Lassen wir es einmal gut sein mit der üblichen Mäkelei über München. Ja, George Benjamins Oper "Written on skin" wurde letzten Sommer in Aix uraufgeführt, ging dann auf Tour und wird jetzt in München frech als Festspielaufführung angeboten. Ja, Intendant Nikolaus Bachler und Kent Nagano verstanden sich nie wirklich gut, weil Ersterer vor allem grelle Oberflächen poliert, während Letzterer bisweilen zu tiefsinnig agiert. Genug davon.
Reden wir vor allem über die Verdienste Kent Naganos, der sieben Jahre Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper war und anfangs auch das Programm wesentlich mit beeinflusste. Seine erste bedeutende Produktion war gleich ein Doppelschlag. "Salome" von Richard Strauss und "Das Gehege", eine Uraufführung von Wolfgang Rihm (basierend auf einem Text von Botho Strauß). Naganos Interesse galt und gilt immer besonders Spannungsfeldern: Mythos und Moderne, konkrete Gegenwart und utopische Spiritualität, musikalische Tradition und komplexe Neutönerei.
In besonders positiver Erinnerung bleiben Francis Poulencs Dialogues des Carmélites oder Olivier Messiaens Saint François d'Assise. Auch beim russischen Repertoire konnte Nagano punkten, weniger bei Mozart, nur teilweise bei Richard Strauss. Das Spielerische, Organische liegt Nagano nicht so sehr, er braucht ein Mindestmaß an struktureller Komplexität, um wirklich zu reüssieren. Wagners Ring des Nibelungen in der vergangenen Spielzeit wurde zur Feuerprobe, erst durchaus problematisch bei Tempi und Dynamik, dann zunehmend besser, tiefer, schärfer.
Naganos unprätentiöses Auftreten, seine entspannte Art bildete einen radikalen Gegenpol zu Nikolaus Bachlers fast schon südländischem Temperament. Dass Nagano bald an die Hamburgische Staatsoper wechselt, ist vielleicht nur folgerichtig. Beim Münchner Publikum kam er oft besser an als bei manchen Kritikern, wobei es häufig um reine Geschmacksfragen ging. Bevorzugt man den großen, zirzensischen Klangrausch oder eher die analytische Durchleuchtung der Partitur? Analysieren und Sezieren - das sind Naganos Spezialitäten. Von den diversen Münchner Uraufführungen dirigierte er nur ein paar, Unsuk Chins recht komplizierte Märchenoper "Alice in Wonderland" hatte er sich gewünscht, Jörg Widmanns postmodern buntes Spektakel "Babylon" dürfte er eher als Pflichtsache verstanden haben. Regelmäßig hörte man Nagano auch als Konzertdirigent, die traditionellen Festspielgottesdienste lagen ihm besonders am Herzen, ebenso Auftritte mit Jugendorchestern oder "Oper für alle". Apropos Herz, als letzte Premiere in München dirigierte Nagano gerade George Benjamins "Written on skin". Das Stück handelt von einer seltsamen Ménage-à-trois. Ein reicher, älterer Mann holt sich einen jungen Maler ins Haus, der die Gattin seines Auftraggebers verführt, oder vielmehr, sich von ihr verführen lässt. Der Ehemann nimmt Rache und setzt seiner Frau das Herz des Liebhabers zum Essen vor, die ahnungslos von der besonderen Speise kostet.
Die Handlung schwankt in Katie Mitchells Inszenierung zwischen dem Mittelalter und der Gegenwart, es werden bis zu vier Räume parallel bespielt, als Mittler zwischen den Zeiten und Ebenen fungieren 'Engel'. Benjamins kraftvolle Partitur fächert Nagano präzise auf (er steht bei dieser Produktion am Pult des Klangforum Wien), Barbara Hannigan bewältigt die extrem anspruchsvolle Partie der unfreiwilligen Kannibalin glänzend.
Alle Ausführenden und der Komponist werden am Ende bejubelt, der schmale Maestro mit seiner wuchtigen Mähne wirkt spürbar gerührt. Doch noch ein anderes Schlussbild: nach einer szenisch und musikalisch ausgezeichneten Wozzeck-Premiere - Regisseur Andreas Kriegenburg hatte die Bühne mit Wasser und Lemuren bevölkert - nimmt Nagano die Ovationen barfuß, mit hochgekrempelter Frackhose entgegen. Da mussten selbst die schärfsten Kritiker ihre Waffen strecken!
