Ein bisschen klösterlich sieht es schon aus, wenn man das Grafikkabinett der Staatsgalerie betritt. An den Wänden frugale Radierungen und Zeichnungen, unter den Vitrinen biografisches Material und seltsame Texte, die zum Beispiel Satzfetzen aus James Joyce's "Finnegans Wake" zu einem säulenartigen Gedicht kompilieren. Das wirkt alles sehr formalistisch und streng.
Aber dann sieht man, mit Klebestreifen auf vergilbtes Schreibpapier gepappt, diese Fotos, auf denen ein Mann telefoniert. "Hello? It's John. John Cage." Alison Knowles hat skurrile Monologe unter die Bilder geschrieben. Und plötzlich wird klar, dass dieser John Cage ein lustiger Mensch war, ein Perfektionist zwar, aber durchaus humorbegabt. Sein Verleger Dick Higgins hat solches Material jahrzehntelang gesammelt und dann dem Fluxus-Fanatiker Hanns Sohm verkauft; über den kam es an die Staatsgalerie. Man sieht auch nette Fotos vom Pilzesammeln im Wald bei Stony Point, wo die Kommune lebte – Cage, der aus allem eine Wissenschaft machen musste, gründete gleich eine "Mykologische Gesellschaft". Und man kann das Original des "Mud Book" betrachten, eine Gebrauchsanleitung, wie man im Sandkasten Matschkuchen bäckt.
Also, Cage hatte Sinn für den Unsinn. Und trotzdem kennen wir ihn eher als den Erfinder des präparierten Klaviers und der Geräuschcollage.
Das ist in Stuttgart natürlich auch zu haben, sogar mit Cage selber als sonorem Rezitator von umfrisierten Joyce-Sätzen. Unter dem Text liegen Sounds, die Cage von Freunden in aller Welt sammeln ließ.
Das ist kein Oratorium – Cage nennt es "Roaratorio", von "to roar", brüllen, röhren. So etwas wurde früher von Helmut Heißenbüttel im Nachtprogramm gesendet und kundig besprochen – das war noch Radio.
In Stuttgart will man nun vor allem den Zeichner und Grafiker Cage ins Licht rücken. In der Tat waren die Notationen seiner Musikstücke ja von Anfang an kleine Kunstwerke, deshalb lag es nahe, dass Cage auch im visuellen Bereich experimentierte. Die Ausstellung beginnt mit Blättern, auf denen die farbigen Abdrücke von Schnüren seltsame organische Muster bilden. Dann gibt es die sogenannten Ryoanji-Zeichnungen und Kaltnadelradierungen, auf denen Cage durch das stetige Umkreisen von auf dem Blatt verteilten Steinen eine grafische Struktur erzeugt. Das nimmt Bezug auf den zen-buddhistischen Ryoanji-Tempel in Japan mit seinem Steingarten, den Cage schon 1962 besuchte. Kuratorin Barbara Six.
"John Cage nimmt sich ein Blatt vor und würfelt dann mit diesem Zufallsprinzip aus, welche seiner Grundmaterialien, die er vorher eben auch festgelegt hat, nämlich 15 Steine ... welchen Stein er wohin legt und wie er ihn dann umfahren muss."
Während der abstrakte Expressionismus rein subjektiv-gestisch blieb, nahm Cage die Gegenposition ein: Der schöpferische Geist wird neutralisiert und durch den Zufall oder eine numerische Systematik ersetzt. Das Objektive, Über-Sinnliche zog ihn an. Daher auch seine künstlerische Nähe zu meditativen Techniken wie dem Buddhismus, dem er aber - als Ausübender - nie wirklich anhing.
Was Cage allerdings liebend gern praktizierte, war das Happening. Er blieb für die Fluxus-Künstler eine wichtige Bezugsfigur; seine Beziehung zu dem Tänzer Merce Cunningham wird von der Ausstellung gestreift. Und manchmal scheinen auch seine nach dem Zufallsprinzip angeordneten schwarzen Rechtecke auf dem Papier zu tanzen.
Oft sind seine Zeichnungen und grafischen Notate Vorformen späterer Musikstücke. Sie können allerdings auch als autonome Kunstwerke bestehen: Hinter Plexiglas schwimmt eine Buchstabensuppe, das "Seven Day Diary" erprobt im Sinne der Schöpfungsgeschichte jeden Tag eine neue Technik. Und in manchen Arbeiten können wir verschmortes, geräuchertes Papier erleben. It's John! John Cage. Keine Verrücktheit war vor ihm sicher.
