In Frankreich ist Keren Ann ein Star, was vermutlich daran liegt, dass sie eine Popkünstlerin ist, die ihren eigenen Stil pflegt und vieles daran mutet eben typisch französisch an, auch wenn sie meistens Englisch singt. Es ist eine gewisse ‚ätherische Qualität’, die sich an ihrer Stimme festmachen lässt. Vor allem aber schreibt Keren Ann wunderbare Songs, die von Klarheit und einer gewissen Einfachheit leben.
Die Musikerin mit den niederländisch-israelischen Wurzeln, hat viele Talente. Als Komponistin und nicht als Sängerin begann Keren Ann ihre Karriere und das so beeindruckend, dass ihre Stücke von Größen der Popszene wie Francoise Hardy, Jane Birkin, David Byrne oder Iggy Pop interpretiert wurden. Außerdem hat sie Theatermusik und Soundtracks für Filme geschrieben. Erst zur Jahrtausendwende entdeckte sie dann ihre eigene Stimme. Seitdem sind sieben Alben unter ihrem Namen erschienen, das jüngste im vergangenen Jahr.
In jeder Hinsicht kosmopolitisch
Keren Ann war lange der Prototyp einer kosmopolitischen Sängerin und Songschreiberin mit beweglichem Wohnsitz zwischen New York, Paris, Tel Aviv und den Niederlanden. Von dort kommt ihre Mutter, ihr Vater ist Israeli. Internationalität ist ihr in die Wiege gelegt worden. Vor vier Jahren hat die Musikerin eine Tochter bekommen und seither ist sie sesshafter geworden.
"Mit der Zeit habe ich angefangen, Dinge zu machen, die mit meinem Lebensstil vereinbar sind, ich schreibe Filmmusik, ich arbeite fürs Theater und mit Tänzern. Wenn man aber ein Album veröffentlicht, dann muss man auch auf Tour gehen und, dann bin ich normalerweise ein ganzes Jahr unterwegs. Heutzutage versuche ich, Konzerte aufs Wochenende zu legen oder auf die Ferien meiner Tochter – dieses Jahr bin ich nur in Asien für längere Zeit, und da nehme ich sie mit. Unter der Woche arbeite ich normalerweise in meinem Studio in Paris. Dann kann ich viel Zeit mit meiner Tochter verbringen."
Nicht nur populäre Kompositionen
Keren Anns produziert gerne andere Künstler, darunter die Schauspielerin und Sängerin Emmanuelle Seigner. Wenn sie komponiert, dann nicht nur im Idiom populärer Musik.
"Mit Mitte 20 habe ich angefangen, für klassische Instrumente zu schreiben. Das ist recht spät. Die Basis kannte ich ja von der Popmusik, ich kann mit Bass, Gitarre, Schlagzeug und Keyboards umgehen, aber das auf klassische Instrumente anzuwenden, ist eine andere Geschichte: Oboe, Fagott, die Streicher, das sind andere Tonlagen und zum Teil andere Notationssysteme.
"Ich liebe das Format eines Songs"
Ich habe zwar keine klassische Ausbildung, aber dafür habe ich das Handwerk eines Songschreibers gelernt, durch Hören und Nachspielen der großen Meister:Bob Dylan, Bruce Springteen, Leonard Cohen, Billy Holiday, Chet Baker. Ich liebe das Format eines Songs. Es ist ungemein komplex, viel komplexer als all die anderen Formen, in denen Musik eine Rolle spielt, sei es im Film oder im Theater."
Der Song steht zwar im Mittelpunkt ihres Interesses, aber natürlich profitiert Keren Ann von den Erfahrungen als Arrangeurin und Komponistin größerer Formate.
"Es ist eigenartig, aber mit den Jahren bekommt man den Eindruck, immer den gleichen Song zu schreiben. Man bemüht sich darum, ihn zu verbessern. Aber die Ähnlichkeit ist nicht zu leugnen. Immerhin kommt mit dem Alter auch eine gewisse Klarheit. Man bringt die Dinge viel schneller auf den Punkt. Wenn man jung ist, mag man das Abstrakte und Mysteriöse. Dieses ganze Drumherum wirft man irgendwann über Bord und erzählt einfach nur die eigene Geschichte."
"Die große Aufgabe ist, ein Ende zu finden"
Die Reduktion auf das Wesentliche, das hat Keren Ann in ihren Jahren als Songschreiberin und Sängerin, als Gitarristin und Pianistin gelernt. Das kann im Zweifel auch dabei helfen, eine Komposition oder ein ganzes Album rechtzeitig fertig zu stellen. Es hat Zeiten gegeben, in denen sich Ann mit ihren vielen Talenten selbst im Weg stand.
"An irgendetwas arbeite ich immer: 2011 habe ich eine Oper geschrieben, daraus wird jetzt ein Animationsfilm. Einige Dinge haben sich toll entwickelt, es ist traumhaft, derzeit denke ich über ein Ballett nach. Und natürlich kann ich jederzeit Songs für ein neues Album sammeln. Mit der Kreativität und dem Songschreiben ist es so: Der Anfang ist nicht das Problem, die große Aufgabe ist es, ein Ende zu finden. Da ist ein Abgabetermin manchmal ganz nützlich.”
BeimRudolstadtfestival 2016 präsentierte sich Keren Ann zusammen mit dem Bassisten Pierre Dubost und dem Schlagzeuger Mathieu Gayout. Gerade im Trio zeigt sich ihre Fähigkeit, die übersichtlichen Songstrukturen von Strophe und Refrain ungewöhnlich, vor allem aber sehr persönlich klingen zu lassen. Und je älter sie wird, desto mehr verlässt sie sich auf diese Fähigkeit.
Aufnahme vom 8.7.16 beim Rudolstadtfestival
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