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Keiner will ihn haben

Hochbetagt ist vor einer Woche der NS-Massenmörder Erich Priebke in Rom gestorben. Weder Argentinien, wo Priebke nach dem Krieg untergetaucht war, noch Italien oder seine deutsche Heimatstadt wollen den Leichnam des Kriegsverbrechers bei sich bestatten.

Von Wolfgang Stenke | 17.10.2013
    Was tun mit toten Nazis? - Die Endlösung, die der "Führer" Adolf Hitler sich am 30. April 1945 in Berlin bereiten ließ, ist kein Modell für den Fall Priebke. Den Leichnam eines Mannes mit Benzin zu übergießen und anzustecken, dieses Verfahren scheidet heutzutage aus - nicht allein wegen der hohen Spritpreise. In zivilisierten Zeiten und unter zivilisierten Mitteleuropäern bleiben solche Methoden eine Spezialität der Mafia. Zudem ist nicht auszuschließen, dass Überreste erhalten bleiben, die zur Reliquie taugen könnten. Hitlers Kieferknochen, den Rotarmisten schließlich nach Moskau transportierten, fand allerdings keine Verwendung als Nazi-Devotionalie. Er landete im Archiv. Die Vorstellung, dass das, was vom "Größten Führer aller Zeiten" übrig blieb, bequem in eine Zigarrenkiste passte, dürfte selbst unter tiefbraunen NPD-Anhängern den Nachruhm des Verblichenen empfindlich geschmälert haben ...

    Unbedingt abzuraten ist auch von einer Bestattung Priebkes in deutscher Heimaterde. Die Stadtverwaltung von Hennigsdorf, dem brandenburgischen Geburtsort dieses Kriegsverbrechers, hat da schon den rechten Instinkt bewiesen, als sie unter Hinweis auf ihre Friedhofssatzung prophylaktisch die Annahme des Leichnams verweigerte. Schließlich hat der Verstorbene die längste Zeit seines Lebens nicht im Dunstkreis der Reichshauptstadt verbracht, sondern unter exilierten Gesinnungsgenossen in Argentinien. Für die wäre - wegen der großen Entfernung - die Anreise zum stillen Gedenken an den Ufern der Havel eine Zumutung. Was übrigens auch für die zahlreichen neofaschistischen Freunde gilt, die Priebke während des Strafprozesses in Italien fand. Immerhin haben sie unter der Ägide seines Anwalts Paolo Giachini dafür gesorgt, dass der betagte SS-Hauptsturmführer trotz rechtskräftiger Verurteilung noch einen schönen Lebensabend in Rom verbringen durfte.

    Was also tun? Wohin mit der Leich'? Im Kühlhaus der italienischen Luftwaffe, die gestern für Priebkes Zwischenlagerung sorgte, kann sie nicht bleiben bis zum jüngsten Tag. Es bietet sich als finale Ruhestätte einer der vielen deutschen Soldatenfriedhöfe in Italien an. Da liegen nämlich zu Tausenden unterschiedslos Gerechte und Ungerechte: einfache Wehrpflichtige, die verständlicherweise Angst hatten vor dem Sterben, genauso wie verblendete Nazisoldaten, die willig in den Tod gingen für Führer, Volk und Vaterland. Inmitten der Überreste dieser Armee, zu der auch der SS-Mann Erich Priebke gehörte, müsste sich ein Platz finden für den Leichnam dieses Mörders, der nichts gelernt und nie bereut hat: ein Grab so anonym wie die Gräber jener unbekannten Soldaten, von denen man nicht einmal die Erkennungsmarken gefunden hat. Im Unterschied zu ihnen und zu seinen Opfern hatte Priebke das Privileg, diesen Krieg zu überleben.