Jetzt ist er wieder da: in Stuttgart, in der Staatsgalerie.
Aber dann sieht man, mit Klebestreifen auf vergilbtes Schreibpapier gepappt, diese Fotos, auf denen ein Mann telefoniert. "Hello? It's John. John Cage." Alison Knowles hat skurrile Monologe unter die Bilder geschrieben. Und plötzlich wird klar, dass dieser John Cage ein lustiger Mensch war, ein Perfektionist zwar, aber durchaus humorbegabt. Sein Verleger Dick Higgins hat solches Material jahrzehntelang gesammelt und dann dem Fluxus-Fanatiker Hanns Sohm verkauft; über den kam es an die Staatsgalerie. Man sieht auch nette Fotos vom Pilzesammeln im Wald bei Stony Point, wo die Kommune lebte – Cage, der aus allem eine Wissenschaft machen musste, gründete gleich eine "Mykologische Gesellschaft". Und man kann das Original des "Mud Book" betrachten, eine Gebrauchsanleitung, wie man im Sandkasten Matschkuchen bäckt.
Also, Cage hatte Sinn für den Unsinn. Und trotzdem kennen wir ihn eher als den Erfinder des präparierten Klaviers und der Geräuschcollage.
Das ist in Stuttgart natürlich auch zu haben, sogar mit Cage selber als sonorem Rezitator von umfrisierten Joyce-Sätzen. Unter dem Text liegen Sounds, die Cage von Freunden in aller Welt sammeln ließ.
Das ist kein Oratorium – Cage nennt es "Roaratorio", von "to roar", brüllen, röhren. So etwas wurde früher von Helmut Heißenbüttel im Nachtprogramm gesendet und kundig besprochen – das war noch Radio.
In Stuttgart will man nun vor allem den Zeichner und Grafiker Cage ins Licht rücken. In der Tat waren die Notationen seiner Musikstücke ja von Anfang an kleine Kunstwerke, deshalb lag es nahe, dass Cage auch im visuellen Bereich experimentierte. Die Ausstellung beginnt mit Blättern, auf denen die farbigen Abdrücke von Schnüren seltsame organische Muster bilden. Dann gibt es die sogenannten Ryoanji-Zeichnungen und Kaltnadelradierungen, auf denen Cage durch das stetige Umkreisen von auf dem Blatt verteilten Steinen eine grafische Struktur erzeugt. Das nimmt Bezug auf den zen-buddhistischen Ryoanji-Tempel in Japan mit seinem Steingarten, den Cage schon 1962 besuchte. Kuratorin Barbara Six.
"John Cage nimmt sich ein Blatt vor und würfelt dann mit diesem Zufallsprinzip aus, welche seiner Grundmaterialien, die er vorher eben auch festgelegt hat, nämlich 15 Steine ... welchen Stein er wohin legt und wie er ihn dann umfahren muss."
Während der abstrakte Expressionismus rein subjektiv-gestisch blieb, nahm Cage die Gegenposition ein: Der schöpferische Geist wird neutralisiert und durch den Zufall oder eine numerische Systematik ersetzt. Das Objektive, Über-Sinnliche zog ihn an. Daher auch seine künstlerische Nähe zu meditativen Techniken wie dem Buddhismus, dem er aber - als Ausübender - nie wirklich anhing.
Was Cage allerdings liebend gern praktizierte, war das Happening. Er blieb für die Fluxus-Künstler eine wichtige Bezugsfigur; seine Beziehung zu dem Tänzer Merce Cunningham wird von der Ausstellung gestreift. Und manchmal scheinen auch seine nach dem Zufallsprinzip angeordneten schwarzen Rechtecke auf dem Papier zu tanzen.
Oft sind seine Zeichnungen und grafischen Notate Vorformen späterer Musikstücke. Sie können allerdings auch als autonome Kunstwerke bestehen: Hinter Plexiglas schwimmt eine Buchstabensuppe, das "Seven Day Diary" erprobt im Sinne der Schöpfungsgeschichte jeden Tag eine neue Technik. Und in manchen Arbeiten können wir verschmortes, geräuchertes Papier erleben. It's John! John Cage. Keine Verrücktheit war vor ihm sicher.
Jetzt ist er wieder da: in Stuttgart, in der Staatsgalerie.