann im Gespräch mit Friedbert Maurer |
    Friedbert Meurer: Es ist schon Ende Januar, aber so richtig kalt war es bislang noch nicht in Deutschland. Aber das soll jetzt kommen. Meteorologen sagen voraus, dass es diese Woche klirrend kalt wird. Ab Donnerstag sollen die Temperaturen heruntergehen auf unter zehn Grad minus, bis zu 20 Grad minus, so die Vorhersage. Das alles liegt an einem Hoch, das aus Sibirien kommt. Das heißt: dicken Wintermantel an, Handschuhe, Mütze.

    Wer mit der Bahn fährt, braucht nicht Eis zu kratzen am Auto. Aber wir erinnern uns: Im letzten Winter sind die modernen Züge der Bahn reihenweise durch den Frost ausgebremst worden. Es gab Verspätungen, in Zügen fiel die Heizung aus, die Passagiere mussten frierend stundenlang teilweise in der Kälte warten. Das soll sich nicht wiederholen, verspricht die Bahn.

    – Am Telefon Karl Peter Naumann, der Bundesvorsitzende der Fahrgastgemeinschaft "Pro Bahn". Guten Morgen, Herr Naumann!

    Karl Peter Naumann: Einen schönen guten Morgen.

    Meurer: Wie erinnern Sie sich noch an den letzten Winter mit der Bahn hier bei uns?

    Naumann: Na ja. Sagen wir mal, es war kalt und man musste ein bisschen Fantasie mitbringen und gute Fahrplankenntnisse, um dann noch herauszufinden, welcher Zug wo irgendwie fuhr.

    Meurer: Das klingt so, als hätten Sie damals sozusagen die humorvolle Seite gesehen?

    Naumann: Nun, es ist einfach so: Wenn sie das System kennen, fällt ihnen immer noch irgendetwas ein. Häufig fällt aber den Bahnmitarbeitern dann schon nichts mehr ein und dann stranden sie. Ohne meine geografischen Kenntnisse wäre ich zum Beispiel auf einer Reise von Hamburg nach Amberg in der Oberpfalz in Nürnberg gestrandet. Ich konnte mir dann noch ausdenken, wie weit man noch mit der Bahn fahren konnte. Und musste dann die restlichen 40 Kilometer mit einem Taxi zurücklegen.

    Meurer: Was hat, Herr Naumann, die Bahn gemacht, um einem strengen Winter, einer Wiederholung des Winters vom letzten Jahr besser zu trotzen?

    Naumann: Sie hat eigentlich zwei Dinge gemacht, die sinnvoll sind. Sie hat einmal Weichenheizungen nachgerüstet; das ist wichtig, damit sich die Weichen halt auch bei Schnee und Frost stellen lassen. Das geht nur mit Hitze. Da hat man einiges getan. Ob es ausreicht, werden wir sehen.

    Und zum Zweiten hat man für die empfindlichen Züge, die natürlich mit Schnee in Berührung kommen, Abtauzelte installiert, sodass man die Züge abtauen kann, bevor sie in die Wartungshallen fahren. Das Problem im letzten Jahr war das, dass die Züge vereist in die Wartungshallen fuhren, dann tauten sie erst mal acht Stunden ab. Und erst dann konnte man die Wartungsarbeiten vornehmen. Und da kann man sich vorstellen, dass das zu extremen Zeitverzögerungen führt.

    Meurer: Die Bahn hat vermutlich über tausend Züge. Wie sollen die alle unter Abtauzelte gestellt werden?

    Naumann: Sie müssen ja nicht jeden Tag unter das Abtauzelt, aber innerhalb der vorgeschriebenen Wartungsintervalle muss das passieren und das wird sicherlich die Situation deutlich entspannen.

    Was nicht entspannt werden kann, ist gerade im Fernverkehr die Frage der fehlenden Fahrzeuge. Hier wartet die Bahn sehnlichst auf unter anderem hier die Firma Siemens, die einige neue ICE-Züge liefern sollte, von denen aber noch keiner geliefert worden ist.

    Meurer: Sie haben eben gesagt, ein entscheidender Punkt ist die Weichenheizung. Letztes Jahr haben die Weichen in der Kälte nicht funktioniert, sie waren festgefroren. Braucht man aber nicht schlicht gesagt Leute, die Schnee schippen und die Weichen von Schnee freischaufeln?

    Naumann: Sie brauchen beides. Sie brauchen erst mal die Weichenheizung für das gesamte Netz. Und dort, wo eben besonders viel Schnee liegt, wo Schnee hineinweht, dort brauchen sie dann auch Personal, die den Schnee dann wieder herausfegen. Das Problem ist dabei, dass der große Wind, der die Weichen zuweht, häufig an der See ist, an der Ostseeküste, weil da der Ostwind den Schnee hineinweht. Und alle rechnen mit dem großen Schnee immer in den Bergen und dann sind die Leute nicht immer richtig eingeteilt.

    Meurer: Was erwarten Sie insgesamt, Herr Naumann? Auf was müssen sich die Fahrgäste der Bahn in dieser Woche einstellen und vielleicht auch in den nächsten Wochen?

    Naumann: Ich denke, in dieser Woche wird alles weitestgehend ordnungsgemäß laufen. Wir haben ja nur große Kälte, das ist nicht immer das große Problem. Problematisch wird es dann, wenn sehr, sehr viel Schnee fällt. Dann geht ja auch auf der Straße immer noch sehr viel weniger. Da müssen wir mal abwarten, wie es wird. Außerdem hat auch die Bahn ja nun Gott sei Dank im Nahverkehr einige neue Fahrzeuge bekommen und die alten noch nicht abgestellt, sodass man da auch die eine oder andere Reserve hat, die man im Gegensatz zum letzten Winter zusätzlich einsetzen kann.

    Meurer: Werden die Fahrgäste diesmal besser informiert werden, damit sie nicht wieder, Herr Naumann, in Nürnberg am Bahnhof stranden?

    Naumann: Das ist die große Frage. Die Bahn tut hier zwar das eine oder das andere, nach unserer Auffassung aber längst nicht genug. Hier fehlt es auch an Personal, vor allen Dingen auch an Personal, das das System insgesamt kennt. Hier ist noch eine ganze Menge zu tun. Ich würde heute jedem raten, der eine längere Bahnreise hat und der ein modernes Telefon hat, dann über seinen entsprechenden App immer Bahn.de aufzurufen und man kann sich dort für die großen oder größeren Bahnhöfe die aktuelle Verspätungslage anzeigen lassen. Das hilft durchaus. Und wer dann auch vielleicht noch eine Eisenbahnkarte mit sich führt und sich dann überlegt, welche Alternativroute er fahren kann, der ist natürlich gut dran.

    Meurer: Karl Peter Naumann, der Bundesvorsitzende der Fahrgastgemeinschaft "Pro Bahn", heute Morgen im Deutschlandfunk zum Einbruch des Winters bei uns hier in Deutschland. Danke schön, Herr Naumann, und auf Wiederhören.

    Naumann: Auf Wiederhören!

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