Reden wir vor allem über die Verdienste Kent Naganos, der sieben Jahre Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper war und anfangs auch das Programm wesentlich mit beeinflusste. Seine erste bedeutende Produktion war gleich ein Doppelschlag. "Salome" von Richard Strauss und "Das Gehege", eine Uraufführung von Wolfgang Rihm (basierend auf einem Text von Botho Strauß). Naganos Interesse galt und gilt immer besonders Spannungsfeldern: Mythos und Moderne, konkrete Gegenwart und utopische Spiritualität, musikalische Tradition und komplexe Neutönerei.
In besonders positiver Erinnerung bleiben Francis Poulencs Dialogues des Carmélites oder Olivier Messiaens Saint François d'Assise. Auch beim russischen Repertoire konnte Nagano punkten, weniger bei Mozart, nur teilweise bei Richard Strauss. Das Spielerische, Organische liegt Nagano nicht so sehr, er braucht ein Mindestmaß an struktureller Komplexität, um wirklich zu reüssieren. Wagners Ring des Nibelungen in der vergangenen Spielzeit wurde zur Feuerprobe, erst durchaus problematisch bei Tempi und Dynamik, dann zunehmend besser, tiefer, schärfer.
Naganos unprätentiöses Auftreten, seine entspannte Art bildete einen radikalen Gegenpol zu Nikolaus Bachlers fast schon südländischem Temperament. Dass Nagano bald an die Hamburgische Staatsoper wechselt, ist vielleicht nur folgerichtig. Beim Münchner Publikum kam er oft besser an als bei manchen Kritikern, wobei es häufig um reine Geschmacksfragen ging. Bevorzugt man den großen, zirzensischen Klangrausch oder eher die analytische Durchleuchtung der Partitur? Analysieren und Sezieren - das sind Naganos Spezialitäten. Von den diversen Münchner Uraufführungen dirigierte er nur ein paar, Unsuk Chins recht komplizierte Märchenoper "Alice in Wonderland" hatte er sich gewünscht, Jörg Widmanns postmodern buntes Spektakel "Babylon" dürfte er eher als Pflichtsache verstanden haben. Regelmäßig hörte man Nagano auch als Konzertdirigent, die traditionellen Festspielgottesdienste lagen ihm besonders am Herzen, ebenso Auftritte mit Jugendorchestern oder "Oper für alle". Apropos Herz, als letzte Premiere in München dirigierte Nagano gerade George Benjamins "Written on skin". Das Stück handelt von einer seltsamen Ménage-à-trois. Ein reicher, älterer Mann holt sich einen jungen Maler ins Haus, der die Gattin seines Auftraggebers verführt, oder vielmehr, sich von ihr verführen lässt. Der Ehemann nimmt Rache und setzt seiner Frau das Herz des Liebhabers zum Essen vor, die ahnungslos von der besonderen Speise kostet.
Die Handlung schwankt in Katie Mitchells Inszenierung zwischen dem Mittelalter und der Gegenwart, es werden bis zu vier Räume parallel bespielt, als Mittler zwischen den Zeiten und Ebenen fungieren 'Engel'. Benjamins kraftvolle Partitur fächert Nagano präzise auf (er steht bei dieser Produktion am Pult des Klangforum Wien), Barbara Hannigan bewältigt die extrem anspruchsvolle Partie der unfreiwilligen Kannibalin glänzend.
Alle Ausführenden und der Komponist werden am Ende bejubelt, der schmale Maestro mit seiner wuchtigen Mähne wirkt spürbar gerührt. Doch noch ein anderes Schlussbild: nach einer szenisch und musikalisch ausgezeichneten Wozzeck-Premiere - Regisseur Andreas Kriegenburg hatte die Bühne mit Wasser und Lemuren bevölkert - nimmt Nagano die Ovationen barfuß, mit hochgekrempelter Frackhose entgegen. Da mussten selbst die schärfsten Kritiker ihre Waffen strecken!